BGH,
Urt. v. 8.11.2007 - 3 StR 320/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 320/07
vom
8.11.2007
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Vergewaltigung u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
8.11.2007, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Becker
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Osnabrück vom 26. Februar 2007 mit den
Feststellungen aufgehoben, jedoch bleiben die Feststellungen zum
objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung,
Freiheitsberaubung und Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von vier
Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit ihrer hiergegen gerichteten,
zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revisi-on rügt die
Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel
führt zur Aufhebung des Urteils; jedoch sind die
rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen
aufrechtzuerhalten (§ 353 Abs. 2 StPO).
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I. Nach den Feststellungen versuchte der Angeklagte über einen
längeren Zeitraum vergeblich, mit der Nebenklägerin
eine Liebes- und Sexualbeziehung einzugehen. Nachdem dies gescheitert
war, traf er umfangreiche Vorbereitungen, um die Nebenklägerin
gegebenenfalls gegen ihren Willen in einem
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Kotten festzuhalten, und lockte sie dorthin. Nach einem ersten
Gespräch erkannte er, dass sich die Nebenklägerin
erneut ablehnend verhielt und auch nicht bereit war, freiwillig seinen
Wünschen zur einverständlichen Vornahme sexueller
Handlungen und zur Anfertigung erotischer Fotos nachzukommen. Er
äußerte nun, sie solle hier bleiben, sie gehe
nirgendwo mehr hin. Der Angeklagte fesselte die Nebenklägerin,
kettete sie an, strangulierte sie in lebensbedrohlicher Weise und
verbrachte sie mehrfach für längere
Zeiträume in eine von ihm präparierte
sargähnliche Kiste. Während des sich über
fast einen Tag hinziehenden Tatgeschehens führte er der
Nebenklägerin gegen ihren Willen einen Finger in die Scheide
ein, fotografierte sie in von ihm zuvor beschafften Dessous,
präsentierte ihr ein von ihm erstelltes "Drehbuch", in dem er
seine die Nebenklägerin betreffenden sexuellen
Gewaltphantasien festgehalten hatte, und drohte ihr
schließlich, sie mittels einer Kettensäge
umzubringen. Daneben versuchte er weiter, sie in mehreren
Gesprächen von seinen Absichten zu überzeugen.
Nachdem ein erster Fluchtversuch der Nebenklägerin gescheitert
war, gelang es ihr schließlich, die Abwesenheit des
Angeklagten auszunutzen, sich aus der sargähnlichen Kiste zu
befreien, zu dem benachbarten Anwesen zu gelangen und dort Hilfe zu
finden.
II. Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Prüfung
nicht stand.
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1. Die Strafkammer hat mit ihrem Schuldspruch den Unrechtsgehalt der
von ihr festgestellten Tat nicht ausgeschöpft und ist somit
ihrer Kognitionspflicht nicht nachgekommen (vgl.
Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 264 Rdn. 10). Der
festgestellte Sachverhalt enthält mehrere Nötigungen
(§ 240 StGB), die über das hinausgehen, was zur
Verwirklichung der Vergewaltigung und der Freiheitsberaubung
erforderlich war, und die deshalb nicht im Wege der Gesetzeskonkurrenz
von den §§ 177, 239 StGB verdrängt werden
(vgl. Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 177 Rdn. 105;
§ 239 Rdn. 18), so etwa das gewaltsame
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Verbringen der Nebenklägerin in die sargähnliche
Kiste oder das erzwungene Anziehen der Dessous und Dulden der
Fotoaufnahmen. Diese Delikte hätte das Landgericht gesondert
ausurteilen müssen.
2. Die Annahme des Landgerichts, die nach seiner rechtlichen
Würdigung verwirklichte schwere Vergewaltigung (§ 177
Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 StGB), gefährliche
Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) und
Bedrohung (§ 241 StGB) stünden untereinander im
Verhältnis der Tateinheit, da sie von der Freiheitsberaubung
(§ 239 StGB) als Dauerdelikt gemäß
§ 52 StGB zu einer Tat verklammert würden, ist
ebenfalls rechtsfehlerhaft.
