BGH,
Beschl. v. 1.2.2000 - 4 StR 564/99
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 564/99
vom
1. Februar 2000
in der Strafsache gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 1. Februar 2000 gemäß
§§ 349 Abs. 2 und 4, 357 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Rostock vom 18. Juni 1999,
1. auch soweit es die Mitangeklagten O. und H. betrifft, im
Schuldspruch geändert und wie folgt neu gefaßt:
Es sind schuldig,
a) der Angeklagte B. des versuchten schweren
Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverlet-
zung und mit versuchter gefährlicher Körperverlet-
zung,
b) der Angeklagte O. des schweren Raubes in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und des
versuchten Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit
Totschlag, gefährlicher Körperverletzung und mit
Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen
Schlagring,
c) der Angeklagte H. des schweren Raubes
in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und
des versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung.
2. Bezüglich des Angeklagten B. im Strafausspruch dahin
ergänzt, daß er unter Einbeziehung der Urteile des
Amtsgerichts Rostock vom 22. Januar 1998 - 20 Ds 421/97 - und vom 27.
März 1998 - 26 Ds 15/98 - zu einer Einheitsjugendstrafe von
vier Jahren und sechs Monaten verurteilt wird.
II. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
III. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten und Auslagen
des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten des "schweren Raubes in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit
versuchter gefährlicher Körperverletzung" schuldig
gesprochen und ihn unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts
Rostock vom 27. März 1998 zu einer Einheitsjugendstrafe von
vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Mitangeklagten O. hat es
"wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung und wegen Raubes mit Todesfolge in Tateinheit
mit Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung in Tateinheit mit dem Ausüben der
tatsächlichen Gewalt über einen Schlagring" zu einer
Jugendstrafe von acht Jahren und den Mitangeklagten H. "wegen schweren
Raubes in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung in zwei Fällen" zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung
sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur
Änderung des Schuldspruchs, die entsprechend § 357
StPO auch auf die Mitangeklagten O. und H. , die keine Revision
eingelegt haben, zu erstrecken ist. Im übrigen ist die
Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Schuldspruch im Fall III der Urteilsgründe hält
rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht
den Angeklagten und den Mitangeklagten H. jeweils wegen eines
tateinheitlich begangenen vollendeten schweren Raubes und den
Mitangeklagten O. wegen eines tateinheitlich begangenen vollendeten
Raubes mit Todesfolge verurteilt hat:
Nach den Feststellungen hatten sich die Angeklagten zu dem
Raubüberfall entschlossen, weil sie sich Geld für den
Kauf von Kokain beschaffen wollten und aufgrund von
Äußerungen eines früheren Mitgefangenen des
Angeklagten H. annahmen, daß der mit anderen in einem Haus in
B. wohnende G. , der mit Drogen handelte, dort in einer Kassette "die
Drogen und sein Geld" aufbewahrte. Als der Angeklagte
O. , nachdem einer der Bewohner des Hauses tödlich und ein
weiterer schwer verletzt worden war, in dem Haus schließlich
eine Stahlblechkassette gefunden hatte, zeigten "die drei
Täter" D. (einem anderen Hausbewohner) die Kassette und
fragten ihn, ob dies "die Kassette mit dem Geld" sei. Obwohl dieser
ihnen erklärte, es handele sich nicht um die Geldkassette des
G. , gingen die Angeklagten davon aus, die "gesuchte Kassette mit dem
Geld und den Drogen erbeutet zu haben", und nahmen sie mit nach
Rostock. Dort brachen sie in einer Wohnung die Kassette auf. Da sich
darin weder Geld noch Drogen befanden, ließen sie die
Kassette in der Wohnung zurück.
Danach kam es den Angeklagten bei der Wegnahme der Kassette aber
entgegen der Auffassung des Landgericht nicht (auch) auf die Zueignung
des Behältnisses, sondern ausschließlich auf dessen
vermuteten Inhalt an, so daß insoweit bei dem Angeklagten und
dem Mitangeklagten H. lediglich ein versuchter schwerer Raub und bei
dem Mitangeklagten O. ein versuchter Raub mit Todesfolge vorliegt (vgl.
