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Eine Darstellung der BGH-Rechtsprechung in Strafsachen



 
§ 338 StPO
Absolute Revisionsgründe

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,
1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, soweit
a) die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
b) der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der
vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist,
c) die Hauptverhandlung nicht nach § 222a Abs. 2 zur Prüfung der Besetzung unterbrochen worden ist oder
d) das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit es
nach § 222b Abs. 2 Satz 2 festgestellt hat;
2. wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung
des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3. wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen
Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für
begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4. wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5. wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person,
deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6. wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die
Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7. wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des
sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden
sind;
8. wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen
Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.
 
Strafprozessordnung, Stand 05.09.2017

Leitsätze zu § 338 StPO

 
GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2; StPO § 338 Nr. 1; MuSchG § 6 Abs. 1 Satz 1 in Verb. mit HRiG § 2; HBG § 95 Nr. 1; HMuSchEltZVO § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2

Der nachgeburtliche Mutterschutz einer Richterin führt zu einem Dienstleistungsverbot, das ihrer Mitwirkung in der Hauptverhandlung entgegensteht. Deren Fortsetzung ohne Beachtung der Mutterschutzfrist führt zur gesetzwidrigen Besetzung des erkennenden Gerichts.
 
BGH, Urteil vom 7. November 2016 – 2 StR 9/15 – LG Darmstadt
 
 
GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2; GVG § 76 Abs. 1, 2 und 4; StPO § 338 Nr. 1
 
Beschließt die Strafkammer in der Hauptverhandlung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen, dass das Hauptverfahren hinsichtlich einer weiteren Anklage eröffnet wird, die Strafkammer mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt ist und das Verfahren hinzuverbunden wird, sind der Eröffnungsbeschluss und die Besetzungsentscheidung unwirksam. Ersteres führt zu einem Verfahrenshindernis für den neuen Verfahrensgegenstand. Im Übrigen kann die Besetzung der Strafkammer mit einer Verfahrensrüge beanstandet werden (Fortführung von BGHSt 50, 267).
 
BGH, Urteil vom 20. Mai 2015 - 2 StR 45/14 - LG Frankfurt am Main
 
 
StPO §§ 209, 209a, 210, 309, 338 Nr. 4;

GVG §§ 24, 26, 74b.
 
Die Jugendschutzkammer hat ihre Zuständigkeit nicht deshalb willkürlich bejaht, weil ihr die Sache durch das Beschwerdegericht zur Eröffnungsentscheidung vorgelegt wurde.
 
BGH, Beschluss vom 7. März 2012 - 1 StR 6/12 - LG Hechingen
 
 
StPO §§ 6a, 257c, 338 Nr. 4

GVG § 74a Abs. 1 Nr. 4
 
1. Die Revisionsrüge, das Gericht habe seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen (§ 338 Nr. 4 StPO), bleibt dem Angeklagten auch dann uneingeschränkt erhalten, wenn dem Urteil eine Verständigung (§ 257c StPO) vorausgegangen ist.
2. Ein in der Revision beachtlicher Rechtsfehler nach § 338 Nr. 4, § 6a StPO, § 74a Abs. 1 Nr. 4 GVG liegt nicht nur dann vor, wenn das Tatgericht seine Zuständigkeit auf der Grundlage objektiv willkürlicher Erwägungen angenommen hat.
3. Die Ausnahmeregelung des § 74a Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 GVG greift unabhängig davon ein, ob neben einem Betäubungsmitteldelikt weitere Straftaten mit der Bildung einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit stehen.
 
BGH, Beschluss vom 13. September 2011 - 3 StR 196 /11 - LG München I
 

StPO §§ 24 Abs. 2, 31 Abs. 1, 338 Nr. 3

Ein offenes Bekenntnis eines Schöffen zu Methoden der Selbstjustiz und zur Eintreibung von Forderungen mit Hilfe rechtswidriger Drohungen in seiner beruflichen Tätigkeit als Inkassounternehmer begründet jedenfalls dann die Besorgnis der Befangenheit, wenn eine - wenn auch nur mittelbare - Verbindung eines solchen Verhaltens zu dem Strafverfahren besteht, in dem der ehrenamtliche Richter tätig ist.

BGH, Urteil vom 28. April 2010 - 2 StR 595/09 - LG Aachen

 
StPO §§ 247, 338 Nr. 5

1. Die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen ist kein Teil der Vernehmung im Sinne von § 247 StPO.
2. Die fortdauernde Abwesenheit eines nach § 247 StPO während einer Zeugenvernehmung entfernten Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen begründet regelmäßig den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO.

