BGH,
Beschl. v. 1.12.2009 - 3 StR 458/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 458/09
vom
1. Dezember 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.
a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 1. c) und
2. auf dessen Antrag - am 1. Dezember 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4, § 206 a Abs. 1 StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Duisburg vom 19. Juni 2009
a) aufgehoben und das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im
Fall II. 2. d) Tat 11 der Urteilsgründe verurteilt wurde; in
diesem Umfang fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen
Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) im Schuldspruch dahingehend abgeändert und klargestellt,
dass der Angeklagte der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn
Fällen, davon in acht Fällen in weiterer Tateinheit
mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge schuldig ist;
c) im Rechtsfolgensausspruch mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
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Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten des "unerlaubten Handeltreibens mit
und tateinheitlich der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in 11 Fällen, davon in 9 Fällen
tateinheitlich mit Beihilfe zum Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge" schuldig gesprochen
und ihn unter Einbeziehung zweier früherer Entscheidungen zu
einer einheitlichen Jugendstrafe von sechs Jahren und neun Monaten
verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der
allgemeinen Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat den aus der
Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
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1. Die Verurteilung im Fall II. 2. d) Tat 11 der Urteilsgründe
muss aufgehoben und das Verfahren eingestellt werden, weil insoweit
Strafklageverbrauch eingetreten ist.
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Nach den Feststellungen ließ der Angeklagte am 24. April 2007
knapp 20 Kilogramm Marihuana im Kofferraum eines durch einen
Mitangeklagten gesteuerten Fahrzeugs nach Deutschland
einführen. Er selbst hatte zuvor den Transport organisiert und
die Betäubungsmittel in den Niederlanden übernommen.
Er begleitete das Transportfahrzeug in einem anderen Wagen, um die
Fahrt abzusichern, und überschritt kurze Zeit vor diesem die
Grenze. Dabei führte er meh-
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rere "Joints" mit sich, die er am selben Tag in den Niederlanden
erworben hatte. Diese wurden bei einer nach dem Grenzübertritt
durchgeführten Kontrolle sichergestellt. Die Beziehung des
Angeklagten zu der Einfuhrtat des Mitangeklagten, der ebenfalls
kontrolliert und festgenommen wurde, blieb den
Strafverfolgungsbehörden zunächst unbekannt. Das
Amtsgericht Duisburg verurteilte den Angeklagten am 25. März
2008 u. a. im Hinblick auf die mitgeführten "Joints" wegen
"Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz" zu
einer Jugendstrafe. Die Entscheidung ist rechtskräftig und in
das angefochtene Urteil einbezogen.
Durch die Entscheidung des Amtsgerichts Duisburg ist die Strafklage
verbraucht. Das Amtsgericht hat, wie aus der Urteilsformel in
Verbindung mit der Nennung von § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG in der
Liste der angewendeten Vorschriften ersichtlich ist, den Angeklagten
wegen der Einfuhr von Betäubungsmitteln am 24. April 2007
verurteilt. Diese Verurteilung erstreckt sich auch auf die im Zeitpunkt
der amtsgerichtlichen Entscheidung noch nicht bekannt gewesene, durch
dieselbe Handlung begangene Einfuhr der weiteren
Betäubungsmittel.
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2. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert und
dabei zugleich dadurch klargestellt, dass er wegen der
Verständlichkeit der Urteilsformel (vgl.
Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 260 Rdn. 20) bei der
rechtlichen Bezeichnung der Taten, durch die mehrere
Straftatbestände erfüllt sind, das schwerste, den
Strafrahmen jeweils bestimmende Delikt an den Anfang gestellt hat.
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3. Der Wegfall einer Tat führt zur Aufhebung des Ausspruchs
über die Jugendstrafe. Diese hält darüber
hinaus im Hinblick auf § 5 Abs. 3 JGG rechtlicher
Nachprüfung auch deshalb nicht stand, weil das Landgericht
unterlassen
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hat zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§
64 StGB) vorliegen, obwohl sich dies nach den Urteilsfeststellungen
aufdrängte.
