BGH,
Beschl. v. 1.10.2008 - 3 StR 164/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 164/08
vom
1. Oktober 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
StGB § 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2, § 86 Abs. 1
Nr. 2
Der objektive Tatbestand des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m.
§ 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist grundsätzlich
erfüllt, wenn das von der verbotenen Volkssozialistischen
Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit (VSBD/PdA) als Symbol benutzte
stilisierte Keltenkreuz oder diesem zum Verwechseln ähnliche
Kennzeichen (§ 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB) öffentlich
verwendet werden. Eines zusätzlichen Hinweises auf die
Organisation bedarf es nicht. Ein tatbestandliches Handeln scheidet
aber dann aus, wenn sich aus den Gesamtumständen der
Verwendung des Kennzeichens eindeutig ergibt, dass diese dem
Schutzzweck des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht zuwider
läuft.
BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 - 3 StR 164/08 - OLG
Nürnberg
in der Strafsache
gegen
wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
hier: Vorlegungsbeschluss des 2. Strafsenats des Oberlandesgerichts
Nürnberg vom 18. März 2008
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Oktober 2008
beschlossen:
Der objektive Tatbestand des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m.
§ 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist grundsätzlich
erfüllt, wenn das von der verbotenen Volkssozialistischen
Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit (VSBD/PdA) als Symbol benutzte
stilisierte Keltenkreuz oder diesem zum Verwechseln ähnliche
Kennzeichen (§ 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB) öffentlich
verwendet werden. Eines zusätzlichen Hinweises auf die
Organisation bedarf es nicht. Ein tatbestandliches Handeln scheidet
aber dann aus, wenn sich aus den Gesamtumständen der
Verwendung des Kennzeichens eindeutig ergibt, dass diese dem
Schutzzweck des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht zuwider
läuft.
Gründe:
Die Vorlegungssache betrifft die Frage, ob der objektive Tatbestand des
Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
gemäß § 86 a i. V. m. § 86 Abs. 1
Nr. 2 StGB auch dann erfüllt ist, wenn das stilisierte
Keltenkreuz oder ein diesem zum Verwechseln ähnliches
Kennzeichen isoliert, d. h. ohne konkreten Hinweis auf dessen Zuordnung
zu der unanfechtbar verbotenen Organisation "Volkssozialistische
Bewegung Deutschlands - Partei der Arbeit" (im Folgenden: VSBD/PdA),
öffentlich verwendet wird.
1
I.
1. Das Amtsgericht Straubing hatte den Angeklagten vom Vorwurf des
Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
(§ 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr.
2 StGB) in zwei Fällen freigesprochen. Die hiergegen
gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Land-
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- 3 -
gericht Regensburg verworfen. Zu der Tat, die zur Vorlegung der Sache
an den Senat geführt hat, hat das Landgericht folgende
Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte, der einen Versandhandel mit Devotionalien der rechten
Szene betreibt, hielt sich am Vormittag des 19. April 2006
zunächst auf einem öffentlichen Platz in Straubing
auf, um die Aufmerksamkeit der Passanten auf das von ihm getragene
grüne T-Shirt zu lenken, auf dessen Brustseite ein in gelber
Farbe gehaltenes, etwa kopfgroßes stilisiertes so genanntes
Keltenkreuz - ein gleichschenkliges Balkenkreuz um dessen Schnittpunkt
ein Ring gelegt ist - abgebildet war. Nach einiger Zeit begab er sich
zu einer Polizeidienststelle und erstattete Selbstanzeige zur
Klärung, ob er sich durch das öffentliche Tragen
dieses T-Shirts strafbar gemacht hat.
3
Nach den weiteren Feststellungen des Landgerichts wurde das Keltenkreuz
ausschließlich in stilisierter Form von der im Jahr 1971
gegründeten und durch Verfügung des Bundesministers
des Inneren vom 14. Januar 1982 i. V. m. der Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Mai 1986 gemäß
§ 3 Vereinsgesetz unanfechtbar verbotenen
verfassungsfeindlichen VSBD/PdA als Emblem verwendet. Das Keltenkreuz
hatte für die Vereinigung, die sich insbesondere zu Hitler und
zur NSDAP bekannte, die demokratische Staatsform verächtlich
machte, die Rassenlehre propagierte und eine entsprechende "Revolution"
anstrebte, eine hohe progammatische und symbolische Bedeutung. Es war
für die VSBD/PdA ein Zeichen des Kampfes gegen einen
vermeintlichen Angriff auf die "nordische Rasseneinheit" und gegen eine
vermeintliche politische Fremdbestimmung. Die verbotene Vereinigung
hatte das stilisierte Keltenkreuz in starker Anlehnung an die Symbole
der NSDAP in unterschiedlicher Weise als Emblem verwendet:
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- 4 -
- in einem auf einer Spitze stehenden Rhombus mit aufsitzendem Adler
mit und ohne Unterschrift "VSBD",
- als Fahne, die das Keltenkreuz in weißem Kreis auf rotem
Grund zeigte,
- in einem roten bzw. schwarzen Quadrat (inverse Darstellung) und
- als selbstständiges Symbol in schwarzer Darstellung ohne
schriftliche oder bildliche Zusätze.
