BGH,
Beschl. v. 1.2.2007 - 4 StR 9/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 9/07
vom
1.2.2007
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 1.02.2007
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Bielefeld vom 20. September 2006
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des
schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 27 Fällen,
davon in 21 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch
einer Schutzbefohlenen, des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 29
Fällen, davon in 24 Fällen in Tateinheit mit
sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen, sowie des sexuellen
Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in 14 Fällen und
darüber hinaus des sexuellen Missbrauchs einer
Schutzbefohlenen in weiteren vier Fällen schuldig ist,
b) im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch
bleiben die Feststellungen zur vollständig erhaltenen
Schuldfähigkeit des Angeklagten aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
Jugendschutzkammer des Landgerichts Hagen zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen
Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer
Schutzbefohlenen in 27 Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs
eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer
Schutzbefohlenen in 29 Fällen sowie wegen sexuellen
Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in 14 Fällen unter
Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer einschlägigen
früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
sieben Jahren und sechs Monaten und wegen sexuellen Missbrauchs einer
Schutzbefohlenen in vier Fällen zu einer weiteren
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich
der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung
sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der
Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils bedarf schon deshalb der
Änderung, weil - wie das Landgericht selbst
nachträglich erkannt hat (UA 17) - in den Fällen II.
1 bis 10 der Urteilsgründe neben der rechtsfehlerfreien
Verurteilung in jeweils fünf Fällen nach §
176 Abs. 1 StGB und nach § 176 a Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. die
jeweils tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs einer
Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB) wegen Eintritts der
Verfolgungsverjährung entfallen muss.
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Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 10. Januar
2007 zutreffend ausgeführt hat, muss darüber hinaus
auch in den Fällen II. 11 bis 38 in einem Fall die
tateinheitliche Verurteilung nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB
wegen Verfolgungsverjährung entfallen. Denn da der Beginn des
Tatzeitraums insoweit allgemein mit "April 1999" (UA 10) festgestellt
ist, ist zu Gunsten
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des Angeklagten davon auszugehen, dass eine der erfassten Taten am 1.
April 1999 begangen worden ist. Die für Straftaten nach
§ 174 StGB geltende fünf-jährige
Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB)
hätte mithin mit Ablauf des 31. März 2004 geendet
(vgl. BGH NStZ-RR 1996, 163; Jähnke in LK, StGB 11. Aufl.
§ 78 Rdn. 7). Die Änderung der Ruhensregelung des
§ 78 b Abs. 1 Nr. 1 StGB, die nunmehr auch Straftaten nach
§ 174 StGB erfasst, ändert daran nichts, weil das
Änderungsgesetz vom 27. Dezember 2003 (BGBl I 3007) erst am 1.
April 2004, mithin nach Eintritt der Verjährung, in Kraft
getreten ist (vgl. BGHR StGB § 78 b Abs. 1 Ruhen 12). Insoweit
abweichend von der Antragsschrift des Generalbundesanwalts geht der
Senat zu Gunsten des Angeklagten aber davon aus, dass dieser eine auch
nach § 174 StGB ausgeurteilte Fall aus den Fällen II.
11 bis 38 einen Fall des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes
(§ 176 a StGB) erfasst, weil dies zur Aufhebung einer
höheren Einzelstrafe führen muss, als sie das
Landgericht in den tateinheitlich mit (einfachem) sexuellen Missbrauch
eines Kindes begangenen Fällen verhängt hat.
2. Die Änderung des Schuldspruchs hat in den davon betroffenen
11 Fällen die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche zur
Folge. Der Generalbundesanwalt hat insoweit in seiner Antragsschrift
zutreffend ausgeführt:
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"Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass sich die
Jugendschutzkammer zum maßgeblichen Zeitpunkt der
Urteilsfindung gerade nicht bewusst war, dass das im Sinne des
§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB (a.F.)
tatbestandsmäßige Verhalten des Angeklagten insoweit
bereits verfolgungsverjährt war und deshalb nicht
ausgeschlossen werden kann, dass die tateinheitliche Begehung eines
sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in elf Fällen in
unzulässiger - weil eben nicht den Umstand der
Verjährung berücksichtigender - Weise zu einer
Erhöhung der jeweiligen Einzelstrafen beigetragen hat (RB S.
5). Diese Besorgnis ist nicht zuletzt deshalb begründet, weil
die Jugendschutzkammer die tateinheitliche
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Verwirklichung des Tatbestandes des sexuellen Missbrauchs einer
Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1
StGB ausdrücklich mitberücksichtigt hat (UA S. 21).
Es liegt nahe, dass sich diese Berücksichtigung unter
Verkennung der Verjährungsproblematik zum Zeitpunkt der
Urteilsfindung auf alle verurteilungsgegenständlichen Taten
bezog".
Über den Antrag des Generalbundesanwalts hinaus hebt der Senat
den Strafausspruch des angefochtenen Urteils insgesamt auf. Mit Blick
auf das umfassende, sogar über die zunächst erhobene
Anklage hinausgehende Geständnis des Angeklagten und die
weiteren zu seinen Gunsten sprechenden Umstände muss dem neuen
Tatrichter Gelegenheit gegeben werden, insgesamt die Strafen neu
zuzumessen. Das gilt zumal deshalb, weil das Gesamtstrafübel
aus beiden Gesamtstrafen hinsichtlich seiner Angemessenheit Bedenken
begegnet. Die Feststellungen zur vollständig erhaltenen
Schuldfähigkeit des Angeklagten bleiben von den aufgezeigten
Rechtsfehlern unberührt; sie können deshalb bestehen
bleiben.
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3. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs.
2 Nr. 1 2. Alt. StPO Gebrauch und verweist die Sache zu neuer
Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Hagen zurück.
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Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Ernemann |