BGH,
Beschl. v. 1.7.2004 - 4 StR 5/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 5/04
vom
1. Juli 2004
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 1. Juli
2004 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Rostock vom 7. Oktober 2003 im Maßregelausspruch
aufgehoben; der Ausspruch entfällt.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen
Mißbrauchs
eines Kindes in zwei Fällen sowie wegen sexuellen
Mißbrauchs eines
Jugendlichen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem
früheren Urteil
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten
verurteilt.
Ferner hat es ihm seine Fahrerlaubnis entzogen, seinen
Führerschein eingezogen
und bestimmt, daß ihm vor Ablauf von zwölf Monaten
keine neue Fahrerlaubnis
erteilt werden darf. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte
mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts
rügt.
Das Rechtsmittel hat hinsichtlich des Maßregelausspruchs
Erfolg; im
übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
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1. Soweit der Angeklagte im Fall II. 3 wegen sexuellen
Mißbrauchs eines
Jugendlichen gemäß § 182 Abs. 1 Nr. 1 2.
Alt. StGB verurteilt worden ist, hält
der Schuldspruch rechtlicher Überprüfung stand. Nach
den Feststellungen hatte
sich der Angeklagte dem 14jährigen Martin Sch.
gegenüber wahrheitswidrig
als Produzent pornografischer Filme ausgegeben und ihm angeboten,
für eine Gage von 10.000 Euro als Darsteller in einem solchen
Film mitzuwirken.
Unter dem Vorwand, die Geeignetheit als Darsteller feststellen zu
müssen,
führte der Angeklagte an dem Jugendlichen den Oralverkehr
durch und sagte
ihm im Anschluß daran die Teilnahme am "Casting" zu. Martin
Sch. ließ die
sexuelle Handlung im Hinblick auf die ihm vom Angeklagten in Aussicht
gestellte
Gage über sich ergehen.
Die Jugendkammer ist zu Recht davon ausgegangen, daß der
Angeklagte
die sexuellen Handlungen an dem Jugendlichen "gegen Entgelt" vorgenommen
hat. Entgelt im Sinne des § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist jede in
einem Vermögensvorteil
bestehende Gegenleistung (§ 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB).
Tatbestandsmäßig
sind Vermögensvorteile jedweder Art. Für die
Verwirklichung des
Tatbestandes ist es ausreichend, daß sich Täter und
Opfer vor oder spätestens
während des sexuellen Kontakts darüber einig sind,
daß der Vermögensvorteil
die Gegenleistung für das Sexualverhalten des Jugendlichen
sein soll. Hierbei
ist es unerheblich, ob die Vereinbarung rechtlich wirksam ist oder ob
die Gegenleistung
tatsächlich erbracht wird. Vielmehr genügt es, wenn
der Jugendliche
zur Duldung oder Vornahme der sexuellen Handlung durch die
Entgeltvereinbarung
wenigstens mitmotiviert wird, da er schon hierdurch die Erfahrung
der Käuflichkeit sexueller Handlungen macht, die seine
ungestörte sexuelle
Entwicklung nachhaltig negativ beeinflussen kann (vgl. BTDrucks. 12/4584
S. 8; BGH NStZ 1995, 540; NJW 2000, 3726 f.; Horn/Wolters in SK-StGB
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§ 182 Rdn. 5 und § 180 Rdn. 29; Laufhütte in
LK 11. Aufl. § 180 Rdn. 14;
Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 11 Rdn. 31;
Kusch/Mössle NJW 1994, 1504
ff.). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, daß das
Landgericht bereits das Angebot
des Angeklagten, dem Jugendlichen eine gut dotierte Rolle in einem
Pornofilm verschaffen zu wollen, als vermögenswerte
Gegenleistung für das
Dulden der sexuellen Handlungen angesehen hat. Dem steht nicht entgegen,
daß dieses Angebot nur zur Täuschung des
Jugendlichen diente. Maßgeblich
ist vielmehr, daß Martin Sch. , wie das Landgericht
rechtsfehlerfrei festgestellt
hat, allein im Hinblick auf die in Aussicht gestellte Gage zur Duldung
der
sexuellen Handlung bereit war.
2. Der auf §§ 69, 69 a StGB gestützte
Maßregelausspruch hat hingegen
keinen Bestand. Nach Auffassung des Landgerichts hat sich der
Angeklagte,
der die sexuellen Handlungen in den Fällen II. 1 und 2 an dem
13jährigen Henrik
B. und im Fall II. 3 an dem 14jährigen Martin Sch. jeweils in
seinem
Fahrzeug, das er zuvor in ein Waldstück gesteuert hatte,
vornahm, sich als
ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, "da er
seinen Pkw zur
Straftatbegehung einsetzte". Diese Erwägung vermag die
Maßregelanordnung
nicht zu tragen.
Anders als bei der Begehung einer der in § 69 Abs. 2 StGB
aufgeführten
rechtswidrigen Taten begründet allein der Umstand,
daß der Täter ein Kraftfahrzeug
zur Begehung von Straftaten benutzt hat, nicht bereits eine
Regelvermutung
für seine charakterliche Unzuverlässigkeit zum
Führen von Kraftfahrzeugen;
die Rechtsprechung verlangt deshalb in diesen Fällen
regelmäßig
eine nähere Begründung der Entscheidung aufgrund
einer umfassenden Gesamtwürdigung
(st. Rspr.; vgl. BGH StV 1994, 314; BGH NZV 2003, 46 und
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199). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil
nicht und zwar
ungeachtet der (streitigen) Frage, ob - wie der erkennende Senat meint
- zwischen
den einzelnen Taten und der Verkehrssicherheit ein
(verkehrsspezifischer)
Zusammenhang zu fordern ist (vgl. hierzu BGH StV 2004, 128; BGH
NStZ 2004, 144 und BGH, Beschluß vom 13. Mai 2004 - 1 ARs
31/03). Eine
derartige Gesamtwürdigung hat das Landgericht nicht
vorgenommen. Da auch
eine Gesamtbetrachtung der getroffenen Feststellungen, wonach die
Benutzung
des Kraftfahrzeugs für die Tatbegehung hier lediglich eine
untergeordnete
Rolle spielte, keine Gründe für die Annahme der
charakterlichen Ungeeignetheit
des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen erkennen
läßt und
auszuschließen ist, daß aufgrund neuer
Hauptverhandlung eine charakterliche
Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen
festgestellt
werden kann, hebt der Senat in entsprechender Anwendung des §
354 Abs. 1
StPO die Maßregelanordnung auf und läßt
sie entfallen.
VRi'inBGH Dr. Tepperwien Maatz Kuckein
ist urlaubsbedingt verhindert
zu unterschreiben
Maatz
Ernemann Sost-Scheible |