BGH,
Urt. v. 8.4.2010 - 4 StR 53/10
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 53/10
vom
8. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8.
April 2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Athing, Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der
Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird
das Urteil des Landgerichts Halle vom 11. September 2009 aufgehoben,
soweit ein Vorwegvollzug von sechs Monaten Gesamtfreiheitsstrafe vor
der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischen
Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit Raub und mit
vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen Diebstahls
in zwei Fällen unter Einbeziehung der Geldstrafen aus zwei
Strafbefehlen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier
Monaten verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass sechs Monate der
Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind und
dass dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine neue
Fahrerlaubnis erteilt werden darf.
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Der Angeklagte beanstandet mit seiner auf die Sachrüge
gestützten Revision die Verurteilung wegen eines
tateinheitlich begangenen räuberischen Angriffs auf
Kraftfahrer im Fall II. 1 der Urteilsgründe, die den
Verurteilungen wegen Diebstahls zu Grunde liegende
Beweiswürdigung und die Maßregelaussprüche.
Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zu Ungunsten des
Angeklagten eingelegten und auf die Sachrüge
gestützten Revision, die sie auf die Aussprüche
über die Einzelstrafen im Fall II. 1 der
Urteilsgründe und die Gesamtstrafe beschränkt hat,
die Annahme eines minder schweren Falles des räuberischen
Angriffs auf Kraftfahrer.
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Die Rechtsmittel haben zum Ausspruch über die Dauer des
Vorwegvollzuges Erfolg; im Übrigen sind sie
unbegründet.
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1. Die Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs der Strafe vor der
gemäß § 64 StGB angeordneten
Maßregel hält rechtlicher Nachprüfung nicht
stand.
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Das Landgericht hat zur Bestimmung der Dauer des
gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB angeordneten
Vorwegvollzugs eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe lediglich
ausgeführt, dass dieser mit sechs Monaten zu bemessen war, "so
dass nach Beendigung der Maßregel eine Strafaussetzung zur
Bewährung in Betracht kommen könnte". Dem
lässt sich, wie der Generalbundesanwalt in seiner
Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, weder entnehmen, ob
sich das Landgericht bei der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs,
wie gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 5
Satz 1 StGB geboten, am Halbstrafenzeitpunkt orientiert hat (vgl. BGH,
Beschl. vom 8. Januar 2008 - 1 StR 644/07, NStZ-RR 2008, 142), noch
lassen die Urteilsausführungen erkennen, ob das Landgericht,
wie erforderlich, eine präzise Prognose hinsichtlich der
voraussichtlich notwen-
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digen Dauer des Maßregelvollzuges zu Grunde gelegt hat (vgl.
BGH, Beschl. vom 20. Mai 2008 - 1 StR 233/08 - StV 2008, 638 m.N.).
Weil der Sachverständige nach den auch insoweit knappen
Urteilsausführungen eine stationäre
"Langzeittherapie" für erforderlich gehalten hat, ist nicht
ohne weiteres auszuschließen, dass die notwendige Dauer des
Maßregelvollzugs ein Jahr und zwei Monate
überschreitet. Bei einem Vorwegvollzug von sechs Monaten der
Strafe wäre der Halbstrafenzeitpunkt (ein Jahr und acht
Monate) aber überschritten.
2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf
Grund der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten zu den Schuld- und
Strafaussprüchen sowie zu den
Maßregelaussprüchen keinen Rechtsfehler zum Nachteil
des Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat auf die
zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner
Antragsschrift vom 25. Februar 2010.
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3. Auch die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen weiter gehenden
Erfolg. Die sachlich-rechtliche Nachprüfung der
Aussprüche über die im Fall II. 1 der
Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von
zwei Jahren und acht Monaten und die Gesamtstrafe hat keinen
durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten ergeben.
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a) Entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falles
ist, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven
Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt
der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden
Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, dass
die Anwendung dieses Strafrahmens geboten erscheint. Für die
Prüfung dieser Frage ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich,
bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen
sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in
Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst
innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nach-
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folgen (st. Rspr.; vgl. nur die Nachweise bei Fischer StGB 56. Aufl.
§ 46 Rdn. 85). Die Erschwernis- und Milderungsgründe
auf diese Weise nach pflichtgemäßem Ermessen
gegeneinander abzuwägen, ist Sache des Tatrichters. Seine
Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar.
Weist sie keinen Rechtsfehler auf, ist sie deshalb auch dann
hinzunehmen, wenn eine andere Entscheidung möglich gewesen
wäre oder vielleicht sogar näher gelegen
hätte (vgl. Senat, Urt. vom 6. November 2003 - 4 StR 296/03,
NStZ-RR 2004, 80 und vom 7. Dezember 2006 - 4 StR 355/06).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Annahme
minder schwerer Fälle des räuberischen Angriffs auf
Kraftfahrer und des Raubes rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin hat das Landgericht, wie der
Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift, auf die insoweit Bezug
genommen wird, im Einzelnen dargelegt hat, alle für die
Strafrahmenwahl bestimmenden Zumessungsgesichtspunkte mitgeteilt.
Insbesondere lassen die Urteilsgründe mit Blick auf die
strafschärfende Wertung der Brutalität der
Gewalteinwirkung des Angeklagten auf das ihm deutlich unterlegene Opfer
bei der Wegnahme der Sachen nicht besorgen, dass das Landgericht bei
der Strafrahmenwahl nicht auch die tateinheitlich verwirklichten
Delikte der vorsätzlichen Körperverletzung und des
Raubes berücksichtigt haben könnte.
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b) Auch der bei der Bildung der Gesamtstrafe vorgenommene
Härteausgleich begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen
Bedenken. Das Landgericht hat im Wege der nachträglichen
Gesamtstrafenbildung die Geldstrafen aus den Strafbefehlen vom 22. Juni
2009 (60 Tagessätze) und vom 31. März 2009 (15
Tagessätze) einbezogen. Wäre die Geldstrafe von 80
Tagessätzen aus dem Strafbefehl vom 23. Dezember 2008 nicht
erledigt, hätten jedoch insgesamt 140
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Tagessätze, und nicht lediglich 75 Tagessätze
Geldstrafe einbezogen werden können.
Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Mutzbauer |