BGH,
Urt. v. 9.5.2001 - 3 StR 541/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 541/00
vom
9. Mai 2001
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Mai
2001, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Kutzer, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach,
Winkler, Pfister, von Lienen als beisitzende Richter, Bundesanwalt als
Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt , Rechtsanwalt als
Verteidiger, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird
das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 10. April 2000 im
Ausspruch über den Verfall mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben, soweit ein 194.400 DM
übersteigender Betrag für verfallen erklärt
worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 14
Fällen und wegen des Ausübens der
tatsächlichen Gewalt über eine Schußwaffe
ohne die erforderliche Erlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn im
übrigen freigesprochen. Außerdem hat es Rauschgift,
ein Kleinkalibergewehr sowie Munition eingezogen und den Verfall von
250.000 DM (194.400 DM Verfall von Wertersatz und 55.600 DM erweiterter
Verfall) angeordnet. Mit seiner Revision erhebt der Angeklagte eine
Verfahrensrüge und beanstandet die Verletzung materiellen
Rechts. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die
Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten
Revision nur gegen den Ausspruch über den erweiterten Verfall.
Das wirksam auf die Höhe der Verfallsanordnung
beschränkte (vgl. BGHR StGB § 73 b Schätzung
2; BGH NStZ-RR 1997, 270 f) Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat
Erfolg, das Rechtsmittel des Angeklagten nur im Ausspruch über
den erweiterten Verfall.
1. Die Strafkammer hat folgende Feststellungen getroffen:
Im Zeitraum Ende 1994 bis Februar/März 1996 verkaufte der
Angeklagte in sechs Fällen insgesamt mindestens 15 Kilogramm
Haschisch an den gesondert verfolgten Zeugen G. (Fälle III. 1.
- 6.). In einem weiteren Fall (Fall III. 7.) wurden im Juli 1995 ca. 25
Kilogramm Haschisch, die der Angeklagte bei seinem
niederländischen Lieferanten zum gewinnbringenden
Weiterverkauf bestellt hatte, kurz nach der Einreise des
Rauschgiftkuriers in die Bundesrepublik Deutschland von der Polizei
sichergestellt. In weiteren vier Fällen verkaufte der
Angeklagte in der Zeit zwischen Mai 1997 bis Juni 1998 an den Zeugen H.
jeweils mindestens vier Kilogramm Haschisch (Fälle III. 8. -
11.). Weiterhin hielt der Angeklagte im September 1998 sechs Kilogramm
Haschisch und um Weihnachten 1998 20 Kilogramm Haschisch in einem
Erdbunker vorrätig, die er zum größten Teil
gewinnbringend weiterverkaufte (Fälle III. 12. und 13.). Am
16. Januar 1999 verwahrte er in zwei Erdbunkern zum Weiterverkauf
bestimmte 4.362,99 Gramm Haschisch, das sichergestellt wurde (Fall III.
14.). Das Haschisch hatte einen durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von
mindestens 6 % THC. Außerdem verfügte der Angeklagte
am 29. Januar 1999 über ein Kleinkalibergewehr mit 185
Schuß Munition.
2. Die auf die Revision des Angeklagten erfolgte
Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch, zum
Strafausspruch, zur Einziehungsanordnung und zur Entscheidung
über den Verfall von Wertersatz in Höhe von 194.400
DM keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.
Die verfahrensrechtliche Beanstandung, das Landgericht habe bei der
Würdigung der den Angeklagten entlastenden Aussage des Zeugen
W. seine Überzeugung nicht aus dem Inbegriff der
Hauptverhandlung geschöpft (§ 261 StPO), ist aus den
Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts
unbegründet. Entgegen der Meinung der Verteidigung zieht die
Strafkammer den Schluß, auf die Aussage dieses Zeugen
könne nichts gestützt werden (UA S. 68), nicht
vorrangig aus dem persönlichen Eindruck (vgl. BGHSt 45, 354),
den der als einziges Mitglied des erkennenden Gerichts bei der
kommissarischen Vernehmung anwesende Strafkammervorsitzende
außerhalb der Hauptverhandlung gewonnen hatte, sondern -
unabhängig vom persönlichen Eindruck des
Strafkammervorsitzenden - aus ihrer auf Grund einer rechtsfehlerfreien
Beweiswürdigung gewonnenen Überzeugung, der Zeuge
habe hinsichtlich des Haschischgeschäfts vom 18. Juli 1995,
insbesondere des dem Kurier Wi. erteilten Auftrags, das Rauschgift in
einem Erdbunker des Angeklagten in der Nähe von
Haselünne zu deponieren, bewußt die Unwahrheit
gesagt.
Von dem insgesamt für verfallen erklärten Betrag von
250.000 DM hat das Landgericht einen Teilbetrag in Höhe von
194.400 DM ohne Rechtsfehler als Verfall von Wertersatz angeordnet
(§§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73 a StGB), der sich aus dem
Verkauf von 54 kg Haschisch zu dem rechtsfehlerfrei festgestellten
durchschnittlichen Verkaufspreis von 3.600 DM/kg errechnet. Dabei ist
es zutreffend vom Bruttoprinzip ausgegangen (vgl. BGH NStZ 94, 123 f.).
3. Die Anordnung des erweiterten Verfalls von weiteren 55.600 DM
gemäß § 73 d Abs. 1 und 2,
§§ 73 a, 73 b StGB hält sachlich-rechtlicher
Überprüfung nicht stand.
Die Strafkammer hält die Voraussetzungen dieser Vorschriften
deshalb für gegeben, weil der Angeklagte nach ihrer
Überzeugung aus Haschischgeschäften auch mit anderen
Abnehmern als den Hauptbelastungszeugen G.
und H. zusätzlich etwa ein Drittel des für verfallen
erklärten Wertersatzes von 194.400 DM erlangt hat (UA S. 116
f.). Dabei hat es auch berücksichtigt, daß der
Angeklagte, der seit 1982 keiner geregelten Arbeit nachging, sondern
mit antiken Möbeln, Oldtimern, Emailleschildern sowie mit Wein
und Sekt handelte, Eigentümer eines von seinem Vater
bezahlten, lastenfreien Anwesens, einer Münzsammlung im Wert
von ca. 11.195 DM und zweier älterer Personenkraftwagen war
und über Sparguthaben in der Gesamthöhe von ca.
274.250 DM verfügte. Mit diesen Erwägungen sind die
Voraussetzungen für den erweiterten Verfall nicht festgestellt.
Bei den vom Angeklagten begangenen Straftaten des unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
kommt ein erweiterter Verfall in Betracht, weil § 33 Abs. 1
Nr. 2 BtMG auf § 73 d StGB verweist. Gemäß
§ 73 Abs. 2 Satz 2 , § 73 d Abs. 1 StGB unterliegen
dem erweiterten Verfall aber nur Gegenstände des an der
rechtswidrigen Tat Beteiligten, d.h. solche Sachen oder Rechte, die
diesem zum Zeitpunkt der Verfallsanordnung gehören oder
zustehen (vgl. Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 d Rdn. 27, 29
m.w.Nachw.; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl.
§ 73 d Rdn. 11) oder - wegen eines zivilrechtlich unwirksamen
Erwerbsaktes (vgl. BGHSt 31, 145) - nur deshalb nicht gehören
oder zustehen, weil er sie für eine rechtswidrige Tat oder aus
ihr erlangt hat, sowie die Surrogate solcher Gegenstände. Ist
Geld erlangt, sind Gegenstand des Verfalls nicht nur die
Geldbeträge als solche, sondern auch die Gegenstände,
die der Tatbeteiligte mit dem Geld erworben hat (vgl. Schmidt aaO
§ 73 Rdn. 46). Die Gegenstände können bei
einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift nur dann
für verfallen erklärt werden, wenn der Tatrichter
nach Beweiserhebung und Beweiswürdigung davon
überzeugt ist, daß die von der Verfallsanordnung
erfaßten Gegenstände für rechtswidrige
Taten oder aus ihnen unmittelbar erlangt worden sind, ohne
daß diese im Einzelnen festgestellt werden müssen
(vgl. BGHSt 40, 371, 373; BGH NStZ-RR 1998, 297). Befinden sich Sachen
oder Rechte, die dem erweiterten Verfall unterlegen hätten und
die bei Begehung der Anknüpfungstat noch vorhanden waren (vgl.
Schmidt, aaO § 73 d Rdn. 53 m.w.Nachw.; Eser, aaO §
73 d Rdn. 17; Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 73 d
Rdn. 5), nicht mehr im Vermögen des Tatbeteiligten, kann der
Verfall eines dem Wert des ursprünglich dem Verfall
unterliegenden Gegenstandes entsprechenden Geldbetrags angeordnet
werden (§ 73 d Abs. 2 i.V.m. § 73 a Satz 1 StGB),
wobei insoweit eine Schätzung zulässig ist
(§ 73 d Abs. 2 i.V.m. § 73 b StGB).
Wie die Verteidigung mit Recht beanstandet, hat das Landgericht keinen
bestimmten, für eine rechtswidrige Tat oder aus ihr erlangten
Vermögensgegenstand des Angeklagten oder dessen Surrogat
konkretisiert, der dem erweiterten Verfall unterlegen wäre und
für den der Verfall von Wertersatz in Betracht kommen
könnte, weil er in seinem Vermögen nicht mehr
vorhanden ist. Die Urteilsgründe erschöpfen sich
vielmehr darin, anhand der Betäubungsmittelgeschäfte,
die Gegenstand der Verurteilung sind, nachzuweisen, daß der
Angeklagte noch andere Abnehmer als die Zeugen G. und H. hatte, und
dann - ohne eine tragfähige Grundlage - eine im Gesetz nicht
vorgesehene, unsubstantiierte Schätzung mit ca. einem Drittel
des Verkaufspreises der nachgewiesenen Haschischgeschäfte
vorzunehmen.
4. Der Senat hebt nur die Entscheidung über den erweiterten
Verfall mit den zugehörigen Feststellungen auf,
läßt den Rechtsfolgenausspruch aber im
übrigen bestehen. Da der erweiterte Verfall nur einen
unrechtmäßig erlangten Vermögenszuwachs
abschöpfen will, ist die mit ihm verbundene
Vermögenseinbuße kein Strafmilderungsgrund (vgl.
BGHR StGB § 73 d Strafzumessung 1; BGH NStZ 2000, 137). Im
Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und
Entscheidung.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin,
daß die Grundlagen für eine Entscheidung
über den erweiterten Verfall
zweckmäßigerweise gewonnen werden (vgl. BGH NStZ
1995, 125 unter 2.; Schmidt, aaO § 73 d Rdn. 44 f.), indem von
den Vermögenswerten des Angeklagten die darin enthaltenen
legal eingenommenen Geldbeträge - wie die Zuwendungen des
Vaters, die Leistungen der Berufsgenossenschaft und die Gewinne aus den
Handelsgeschäften - sowie der Nettogewinn, der in dem
rechtsfehlerfrei für verfallen erklärten Betrag von
194.400 DM enthalten ist, abgezogen werden und die verbleibende
Differenz unter Berücksichtigung der erforderlichen Ausgaben
zur Bestreitung des Lebensunterhalts daraufhin untersucht wird, ob es
sich um plausible Einkünfte aus legalen Einkommensquellen
handeln kann oder nicht. Für die Überzeugungsbildung
der Strafkammer können dabei auch Hinweise auf weitere, von
der Verurteilung nicht erfaßte
Betäubungsmittelgeschäfte (vgl. BGH, Beschl. vom 10.
Februar 1998 - 4 StR 4/98) sowie die Zeitpunkte, zu denen die einzelnen
Vermögensgegenstände erworben wurden, von Bedeutung
sein.
Kutzer Miebach Winkler Pfister von Lienen
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