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Grundsätzlich kann zwar ein Delikt, das sich über
einen gewissen Zeitraum hinzieht, andere Straftaten, die bei isolierter
Betrachtung in Tatmehrheit zueinander stünden, zu Tateinheit
verbinden, wenn es seinerseits mit jeder dieser Straftaten
tateinheitlich zusammentrifft. Diese Wirkung tritt jedoch dann nicht
ein, wenn das Dauerdelikt in seinem strafrechtlichen Unwert, wie er in
der Strafandrohung Ausdruck findet, deutlich hinter den
während seiner Begehung zusätzlich verwirklichten
Gesetzesverstößen zurückbleibt. Denn eine
minderschwere Dauerstraftat hat nicht die Kraft, mehrere schwerere
Einzeltaten, mit denen sie ihrerseits jeweils tateinheitlich
zusammentrifft, zu einer materiellrechtlichen Tat im Sinne des
§ 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (vgl. BGHR StGB §
52 Abs. 1 Klammerwirkung 4, 5, 7; § 129 a Konkurrenzen 4).
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Danach scheidet die Annahme von Tateinheit zwischen der schweren
Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung
aus. Die schwere Vergewaltigung ist gemäß §
177 Abs. 3 StGB mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bedroht.
Der Strafrahmen der gefährlichen Körperverletzung
reicht gemäß § 224 Abs. 1 StGB von sechs
Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Demgegenüber wird
die Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1
StGB nur mit
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Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe geahndet.
Sowohl die schwere Vergewaltigung als auch die gefährliche
Körperverletzung weisen somit im Vergleich zur
Freiheitsberaubung einen so deutlich höheren Unrechtsgehalt
auf, dass sie durch diese nicht zu Tateinheit verbunden werden
können (vgl. Träger/Schluckebier in LK 11. Aufl.
§ 239 Rdn. 42). Sie stehen vielmehr im Verhältnis der
Tatmehrheit zueinander, wobei in beiden Fällen jeweils
tateinheitlich die Freiheitsberaubung hinzutritt (vgl. Rissing-van Saan
in LK 12. Aufl. § 52 Rdn. 30). Die Bedrohung
gemäß § 241 StGB bildet mit der schweren
Vergewaltigung und der Freiheitsberaubung eine materiellrechtliche Tat,
da sie der schweren Vergewaltigung zeitlich nachfolgt und nach den
dargestellten Grundsätzen von der Freiheitsberaubung mit
dieser verklammert wird.
3. Schließlich hält das angefochtene Urteil aber
auch deswegen rechtlicher Prüfung nicht stand, weil das
Landgericht nicht erörtert hat, ob sich der Angeklagte der
Geiselnahme (§ 239 b StGB) schuldig gemacht hat. Diese
Erörterung drängte sich nach dem Beweisergebnis auf;
dessen Würdigung erweist sich daher als lückenhaft.
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a) Allerdings enthält das Urteil entgegen der Ansicht des
Generalbundesanwalts keinen beachtlichen Widerspruch hinsichtlich des
Zeitpunkts, in welchem der Angeklagte der Nebenklägerin
ausdrücklich androhte, sie mit der Kettensäge
umzubringen. Die Strafkammer hat bei der Darstellung des Sachverhalts
eindeutig festgestellt, diese Drohung habe am frühen Morgen
des nächsten Tages stattgefunden, nachdem der Angeklagte die
Nebenklägerin bereits vergewaltigt hatte und nicht mehr
gewusst habe, wie es nunmehr weitergehen solle. Diese Feststellung
fügt sich zwanglos und plausibel in das übrige
Geschehen ein. Sie stimmt darüber hinaus mit der in den
Urteilsgründen ausführlich wiedergegebenen Aussage
der Nebenklägerin überein. Soweit die Strafkammer an
einer späteren Stelle im Rahmen der Beweiswürdigung
ausgeführt
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hat, die Drohung sei vor der Vergewaltigung ausgesprochen worden,
handelt es sich deshalb um ein offensichtliches und somit
unbeachtliches Fassungsversehen. Hierfür spricht auch, dass
das Landgericht weder bei der rechtlichen Würdigung noch bei
der Strafzumessung auf diesen Umstand abgestellt hat.
