BGH,
Urt. v. 6.10.2005 - 3 StR 319/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 319/05
vom
6.10.2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen versuchter räuberischer Erpressung u. a.
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6.
Oktober
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Winkler,
Pfister,
von Lienen,
Becker
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten G.
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 3 -
für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Itzehoe vom 19.04.2005 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch wegen versuchter räuberischer Erpressung
in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung im
Fall II. 2
der Urteilsgründe;
b) im Strafausspruch gegen die Angeklagten B. und
K. insgesamt und gegen den Angeklagten G.
hinsichtlich der in diesem Fall verhängten
Einzelfreiheitsstrafe
und der Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchter
räuberischer Erpressung
in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung - bei
B. und
G. in zwei Fällen und bei K. in einem Fall - schuldig
gesprochen.
- 4 -
Es hat deswegen gegen B. unter Einbeziehung weiterer Urteile eine
Einheitsjugendstrafe von vier Jahren, gegen K. eine Freiheitsstrafe von
einem Jahr und sechs Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, und
gegen G.
unter Einbeziehung von Strafen aus einer früheren Verurteilung
eine Gesamtfreiheitsstrafe
von drei Jahren und sechs Monaten verhängt. Die
Staatsanwaltschaft
hat - beschränkt auf den Fall II. 2 der Urteilsgründe
- Revision
eingelegt und erstrebt insoweit eine Verurteilung wegen versuchter
besonders
schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung.
Sie hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen der Jugendkammer zu Fall II. 2 der
Urteilsgründe
hatten sich die Angeklagten entschlossen, den Wohnungsnachbarn
des Angeklagten K. , den Zeugen V. , zu erpressen. Sie lockten ihn in
die Wohnung von K. , versetzten ihm einen Faustschlag und forderten
einen
Geldbetrag von 270 €. Als V. ihnen klargemacht hatte, dass er
einen
solchen Betrag nicht bei sich habe, schlugen und traten sie nach einem
ersten
Fluchtversuch weiter auf ihn ein. Um zu entkommen, schlug V. ihnen vor,
zur Bank zu gehen und Geld zu holen, wobei er dort auf Hilfe hoffte.
Der Angeklagte
B. öffnete daraufhin ein - ohne Kenntnis seiner
Mittäter mitgeführtes
- Klappmesser, hielt es ihm vor und drohte, ein Ohr abzuschneiden, um
einen erneuten Fluchtversuch zu verhindern. Die Angeklagten
vereinbarten,
dass B. , der das Messer zwischenzeitlich wieder eingesteckt hatte,
V. zur Bank begleiten sollte. Beim Verlassen des Hauses bat dieser
Passanten
um Hilfe, die ihm geleistet wurde.
Die Jugendkammer hat die Verurteilung wegen versuchter besonders
schwerer räuberischer Erpressung unter Verwendung eines
Messers abge-
5 -
lehnt, weil die Drohung nicht auf die erstrebte
Vermögensverfügung, sondern
lediglich auf die Verhinderung eines weiteren Fluchtversuches gerichtet
gewesen
sei. Im Übrigen hätte nicht festgestellt werden
können, dass die Angeklagten
K. und G. Kenntnis von dem mitgeführten Messer gehabt und
dessen Einsatz gebilligt hätten.
2. Diese Bewertung hält rechtlicher Nachprüfung nicht
stand:
a) Die Jugendkammer hat lediglich geprüft, ob eine versuchte
besonders
schwere räuberische Erpressung nach §§ 253,
255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB gegeben
ist und - mit unzureichender Begründung (siehe unten) -
verneint. Dabei
hat sie übersehen, dass nach ihren Feststellungen
unabhängig von der Frage
einer finalen Verknüpfung des Messereinsatzes mit dem
Erpressungsvorhaben
jedenfalls die Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 a StGB
erfüllt gewesen
wären, weil der Angeklagte B. ein Messer bei sich
geführt hatte. Dieses
ist je nach seiner Beschaffenheit entweder eine Waffe nach § 1
Abs. 2
Nr. 2 WaffG oder ein gefährliches Werkzeug (vgl.