Das Landgericht hat eine Strafbarkeit des Angeklagten aus
Rechtsgründen verneint. Das auf dem T-Shirt aufgedruckte
Emblem sei wegen seiner Farbgebung (gelb auf grünem Grund) mit
keinem der von der VSBD/PdA verwendeten Kennzeichen identisch. Es sei
diesen auch nicht zum Verwechseln ähnlich im Sinne des
§ 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB, weil ein Bezug zu der verbotenen
Organisation nicht hergestellt sei. Ein solcher Hinweis sei jedoch
erforderlich, da das Keltenkreuz seit dem 8. Jahrhundert vor allem in
Irland und Schottland als christliches Symbol Verwendung finde und
überdies auch nach dem Verbot der VSBD/PdA in mehreren
europäischen Ländern von - nicht verbotenen - rechten
Gruppierungen, unter anderem der Skinhead-Szene in Deutschland,
allgemein als ein Zeichen einer nationalistischen und rassistischen
internationalen Bewegung benutzt werde. Ob dem Angeklagten, was dieser
bestritten hat, die Verwendung des stilisierten Keltenkreuzes durch die
verbotene VSBD/PdA bekannt war, könne daher offen bleiben.
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2. Gegen das Berufungsurteil hat die Staatsanwaltschaft Revision
eingelegt und die Verletzung sachlichen Rechts gerügt.
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- 5 -
Das Oberlandesgericht Nürnberg hält die Revision der
Staatsanwaltschaft für begründet, soweit der
Angeklagte in dem oben dargestellten Fall freigesprochen worden ist. Es
möchte das angefochtene Urteil insoweit aufheben und die Sache
zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer zur
Klärung der subjektiven Tatseite zurückverweisen. In
objektiver Hinsicht erachtet das Oberlandesgericht den Tatbestand des
§ 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 86 Abs.
1 Nr. 2 StGB als erfüllt. Es ist der Ansicht, das Landgericht
habe an die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "zum Verwechseln
ähnlich" zu hohe Anforderungen gestellt. Das auf dem T-Shirt
des Angeklagten abgebildete Keltenkreuz sei vielmehr wegen der
wesentlich übereinstimmenden Stilisierungselemente trotz der
anderen Farbgebung dem auch isoliert verwendeten Originalkennzeichen
der VSBD/PdA zum Verwechseln ähnlich. Eines
zusätzlichen Hinweises auf die verbotene Organisation oder
eines sonstigen Umstandes, der auf diese Vereinigung hindeute,
bedürfe es entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht.
Denn bereits durch das öffentliche Zurschaustellen des
stilisierten Keltenkreuzes, das von der verbotenen Organisation als
rassistisch-politisches Kampfzeichen verstanden worden sei, seien die
Schutzzwecke des § 86 a StGB tangiert, insbesondere eine
Wiederbelebung der verbotenen Vereinigung sowie der von ihr verfolgten
verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu besorgen. Auf den
Bekanntheitsgrad der verbotenen Organisation in der
Bevölkerung komme es dabei nicht an.
7
An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das Oberlandesgericht
durch die Beschlüsse des Bayerischen Obersten Landesgerichts
vom 30. Juli 1998 (5St RR 87/98), des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom
20. März 1997 (NStZ-RR 1998, 10) und des Oberlandesgerichts
Bamberg vom 18. September 2007 (2 Ss 43/07) gehindert. Die
Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des
Oberlandesgerichts Karlsruhe betreffen die Verwendung des stilisierten
Keltenkreuzes. Beide Gerichte vertreten wegen der Mehr-
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deutigkeit des Symbols die Rechtsauffassung, das isolierte Verwenden
eines Keltenkreuzes ohne konkreten Hinweis auf die verbotene
Organisation VSBD/PdA erfülle nicht den objektiven Tatbestand
des § 86 a StGB, wobei das Bayerische Oberste Landesgericht im
Fall des Tragens des Kennzeichens auf der Oberbekleidung das
Tatbestandsmerkmal "zum Verwechseln ähnlich" für
nicht gegeben erachtet, während das Oberlandesgericht
Karlsruhe beim Tragen eines kleinen unscheinbaren Ringes, auf dem das
isolierte Keltenkreuz abgebildet war, "jedenfalls" ein
"öffentliches Verwenden" des Kennzeichens der verbotenen
Organisation verneint hat. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts
Bamberg befasst sich hingegen mit dem Verwenden einer auch von
Unterorganisationen der NSDAP als Emblem benutzten Lebensrune. Das
Oberlandesgericht Bamberg hat den äußeren Tatbestand
des § 86 a StGB in jenem Fall ebenfalls wegen Fehlens eines
Hinweises auf eine nationalsozialistische Organisation abgelehnt.