BGH, Beschluss vom 21. April 2010 - GSSt 1/09 - Landgericht Braunschweig
 

StPO §§ 247, 338 Nr. 5

Erfolgt nach Entfernung des Angeklagten während einer Zeugenvernehmung gemäß § 247 StPO in andauernder Abwesenheit des Angeklagten eine förmliche Augenscheinseinnahme, so ist der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO nicht erfüllt, wenn dem Angeklagten das in seiner Abwesenheit in Augenschein genommene Objekt bei seiner Unterrichtung nach § 247 Satz 4 StPO gezeigt wird (im Anschluss an BGHR StPO § 247 Satz 4 Unterrichtung 1 unter Aufgabe entgegenstehender Senatsrechtsprechung, BGHR StPO § 247 Abwesenheit 5).

BGH, Urteil vom 11. November 2009 - 5 StR 530/08 - LG Berlin

StV 2010, 59


StPO § 338 Nr. 1 Buchst. b;
GVG § 21 e Abs. 3
 
1. Der Präsidiumsbeschluss über die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die Übertragung (auch) bereits anderweitig anhängiger Sachen an diese (§ 21 e Abs. 3 GVG) ist zu begründen.

2. Mängel dieser Begründung können spätestens bis zur Entscheidung der Hilfsstrafkammer über einen in der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwand (§ 222 b StPO) behoben werden.

BGH, Urteil vom 9. April 2009 - 3 StR 376/08 - LG Hannover

BGHSt 53, 268 - NStZ 2009, 651


StPO § 338 Nr. 1 StPO; GVG §§ 21e - g, 192

1. Die Bestimmung des Vorsitzenden einer großen Strafkammer ist auch nach der Neufassung des § 21g GVG Teil der vorschriftsmäßigen Besetzung im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO.

2. Zur Ersetzung des ausgeschiedenen Strafkammervorsitzenden durch den zum Ergänzungsrichter bestellten neuen Vorsitzenden in einer laufenden Hauptverhandlung.

BGH, Beschluss von 8. Januar 2009 - 5 StR 537/08 - LG Göttingen

wistra 2009, 163


StPO § 228 Abs. 1, § 338 Nr. 1, GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2

Sind in einer Hauptverhandlung noch keine Erträge erzielt worden, die bei einer Unterbrechung fortwirkten, bei einer Aussetzung aber erneut gewonnen werden müssten, ist das Gericht in der Entscheidung, ob es die Hauptverhandlung unterbricht oder sie aussetzt, grundsätzlich frei.

Eine solche Unterbrechungs- oder Aussetzungsentscheidung verstößt nicht gegen Art. 101 Abs. 1 GG, es sei denn, sie wäre willkürlich getroffen.

BGH, Urteil vom 9. August 2007 - 3 StR 96/07 - LG Kleve

wistra 2008, 28


StPO §§ 22 Nr. 1, 338 Nr. 1;
StGB § 266 Abs. 1

1. Ein Richter ist nicht deshalb als Verletzter einer Untreue gemäß § 22 Nr. 1 StPO von der Entscheidung ausgeschlossen, weil die angeklagte Vermögensstraftat sich gegen eine als nichtrechtsfähiger Verein organisierte politische Partei richtete, deren Mitglied er ist.

2. Das pflichtwidrige Entziehen und Vorenthalten erheblicher Vermögenswerte unter Einrichtung einer treuhänderisch verwalteten „schwarzen Kasse“ durch Verantwortliche einer politischen Partei führt auch dann zu einem Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB, wenn durch Einsatz der vorenthaltenen Mittel unter Umgehung der satzungsgemäßen Organe politische oder sonstige Zwecke der Partei nach dem Gutdünken des Täters gefördert werden sollen (im Anschluss an BGHSt 40, 287).

3. Zu den Voraussetzungen des bedingten Vorsatzes eines Gefährdungsschadens bei der Untreue.

BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 499/05
- LG Wiesbaden

BGHSt 51, 100 - wistra 2007, 136


StPO §§ 247, 338 Nr. 5

Entscheidet der Vorsitzende, dass ein Zeuge entsprechend dem Regelfall des § 59 StPO in der Fassung des 1. Justizmodernisierungsgesetzes nicht vereidigt werden soll, und wird diese Frage weder kontrovers erörtert noch zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung nach § 238 Abs. 2 StPO gemacht, so ist, wenn der für die Vernehmung nach § 247 StPO aus dem Sitzungssaal entfernte Angeklagte dabei nicht anwesend ist, dieser Verfahrensvorgang kein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung und der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO nicht gegeben.

BGH, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 3 StR 216/06 - LG Hannover

wistra 2006, 432


StPO § 338 Nr. 6, § 344 Abs. 2 Satz 2; GVG § 169 Abs. 1, § 176

1. Die Entscheidung über die Anzahl der bei einem Augenschein an beengter Örtlichkeit (hier: schmales Treppenhaus) zugelassenen Zuhörer ist vom Revisionsgericht nur auf Ermessensfehler überprüfbar.

