BGH,
Urt. v. 8.3.2006 - 2 StR 600/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 600/05
vom 8.3.2006
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
8.03.2006, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan und die Richter am
Bundesgerichtshof Rothfuß, Prof. Dr. Fischer, die Richterin
am Bundesgerichtshof Roggenbuck, der Richter am Bundesgerichtshof Dr.
Appl, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
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1. Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur
Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 26. Juli 2005 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand gewährt. Die Kosten der Wiedereinsetzung
trägt der Angeklagte. Damit ist der Beschluss des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 14. November 2005, mit dem die Revision des
Angeklagten als unzulässig verworfen wurde, gegenstandslos. 2.
Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im
Schuldspruch dahin geändert, dass der Vorwurf der
tateinheitlich begangenen Vergewaltigung entfällt. 3. Die
weitergehende Revision wird verworfen. 4. Der Angeklagte hat die Kosten
seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch
entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Von Rechts wegen
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Gründe: 1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von
Kindern in vier Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von
Kindern in 66 Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von
Kindern in Tateinheit mit dem Besitz pornografischer Schriften, die den
sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben, zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und gegen ihn die
Sicherungsverwahrung angeordnet. Dagegen richtet sich die Revision des
Angeklagten mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat nur in
geringem Umfang Erfolg. 1. In keinem der ausgeurteilten Fälle
ist Verjährung eingetreten. In den Fällen 13 bis 73
der Anklage beurteilt sich die Strafbarkeit nach § 176 Abs. 1
StGB in der Fassung des 4. StrRG, welcher einen Strafrahmen von sechs
Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vorsah. Die
Verjährungsfrist betrug gemäß § 78
Abs. 3 Nr. 3 StGB zehn Jahre. Die Verjährung der zeitlich
ersten, im September 1985 begangenen Tat wäre mithin Ende
August 1995 eingetreten. Bereits am 30. Juni 1994 trat jedoch
§ 78 b StGB in Kraft, wonach die Verjährung bis zur
Vollendung des 18. Lebensjahrs des Opfers ruht. Diese Regelung gilt
auch für Taten, die vor ihrem Inkrafttreten begangen worden
sind und zum Zeitpunkt des Inkrafttretens noch nicht verjährt
waren. Zwar hat das Landgericht nicht in allen Fällen das
genaue Geburtsdatum der Opfer festgestellt; den Urteilsgründen
ist jedoch zu entnehmen, dass alle Tatopfer zwischen einem Jahr und
höchstens fünf Jahren alt waren, so dass die
Verjährung in den einzelnen Fällen wenigstens 13
Jahre ruhte. Daran schloss sich dann die zehn-jährige
Verjährungsfrist des § 176 Abs. 1 StGB aF an (vgl.
BGHR StGB § 78 b Abs. 1 Ruhen 5), die in keinem der
Fälle bei der Unterbrechung durch den Durchsuchungsbeschluss
vom 2. November 2004 abgelaufen war. 2
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2. Die Schuldsprüche wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
u. a. in den Fällen 1, 7 bis 10 und 12 bis 73 der Anklage
weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Auch die
Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in den
Fällen 2 bis 4 und 6 der Anklage ist nicht zu beanstanden.
Allerdings hält die tateinheitliche Verurteilung wegen
Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 3,
Abs. 2 Nr. 1 StGB nach der vom Senat im Urteil vom 25.01.2006 (2 StR
345/05 - zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen) nunmehr
vertretenen Rechtsauffassung der rechtlichen Nachprüfung nicht
stand, weil das Landgericht, welches bei seinem Urteil der mittlerweile
aufgegebenen Senatsentscheidung in NStZ 2004, 440 gefolgt ist, keine
Feststellungen dazu getroffen hat, ob das Tatopfer seine schutzlose
Lage bemerkt und nur im Hinblick darauf auf Gegenwehr verzichtet hat.
Der Senat schließt angesichts des Alters des betroffenen
Kindes zur Tatzeit aus, dass ein neuer Tatrichter insoweit ausreichende
Feststellungen treffen könnte, und hat deshalb den
Schuldspruch geändert. 3 3. Der Strafausspruch und die
Anordnung der Maßregel können bestehen bleiben. Das
Landgericht hat in den Fällen 2 bis 4 und 6 der Anklage den
Strafrahmen des § 176 a Abs. 2 StGB von Freiheitsstrafe nicht
unter zwei Jahren zu Grunde gelegt. Aus diesem Strafrahmen hat es sehr
milde Einzelstrafen aus dem unteren Bereich verhängt (drei
Jahre, zweimal zwei Jahre und sechs Monate und einmal zwei Jahre und
neun Monate). Zwar hat das Landgericht die Verwirklichung von zwei
Tatbeständen ausdrücklich strafschärfend
gewertet. Dennoch schließt der Senat aus, dass es bei
zutreffender rechtlicher Würdigung der Tat angesichts der
erschwerenden Tatumstände noch mildere Strafen
verhängt hätte, zumal es den Umstand, dass der
Angeklagte in diesen Fällen 4
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die objektiv schutzlose Lage des Kindes ausnutzte und sich in den
Fällen 2 bis 4 der Anklage über dessen
entgegenstehenden Willen hinweggesetzt hat, zu Lasten des Angeklagten
hätte berücksichtigen können.
Rissing-van Saan Rothfuß Fischer Roggenbuck Appl |