Tröndle/Fischer, StGB
52. Aufl. § 244 Rdn. 7 a m. w. N.).
b) Weiterhin hat das Landgericht nicht bedacht, dass die Verhinderung
eines weiteren Fluchtversuchs nach Sachlage die
Bemächtigungslage aufrechterhalten
und die erfolgreiche Durchführung der Erpressung durch Abholung
des Geldbetrages bei der Bank sicherstellen sollte. Darüber
hinaus hätte
die Jugendkammer die ausgesprochen nahe liegende Möglichkeit
erörtern
müssen, dass die Drohung mit dem Messer auch dazu dienen
sollte, den Geschädigten
nachdrücklich aufzufordern, sein Versprechen einzuhalten, zur
Bank zu gehen, Geld abzuheben und ihnen auszuhändigen.
- 6 -
c) Schließlich fehlt auch eine Auseinandersetzung mit der
Frage, ob die
Angeklagten K. und G. durch ihr späteres Verhalten den
Messereinsatz
ihres Mittäters billigten. Sie haben in Kenntnis der Bedrohung
mit
diesem vereinbart, das Angebot des Geschädigten anzunehmen und
damit das
Erpressungsvorhaben fortzusetzen. Sie haben ferner mit dem Angeklagten
B. denjenigen unter ihnen, der das Messer eingesetzt und immer noch
bei sich hatte, mit der Begleitung und der Sicherstellung des
erfolgreichen Abschlusses
der Straftat beauftragt. Es liegt mehr als nahe, dass damit die
Angeklagten
K. und G. ihr Einverständnis mit dem Vorgehen von B.
zum Ausdruck gebracht und sich die durch den Messereinsatz geschaffene
massive Einschüchterung des Geschädigten zunutze
gemacht haben (vgl.
BGH NStZ-RR 2002, 9).
3. Für die neue Hauptverhandlung gibt der Senat folgende
Hinweise:
a) Der Generalbundesanwalt hat zu Recht ausgeführt, dass das
Vorliegen
eines vollendeten erpresserischen Menschenraubs nach § 239 a
Abs. 1
StGB zu prüfen sein wird (vgl. BGH NStZ 2003, 604).
b) Bei der Bildung einer Einheitsjugendstrafe für den zur
Tatzeit heranwachsenden
Angeklagten B. hat die Jugendkammer nur das Urteil des
Amtsgerichts Elmshorn vom 10. August 2004 einbezogen, in das jedoch
bereits
zwei weitere Urteile einbezogen waren. Bei dieser Sachlage
müssen nach § 31
Abs. 2 JGG sämtliche Entscheidungen erneut einbezogen und im
Urteilstenor
entsprechend gekennzeichnet werden. Darüber hinaus ist
für die jetzt und früher
abgeurteilten Straftaten im Rahmen einer Gesamtwürdigung eine
neue,
- 7 -
selbständige, von der früheren Beurteilung
unabhängige einheitliche Rechtsfolgenbemessung
erforderlich (st. Rspr., vgl. BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung
7).
Dagegen richtet sich die Gesamtstrafe für den erwachsenen
Angeklagten
G. nach den §§ 55, 53 StGB. Danach ist nicht das
frühere Urteil,
sondern es sind nur die darin ausgesprochenen Strafen einzubeziehen
(Tröndle/
Fischer aaO § 55 Rdn. 38).
c) Bei der Fassung der Urteilsformel ist die Angabe
mittäterschaftlicher
Begehung ("gemeinschaftlich") entbehrlich und sollte aus
Gründen der Übersichtlichkeit
unterbleiben (Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 260
Rdn. 24).
Tolksdorf Winkler Pfister
von Lienen Becker |