BGH StV 1983, 460; 1990, 408; BGHR StGB § 249 Abs. 1
Zueignungsabsicht 5; BGH, Beschluß vom 1. August 1995 - 4 StR
404/95). Ein strafbefreiender Rücktritt der Angeklagten, der
hier nach § 24 Abs. 2 StGB nur bei einer einvernehmlichen
Aufgabe der weiteren Tatausführung in Betracht käme,
ist nach den Feststellungen ausgeschlossen, da ein fehlgeschlagener
Versuch vorliegt. Zwar kann ein Täter, der nach der letzten
Ausführungshandlung den Erfolgseintritt zunächst
für möglich hält, unmittelbar darauf aber
erkennt, daß er sich geirrt hat, durch Abstandnahme von
weiteren möglichen Ausführungshandlungen mit
strafbefreiender Wirkung vom Versuch zurücktreten (vgl. BGHSt
39, 221, 227, 228; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1, Versuch,
beendeter, jeweils m.w.N.). Eine Vollendung des geplanten Raubes ohne
zeitliche Zäsur kam aber - auch nach den Vorstellungen der
Angeklagten - schon deshalb nicht in Betracht, weil die Angeklagten
ihren Irrtum erst nach der Rückfahrt von B. in die Wohnung in
Rostock erkannten und sie zudem davon ausgingen, daß der
Mitangeklagte O. einem der Hausbewohner tödliche Verletzungen
zugefügt hatte; deshalb beseitigten sie die bei dem
Überfall verwendeten Tatmittel und vereinbarten, daß
sich der Angeklagte O. gegebenenfalls der Polizei stellen sollte.
§ 265 StPO steht der danach gebotenen
Schuldspruchänderung, die entsprechend § 357 StPO
auch auf die Mitangeklagten zu erstrecken ist, nicht entgegen. Der
Senat schließt aus, daß sich die Angeklagten gegen
den geänderten Schuldvorwurf anders als geschehen verteidigt
hätten. Dies gilt - entgegen der Auffassung der Revision -
auch für den Angeklagten, der ebenso wie die Mitangeklagten
eingeräumt hat, daß sie es bei dem Überfall
auf das in der Kassette vermutete Geld abgesehen hatten. Soweit der
Angeklagte sich dahin eingelassen hat, er habe erst während
der Rückfahrt nach Rostock bemerkt, daß die
Mitangeklagten die Kassette mitgenommen hatten, läge im
übrigen auch nach dieser - vom Landgericht aufgrund des
Ergebnisses der Beweisaufnahme rechtsfehlerfrei für widerlegt
erachteten - Aussage ein fehlgeschlagener Versuch vor.
Die Schuldspruchänderungen lassen die gegen den Angeklagten
und den Mitangeklagten O. verhängten Jugendstrafen und die in
diesem Fall gegen den Angeklagten H. verhängte
Einzelfreiheitsstrafe unberührt, denn sie wirken sich auf den
Unrechts- und Schuldgehalt der Tat, den das Landgericht bei der
Bemessung der Strafen zugrundegelegt hat, nicht aus. Der Unrechtsgehalt
des allein deshalb, weil sich die gesuchte Beute in dem mitgenommenen
Behältnis nicht befand, fehlgeschlagenen Versuchs reicht nahe
an den Unwert eines vollendeten Raubes heran (vgl. Kuckein in KK-StPO
4. Aufl. § 354 Rdn. 18). Er wird zudem entscheidend durch die
hierzu in Tateinheit stehenden Delikte geprägt,
nämlich bei dem Angeklagten durch die vollendete und die
versuchte gefährliche Körperverletzung, bei dem
Mitangeklagten H. durch die gefährliche
Körperverletzung und bei dem Angeklagten O. durch den
Totschlag, die gefährliche Körperverletzung und die
Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen
Schlagring.
In die Entscheidung des Amtsgerichts Rostock vom 27. März
1998, die bei der Bildung der gegen den Angeklagten verhängten
Einheitsjugendstrafe einbezogen worden ist, war bereits die
frühere Entscheidung des Amtsgerichts Rostock vom 22. Januar
1998 einbezogen. Zwar hat das Landgericht in den
Urteilsgründen zutreffend ausgeführt, daß
beide Entscheidungen des Amtsgerichts bei der Bildung der
Einheitsjugendstrafe einzubeziehen waren. Demgemäß
hätten aber nicht nur die Entscheidung des Amtsgerichts
Rostock vom 27. März 1998 sondern auch die darin bereits
einbezogene frühere Entscheidung im Urteilstenor entsprechend
gekennzeichnet werden müssen (vgl. BGH NStZ 1999, 426; BGHR
JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 7). Der Senat hat den Ausspruch
über die gegen den Angeklagten verhängte
Einheitsjugendstrafe entsprechend ergänzt.
Meyer-Goßner Kuckein Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |