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§
275a StPO
Einleitung
des Verfahrens; Hauptverhandlung; Unterbringungsbefehl
(1) Ist im
Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten
(§ 66a
des Strafgesetzbuches), übersendet die
Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die
Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. Diese
übergibt die Akten so rechtzeitig dem Vorsitzenden des
Gerichts, dass eine Entscheidung bis zu dem in Absatz 5 genannten
Zeitpunkt ergehen kann. Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus gemäß § 67d
Absatz 6 Satz 1 des
Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden,
übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten
unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des Gerichts, das
für eine nachträgliche Anordnung der
Sicherungsverwahrung (§ 66b
des Strafgesetzbuches)
zuständig ist. Beabsichtigt diese, eine nachträgliche
Anordnung der Sicherungsverwahrung zu beantragen, teilt sie dies der
betroffenen Person mit. Die Staatsanwaltschaft soll den Antrag auf
nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung
unverzüglich stellen und ihn zusammen mit den Akten dem
Vorsitzenden des Gerichts übergeben.
(2) Für die Vorbereitung und die Durchführung der Hauptverhandlung gelten die §§ 213 bis 275 entsprechend, soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist. (3) Nachdem die Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. Der Vorsitzende verliest das frühere Urteil, soweit es für die Entscheidung über die vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung von Bedeutung ist. Sodann erfolgt die Vernehmung des Verurteilten und die Beweisaufnahme. (4) Das Gericht holt vor der Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen ein. Ist über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden, müssen die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt werden. Die Gutachter dürfen im Rahmen des Strafvollzugs oder des Vollzugs der Unterbringung nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein. (5) Das Gericht soll über die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden. (6) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen. Für den Erlass des Unterbringungsbefehls ist das für die Entscheidung nach § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches zuständige Gericht so lange zuständig, bis der Antrag auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei dem für diese Entscheidung zuständigen Gericht eingeht. In den Fällen des § 66a des Strafgesetzbuches kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen, wenn es im ersten Rechtszug bis zu dem in § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bestimmten Zeitpunkt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Die §§ 114 bis 115a, 117 bis 119a und 126a Abs. 3 gelten entsprechend. |
Strafprozessordnung,
Stand 05.09.2017
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StPO §§ 275a, 462a Abs. 1 Satz 3; StGB § 66b Abs. 2; GVG § 74f 1. „Neu“ im Sinne der Rechtsprechung zu § 66b StGB sind nur solche Tatsachen, die nach der letzten Möglichkeit, Sicherungsverwahrung anzuordnen, erkennbar wurden (Vorrang des Erkenntnisverfahrens). 2. Auch für die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 2 StGB ist Voraussetzung die Feststellung eines „Hanges“ im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB. 3. Die Strafvollstreckungskammer kann entsprechend § 462a Abs. 1 Satz 3 StPO die Entscheidung über Weisungen im Rahmen von Führungsaufsicht der nach § 74f GVG zuständigen Strafkammer für die Dauer des Verfahrens nach § 275a StPO übertragen. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2006 - 5 StR 585/05 - LG Cottbus BGHSt 50, 373 - NJW 2006, 1442 |
StPO § 275 a Abs. 1; StGB § 66 b Abs. 1 und 2 1. Ein zulässiger Antrag der Staatsanwaltschaft auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung setzt dessen Begründung voraus; diese muss insbesondere mitteilen, auf welche Variante des § 66 b StGB sich der Antrag stützt und welche neuen Tatsachen während der Strafvollstreckung erkennbar geworden sind, die Anlass zur Antragstellung geben. 2. "Neue Tatsachen" im Sinne des § 66 b Abs. 1 und 2 StGB müssen schon für sich Gewicht haben und ungeachtet der notwendigen Gesamtwürdigung aller Umstände auf eine erhebliche Gefahr der Beeinträchtigung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung anderer durch den Verurteilten hindeuten. BGH, Urteil vom 25. November 2005 - 2 StR 272/05 - LG Gera BGHSt 50, 284 - NJW 2006, 531 |
StPO § 275 a; StGB § 66 b Abs. 1 1. Die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung scheidet nicht allein deswegen aus, weil der Verurteilte nach vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafe aus dem Ausgangsurteil wieder auf freien Fuß gelangt ist. Erforderlich ist in diesem Fall aber, daß dem Verurteilten zuvor mitgeteilt wurde, daß die Staatsanwaltschaft prüft, ob eine nachträgliche Anordnung der Maßregel in Betracht kommt und der entsprechende Maßregelantrag der Staatsanwaltschaft vor der Haftentlassung gestellt wurde. 2. Die Revision ist auch dann das statthafte Rechtsmittel gegen eine Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung, wenn das Landgericht unter Verstoß gegen § 275 a StPO nicht durch Urteil, sondern ohne Hauptverhandlung durch Beschluß entschieden hat. BGH, Urteil vom 1. Juli 2005 - 2 StR 9/05 - LG Wiesbaden NStZ 2005, 684 |
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