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BGH, Urteil vom 7. August 2008 - 3 StR 201/08


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 7.8.2008 - 3 StR 201/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 201/08
vom
7. August 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. August 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Pfister,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 18. Oktober 2007 im Strafausspruch mit den Feststellungen zur rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung aufgehoben; die übrigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner hiergegen erhobenen Revision macht der Angeklagte ein Verfahrenshindernis geltend und erhebt die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das - zwar nicht nach dem Wortlaut des Revisionsantrags, wohl aber nach dem Inhalt der Revisionsbegrün-
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dung - wirksam beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft beanstandet in sachlich-rechtlicher Hinsicht den Strafausspruch.
I. Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
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1. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausführt, liegt entgegen der Auffassung des Angeklagten eine wirksame Anklage vor, aus der er die gegen ihn gerichteten Tatvorwürfe ersehen und sich entsprechend hiergegen verteidigen konnte. Der Beschwerdeführer übersieht, dass eigentliche Tathandlung die Einreichung der unrichtigen Quartalsabrechnungen war und es sich bei den einzelnen unzutreffend abgerechneten Behandlungen jeweils lediglich um unselbständige Rechnungsposten zur Ermittlung des unberechtigt geltend gemachten Honoraranspruchs handelte. Diese konnte der Angeklagte aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen in Verbindung mit der Tabelle über die Abwesenheitstage und die an diesen Tagen angeblich behandelten Patienten entnehmen. Der Tatvorwurf war danach eindeutig umrissen und der Angeklagte konnte sich gegen diesen auch wirksam verteidigen; einer Zurechnung der jeweiligen Abrechnungsziffern zu den namentlich für die einzelnen Abrechnungstage aufgeführten Patienten bedurfte es hierzu nicht. Schon aus diesem Grunde ist die vom Beschwerdeführer "für den Fall, dass das Revisionsgericht zum Ergebnis gelangt, dass die Anklageschrift nicht bereits als solche als unzureichend anzusehen ist", erhobene Rüge jedenfalls unbegründet, das Landgericht habe es unter Verstoß gegen den Anspruch des Angeklagten auf faire Verfahrensführung und gegen § 265 StPO unterlassen, durch Hinweis in der Hauptverhandlung die Tatvorwürfe weiter zu konkretisieren; denn einer derartigen Konkretisierung bedurfte es nicht.
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2. Die Überprüfung des Schuldspruchs auf Grund der Sachrüge deckt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen durch-
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greifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Gleiches gilt für den Strafausspruch. Es beschwert den Angeklagten hier nicht, dass das Landgericht die Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung noch nach dem Strafabschlags- und nicht nach dem Vollstreckungsmodell (vgl. BGH-GS-NJW 2008, 860 ff.) vorgenommen hat, denn die Vollstreckung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe ist zur Bewährung ausgesetzt worden (siehe Beschl. vom 8. Juli 2008 - 3 StR 204/08).
II. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat dagegen Erfolg. Die Strafzumessung des Landgerichts weist durchgreifende Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf.
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1. Das Landgericht hat - insoweit rechtsfehlerfrei - in beiden Fällen die Voraussetzungen eines gewerbsmäßig begangenen Betrugs im Sinne des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB bejaht; es hat jedoch wegen der von ihm festgestellten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von der Anwendung des damit an sich für derartige besonders schwere Fälle des Betrugs eröffneten Regelstrafrahmens des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB - unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 13. September 2007 (5 StR 65/07) - abgesehen und statt der an sich für verwirkt angesehenen Einzelstrafen von neun und zwölf Monaten aus dem Strafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB solche von fünf und sechs Monaten festgesetzt. Hieraus hat es die Gesamtstrafe von sieben Monaten gebildet; ohne die Verfahrensverzögerung hätte es auf eine solche von 15 Monaten erkannt.
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2. Dies erweist sich unabhängig davon als rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht die Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nach dem sog. Strafabschlagsmodell und nicht - entsprechend der nach der
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Verkündung des angefochtenen Urteils geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH-GS-NJW 2008, 860 ff.) - nach der sog. Vollstreckungslösung vorgenommen hat. Denn die Strafrahmenwahl hält schon deswegen rechtlicher Prüfung nicht stand, weil das Landgericht hierbei einen wesentlichen, bestimmenden (§ 267 Abs. 3 Satz 2 StPO) Strafzumessungsgesichtspunkt nicht wie geboten zu Lasten des Angeklagten in die erforderliche Gesamtabwägung aller maßgeblichen Umstände (s. etwa BGH NStZ 2004, 265, 266 m. w. N.) einbezogen hat. Es hat nicht berücksichtigt, dass der Angeklagte seine Abrechnungsassistentin, die frühere Mitangeklagte W. , in erhebliches strafbares Unrecht verstrickte, indem er sie über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr anwies, jeweils Leistungen abzurechnen, die er nicht erbracht hatte. Dieser Umstand hätte darüber hinaus auch bei der konkreten Bemessung der Einzelstrafen Berücksichtigung finden müssen.
Außerdem lässt die vom Landgericht vorgenommene Kompensation im Strafabschlagsmodell besorgen, dass dem Angeklagten die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung doppelt zugute gebracht worden ist, zum einen bei der Strafrahmenwahl, zum anderen durch seine zusätzliche Reduzierung der Einzelstrafen innerhalb des herangezogenen Strafrahmens des § 263 Abs. 1 StGB. Letztlich leidet die vorgenommene Kompensation auch an dem Rechtsmangel, dass es das Landgericht unterlassen hat, die Zeiten, in denen das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden sein soll, nachvollziehbar darzustellen. Der Senat ist daher nicht in der Lage zu prüfen, ob der vom Landgericht angenommene Verzögerungszeitraum von drei Jahren rechtsfehlerfrei ermittelt ist und das Maß der dem Angeklagten zugebilligten Strafreduzierung sich noch im Rahmen des dem Tatrichter insoweit eröffneten Entscheidungsspielraums hält.
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3. Der neue Tatrichter wird bei der Anwendung des Vollstreckungsmodells zunächst Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen zu ermit-
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teln und im Urteil konkret festzustellen haben (vgl. BGH-GS-NJW 2008, 860, 866). Da das Vollstreckungsmodell den Ausgleich für das erlittene Verfahrensunrecht von vornherein von Fragen des Unrechts, der Schuld- und der Strafhöhe abkoppelt (BGH aaO S. 864), darf dieser Gesichtspunkt nicht mehr bei der Strafrahmenwahl berücksichtigt werden. Vielmehr findet er ausschließlich Beachtung bei der - unabhängig von der Strafzumessung vorzunehmenden - Kompensation.
Auch zur Höhe der Kompensation verweist der Senat auf den Beschluss des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs. Danach wird sich die Anrechnung häufig auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken haben (BGH aaO S. 866). Die im angefochtenen Urteil vorgenommene, außergewöhnlich weit gehende Kompensation, insbesondere die Reduzierung der Gesamtstrafe um mehr als die Hälfte von 15 Monaten auf sieben
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Monate, erscheint zwar nicht völlig ausgeschlossen; jedoch waren an die Begründung eines derartigen Strafabschlags hohe Anforderungen zu stellen, denen die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung - worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen zutreffend hinweist - keineswegs genügen. Dies wird der neue Tatrichter auch bei der Kompensation im Vollstreckungsmodell zu berücksichtigen haben.
Becker Miebach Pfister
Sost-Scheible Schäfer



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