Danach konsumierte der Angeklagte im Alter von 15 Jahren erstmals
Ecstasy und Amphetamine. Darüber hinaus nahm er
regelmäßig Kokain zu sich, zuletzt täglich
auch in größeren Mengen. Ferner konsumierte er
regelmäßig in erheblichem Maße Marihuana
(UA S. 5). Dieser Konsum trug dazu bei, dass der Angeklagte in den
Handel mit Betäubungsmitteln eingestiegen ist (UA S. 22).
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Von diesen Feststellungen muss der Senat ausgehen. Zwar hat das
Landgericht in der Beweiswürdigung ausgeführt, "die
widersprüchlichen und mehrfach geänderten
Einlassungen des Angeklagten zum genauen Umfang seines
Betäubungsmittelkonsums" seien "nicht glaubhaft"; dies
ändert indes nichts daran, dass das vorgenannte
Konsumverhalten sowie die Verknüpfung zwischen Konsum und
Straftaten vom Landgericht ohne jede Einschränkung in die
Darlegungen zur Person des Angeklagten eingestellt bzw. in der
Strafzumessung erwähnt worden sind. Insoweit bleibt lediglich
unklar, welchen weitergehenden Angaben des Angeklagten zu seinem
Betäubungsmittelkonsum die Strafkammer nicht gefolgt ist.
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Diese Feststellungen legen nahe, dass die gegenständlichen
Taten auf einen Hang des Angeklagten zurückgehen, berauschende
Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Dem steht nicht
entgegen, dass bei dem Angeklagten zur Überzeugung des
Landgerichts keine Betäubungsmittelabhängigkeit
bestand und dessen Schuldfähigkeit bei den Taten nicht
erheblich beeinträchtigt war. Suchtmittelabhängigkeit
sowie eine auf dem Betäubungsmittelkonsum beru-
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hende Annahme von § 21 StGB sind Indizien für einen
Hang. Allein mit ihrem Fehlen kann indes die Verneinung eines Hanges
nicht begründet werden (vgl. BGH NStZ 2004, 681 f.; NStZ-RR
2008, 198, 199).
Das Landgericht hätte deshalb prüfen und entscheiden
müssen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung
des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB
gegeben sind. Den bisher getroffenen Feststellungen ist nicht zu
entnehmen, dass die Maßregelanordnung jedenfalls deswegen
ausscheiden müsste, weil es an der hinreichend konkreten
Aussicht auf einen Behandlungserfolg fehlt (§ 64 Satz 2 StGB).
Die Prüfung und Entscheidung muss unter Hinzuziehung eines
Sachverständigen (§ 246 a StGB) nachgeholt werden.
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4. Im Hinblick auf zu treffende Feststellungen zum
Betäubungsmittelkonsum des Angeklagten bemerkt der Senat
ergänzend: Ein Gericht ist - wie auch bei sonstigen
Einlassungen eines Angeklagten - nicht gehalten, dessen Behauptungen
über das hohe Ausmaß und die lange Dauer seines
bisherigen Konsums von Betäubungsmitteln als unwiderlegbar
hinzunehmen, wenn Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser
Angaben fehlen oder sie sogar kaum mit der nicht
beeinträchtigten Lebensführung des Angeklagten sowie
mit fehlenden gesundheitlichen Folgen (Entzugserscheinungen) nach
seiner Inhaftierung vereinbar sind (BGH, Beschl. vom 7. November 2008 -
1 StR 581/08).
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5. Der neue Tatrichter wird ggf. auch die Bedenken zu
berücksichtigen haben, die der Generalbundesanwalt in seiner
Antragsschrift gegen die bisherige Begründung für die
konkrete Zumessung der Jugendstrafe erhoben hat.
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Becker Pfister Sost-Scheible
Hubert Mayer |