2. Ein Teil der bei öffentlichen Verhandlungen der Allgemeinheit zur Verfügung stehenden Plätze kann Pressevertretern vorbehalten bleiben.

3. Zum notwendigen Revisionsvortrag, wenn eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes bei einem Augenschein an beengter Örtlichkeit im Hinblick auf die Auswahl der konkret zugelassenen Zuhörer gerügt wird.

BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - 1 StR 527/05 - LG Ingolstadt

wistra 2006, 235
                                  

StPO § 338 Nr. 3, § 24 Abs. 2

Rechtsmissbräuchlicher Befangenheitsantrag.

BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - 1 StR 411/05 - LG Mannheim

wistra 2006, 151
 
 
StPO §§ 26 a, 338 Nr. 3;
GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2

Zur Anwendung von § 26 a StPO und ihrer revisionsgerichtlichen Kontrolle nach der Entscheidung des BVerfG vom 2.6.2005 (2 BvR 625/01 und 2 BvR 638/01).

BGH, Beschluss v. 14. Juni 2005 - 3 StR 446/04 - LG Krefeld

wistra 2005, 464
 
 
StPO § 338 Nr. 1; GVG §§ 45, 47, 77 Abs. 1

Wird eine Strafsache auf einen Tag zwischen zwei ordentlichen Sitzungstagen terminiert, die zu diesem Zeitpunkt bereits mit Fortsetzungsverhandlungen in anderen Sachen belegt waren, so handelt es sich nicht um eine ordentliche Sitzung, bei der der Sitzungstag lediglich nach vorn oder nach hinten verlegt worden ist, sondern um eine außerordentliche Sitzung, für die Hilfsschöffen heranzuziehen sind.
 
BGH, Beschluss vom 7. Juni 2005 - 2 StR 21/05 - LG Wiesbaden

BGHSt 50, 133 - wistra 2005, 472
 

StPO § 338 Nr. 1; GVG § 76 Abs. 2

Die Entscheidung über die Besetzung der Großen Strafkammer in der Hauptverhandlung (§ 76 Abs. 2 GVG) kann nicht deshalb geändert werden, weil wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplans eine andere Strafkammer für den Fall zuständig geworden ist.

BGH, Beschluss vom 23. August 2005 - 1 StR 350/05 - LG Augsburg

wistra 2006, 32


StPO §§ 26a, 338 Nr. 3

Ein Ablehnungsgesuch ist auch dann im Sinne von § 338 Nr. 3 StPO „mit Unrecht verworfen“, wenn die unter Mitwirkung des abgelehnten Richters beschlossene Verwerfung gemäß § 26a StPO als unzulässig auf einer willkürlichen oder die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennenden Rechtsanwendung beruht; auf die sachliche Berechtigung der Ablehnungsgründe kommt es in diesem Fall nicht an (Abkehr von BGHSt 23, 265; im Anschluss an BVerfG [Kammer], Beschluss vom 2.06.2005 - 2 BvR 625 und 638/01).

BGH, Beschluss vom 10. August 2005 - 5 StR 180/05 - LG Hamburg

BGHSt 50, 216 - NJW 2005, 3436


StPO § 338 Nr. 6; GVG § 169 Satz 1
 
Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO wird weder durch den Umstand, daß Gespräche über eine Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung stattfinden, noch dadurch begründet, daß das Ergebnis dieser Verständigung entgegen den Grundsätzen von BGHSt 43, 195 ff. nicht in die öffentliche Hauptverhandlung eingeführt wird.

BGH, Urteil vom 19. August 2004 - 3 StR 380/03 - LG Düsseldorf

BGHSt 49, 255 - NJW 2005, 519

 
GVG § 21 g Abs. 1 und 2; StPO § 338 Ziff. 1
 
Zum Erlaß eines kammerinternen Geschäftsverteilungsplans.

BGH, Beschluss vom 5. Mai 2004 - 2 StR 383/03 - LG Frankfurt am Main
 
wistra 2004, 476
 

StPO § 338 Nr. 1, GVG §§ 21e, 76

Eine große Strafkammer, die nicht als Schwurgericht tätig ist, kann geschäftsplanmäßig mit drei Beisitzern besetzt sein.

BGH, Beschluss vom 11. November 2003 - 5 StR 359/03 - LG Bremen

wistra 2004, 150

 
StPO §§ 338, 353 Abs. 1

Zum Aufhebungsumfang bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes.