Danach kommt diese Todesdrohung aber als qualifizierte
Nötigungshandlung im Sinne des § 239 b Abs. 1 2. Alt.
StGB nicht in Betracht, denn sie diente nicht mehr der Erzwingung einer
weiteren Handlung, Duldung oder Unterlassung der
Nebenklägerin, sondern war vielmehr Ausdruck der Ratlosigkeit
des Angeklagten. Dem entsprechend bot ihm die Nebenklägerin
aus Angst um ihr Leben von sich aus an, sich wieder in die
sargähnliche Kiste zu legen. Diesen "Vorschlag" griff der
Angeklagte auf und fuhr sodann zur Arbeit.
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b) Jedoch erfüllte schon das festgestellte frühere
Geschehen nahe liegend die objektiven Merkmale des § 239 b
Abs. 1 1. oder 2. Alt. StGB. Das Landgericht musste sich daher
notwendigerweise mit diesem Straftatbestand auseinandersetzen und
insbesondere prüfen, ob der Angeklagte (auch) in subjektiver
Hinsicht eine der beiden Alternativen dieser Vorschrift
erfüllt hat:
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Der Angeklagte hatte sich der Nebenklägerin
bemächtigt; die Bemächtigungslage hatte sich -
entsprechend seinen Vorstellungen - stabilisiert (vgl. BGHSt 40, 350,
359). Das Vorgehen des Angeklagten war geeignet, bei der
Nebenklägerin die Befürchtung zu wecken, der
Angeklagte wolle sie töten, wenn sie seine genannten
Vorstellungen und Wünsche nicht erfüllte. Damit liegt
objektiv eine gemäß § 239 b Abs. 1 StGB
qualifizierte Drohung vor. Diese muss nicht ausdrücklich
erklärt werden; sie kann vielmehr auch konkludent erfolgen
oder sich aus den tatsächlichen Umständen der Tat
ergeben (vgl. Träger/Schluckebier in LK 11. Aufl. §
239 b Rdn. 4). Unter diesen Umständen liegt
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es nicht fern, dass der Angeklagte eine der beiden Alternativen des
§ 239 b Abs. 1 StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht
vollständig verwirklichte.
Beabsichtigte er bereits im Zeitpunkt der Begründung des
physischen Herrschaftsverhältnisses über die
Nebenklägerin, seine weitergehenden Ziele mittels konkludenter
Todesdrohung zu erreichen, so wären allein schon hierdurch die
Voraussetzungen der ersten Alternative des § 239 b Abs. 1 StGB
erfüllt. Der Angeklagte hätte dagegen die zweite
Alternative des § 239 b Abs. 1 StGB verwirklicht, wenn er zwar
nicht bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem er sich der
Nebenklägerin bemächtigte, diese Absicht hatte,
jedoch die von ihm geschaffene Lage aufgrund eines
nachträglich gefassten Vorsatzes zu einer solchen
Nötigung mittels konkludenter Todesdrohung ausnutzte. Hiermit
hätte sich das Landgericht auseinandersetzen müssen.
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III. Das angefochtene Urteil kann somit keinen Bestand haben. Jedoch
können die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen
aufrechterhalten werden, denn sie sind von den dargelegten
Rechtsfehlern nicht betroffen. Weitergehende Feststellungen hierzu darf
der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter nur treffen, soweit
sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen. Sollte er zu der
Überzeugung gelangen, dass sich der Angeklagte auch der
Geiselnahme schuldig gemacht hat, wird er zu beachten haben, dass dieses
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Dauerdelikt aufgrund seines Unrechtsgehalts geeignet ist, die
während seiner Begehung vom Angeklagten verwirklichten
weiteren Straftaten zur Tateinheit zu verklammern ( vgl. BGH NStZ-RR
2004, 333, 335 zu § 239 a StGB).
Becker Pfister von Lienen
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