BGH, Urteil vom 23. Oktober 2002 - 1 StR 234/02 - LG München I

wistra 2003, 188
 

StPO § 209 Abs. 1, § 209 a Nr. 2 Buchst. a, § 270 Abs. 1, § 338 Nr. 4; JGG § 33 Abs. 1, § 107

Die Strafkammer, vor der die Jugendkammer gemäß § 209 Abs. 1 i. V. mit § 209 a Nr. 2 Buchst. a StPO ein bei ihr angeklagtes Verfahren eröffnet hat, ist, wenn sie in der Hauptverhandlung zu der Erkenntnis gelangt, daß der Angeklagte entgegen der Einschätzung der Jugendkammer bei Begehung der Tat (nicht ausschließbar) noch Heranwachsender war, ungeachtet des Eröffnungsbeschlusses gehalten, die Sache gemäß § 270 Abs. 1 StPO an die zuständige Jugendkammer zu verweisen.

BGH, Urteil vom 23. Mai 2002 - 3 StR 58/02 - LG Kiel

BGHSt 47, 311 - StV 2002, 401


StPO §§ 44; 138 Abs. 1; 302 Abs. 1 Satz 1; 338 Nr. 5

In einem Fall notwendiger Verteidigung begründet die alleinige Mitwirkung eines nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Scheinverteidigers an der Hauptverhandlung den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO. Ein nach Beratung durch den Scheinverteidiger erklärter Rechtsmittelverzicht des Angeklagten ist unwirksam. Der Angeklagte kann danach gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlangen.

BGH, Beschluss vom 5. Februar 2002 - 5 StR 617/01 - LG Berlin

BGHSt 47, 238 - NJW 2002, 1436


StPO § 55 Abs. 1; § 338 Nr. 1; GVG § 192 Abs. 2 und Abs. 3

1. Auf Besetzungsmängel in der Person eines später durch einen Ergänzungsrichter abgelösten Richters ist der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 1 StPO nicht anwendbar.

2. Die Feststellung der Verhinderung eines Schöffen durch den Strafkammervorsitzenden mit der Folge des Eintritts des Ergänzungsschöffen ist vom Revisionsgericht nicht nur auf Willkür zu überprüfen (Ergänzung von BGHSt 35, 366).

3. Hat ein Zeuge, dem nach § 55 StPO ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zugebilligt wird, berechtigterweise die Beantwortung von Fragen der Verteidigung verweigert, bleiben seine übrigen Angaben
bei gebotener kritischer Würdigung seines Aussageverhaltens verwertbar.

BGH, Urteil vom 23. Januar 2002 - 5 StR 130/01 - LG Berlin

BGHSt 47, 220 - NStZ 2002, 608


StPO §§ 222 b Abs. 1, 226, 338 Nr. 1;
StGB §§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c, 332 Abs. 1, 3 a.F.; GVG § 192 Abs. 2, 3.

1. Wird ein Ergänzungsrichter oder -schöffe erst nach Beginn der Hauptverhandlung hinzugezogen, so ist das Gericht vorschriftswidrig besetzt. Die Revision kann aber hierauf nur gestützt werden, wenn der Einwand nach § 222 b Abs. 1 StPO rechtzeitig erhoben worden ist.

2. Die Treuhand Liegenschaftsgesellschaft mgH (TLG) ist eine "sonstige Stelle" im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB.

BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - 4 StR 550/00 - LG Magdeburg

NJW 2001, 3062


StPO § 338 Nr. 4; GVG § 24 Abs. 1 Nr. 3

1. Der Prüfung durch das Revisionsgericht, ob das Landgericht einem Fall rechtsfehlerfrei besondere Bedeutung gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG zugemessen hat, ist die objektive Sachlage zum Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung zugrunde zu legen.

2. Allein das Ziel, einem Kind als Opfer einer Sexualstraftat eine weitere Vernehmung in der zweiten Tatsacheninstanz zu ersparen, vermag die besondere Bedeutung eines Falles im Sinne von § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG nicht zu begründen.

BGH, Urteil vom 10. Mai 2001 - 1 StR 504/00 - LG Coburg

BGHSt 47, 16 - NJW 2001, 2984


§§ 275, 338 Nr. 7 StPO

1. Das Fehlen einer Unterschrift oder eines Verhinderungsvermerks im Urteil macht dessen Zustellung nicht unwirksam, wenn das zugestellte Schriftstück der Urschrift entspricht.
2. Ein solcher Mangel des Urteils ist nur auf eine Verfahrensbeschwerde, nicht aber auf Sachrüge zu beachten.

BGH, Beschluss vom 21. November 2000 - 4 StR 354/00 - LG Essen

BGHSt 46, 204 - StV 2001, 155


StPO § 247 Satz 1, § 338 Nr. 5; BGB § 1896, § 1897

Eine Entfernung des Angeklagten gemäß § 247 Satz 1 StPO kann nicht darauf gestützt werden, daß ein gemäß § 1897 BGB bestellter Betreuer der Vernehmung des Betreuten in Anwesenheit des Angeklagten widersprochen hat.

BGH, Urteil vom 21. September 2000 - 1 StR 257/00 - LG Mosbach

BGHSt 46, 142 - StV 2002, 9





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