Das Oberlandesgericht Nürnberg hat die Sache dem
Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:
9
"Ist der objektive Tatbestand des Verwendens von Kennzeichen
verfassungswidriger Organisationen gemäß §
86 a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB auch dann
erfüllt, wenn das stilisierte Keltenkreuz und/oder diesem zum
Verwechseln ähnliche Kennzeichen (§ 86 a Abs. 2 Satz
2 StGB) der verbotenen 'Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands -
Partei der Arbeit (VSBD/PdA)' isoliert, nämlich ohne konkreten
tatsächlichen Hinweis auf die verbotene Organisation und/oder
ohne Vorliegen von sonstigen auf die verbotene Organisation
hindeutenden Umständen öffentlich verwendet werden?"
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3. Der Generalbundesanwalt hat beantragt die Vorlegungsfrage zu bejahen
und wie folgt zu beschließen:
10
"Der objektive Tatbestand des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m.
§ 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist erfüllt, wenn das von der
verbotenen Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit
(VSBD/PdA) als Symbol benutzte stilisierte Keltenkreuz oder diesem zum
Verwechseln ähnliche Kennzeichen (§ 86 a Abs. 2 Satz
2 StGB) öffentlich verwendet werden. Eines
zusätzlichen Hinweises auf die verbotene Organisation bedarf
es nicht."
II.
Die Vorlegungsvoraussetzungen nach § 121 Abs. 2 GVG sind
erfüllt.
11
1. Ob eine die Vorlegungspflicht begründende Divergenz
zwischen der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Nürnberg
und den angeführten, andere Fallgestaltungen betreffenden
Entscheidungen des Oberlandesgerichts Karlsruhe und des
Oberlandesgerichts Bamberg besteht, kann dahinstehen. Denn jedenfalls
stimmt der dem Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom
30. Juli 1998 zugrunde liegende Sachverhalt mit dem hier zu
beurteilenden in den maßgeblichen Punkten überein.
Die von diesem Gericht zu den objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des
§ 86 a StGB geäußerte Rechtsansicht war
auch mit entscheidungserheblich. Das vorlegende Oberlandesgericht
Nürnberg kann deshalb über die Revision der
Staatsanwaltschaft nicht entscheiden, ohne von den tragenden
Erwägungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts abzuweichen.
12
2. Der Vorlagepflicht nach § 121 Abs. 2 GVG steht nicht
entgegen, dass dieses Gericht durch das Gesetz zur Auflösung
des Bayerischen Obersten
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- 8 -
Landesgerichts und der Staatsanwaltschaft dieses Gerichts vom 25.
Oktober 2004 (BayObLGAuflG; BayGVBl 2004, S. 400 ff.) mit Wirkung zum
30. Juni 2006, aufgelöst worden ist. Sie entfällt
auch nicht deshalb, weil das vorlegende Gericht eines der
Nachfolgegerichte des Bayerischen Obersten Landesgerichts ist.
a) Der Senat schließt sich der in der Literatur mehrheitlich
vertretenen Auffassung an, dass eine Divergenzvorlage
grundsätzlich auch dann zu erfolgen hat, wenn ein
Oberlandesgericht beabsichtigt, von einer nach dem 1. April 1950
ergangenen Entscheidung eines aufgelösten, gleich geordneten
Gerichts abzuweichen (vgl. Eb. Schmidt, Lehrkommentar zur StPO und zum
GVG III § 121 Rdn. 23; derselbe in MDR 1958, 815, 816; Franke
in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 121 GVG Rdn. 44;
Kissel, GVG 5. Aufl. § 121 Rdn. 10; Hannich in KK 6. Aufl.
§ 121 GVG Rdn. 17; Frister in SK-StPO 50. Lfg. § 121
GVG Rdn. 18; Katholnigg, GVG 3. Aufl. § 121 Rdn. 14;
Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 121 Rdn. 6; aA
Nüse JR 1956, 437). Der dem § 121 Abs. 2 GVG zugrunde
liegende Gedanke, im Bereich des Strafrechts voneinander abweichende
höchstrichterliche Rechtsprechung zu vermeiden, um die
Rechtsanwendung voraussehbar zu machen und damit Rechtssicherheit und
Rechtseinheitlichkeit zu gewährleisten, gilt in diesen
Fällen gleichermaßen. Denn durch die
Auflösung eines Oberlandesgerichts verlieren dessen Judikate
weder ihre Geltung noch ihre Bedeutung für die
Rechtsanwendung, so dass sich ohne Klärung im Vorlageverfahren
- zumindest temporär - widersprechende
höchstrichterliche Entscheidungen
gegenüberstünden und sich den unteren Gerichten zur
Auslegung des Rechts anböten.
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b) Das Vorlageverfahren ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil das
vorlegende Oberlandesgericht Nürnberg ein Nachfolgegericht des
aufgelösten Gerichts ist, von dem es abzuweichen beabsichtigt.
Die früher beim Bayerischen
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Obersten Landesgericht konzentrierten Aufgaben in strafrechtlichen
Revisionsverfahren wurden allen drei Bayerischen Oberlandesgerichten im
Rahmen der jeweiligen örtlichen Zuständigkeit
übertragen (§ 2 Nr. 3 BayObLGAuflG; BayLTDrucks.
15/1061 S. 12). Diese Gerichte sind deshalb gleichberechtigt in die
Kontinuität der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten
Landesgerichts eingetreten. Mithin kommt die beabsichtigte Abweichung
des Oberlandesgerichts Nürnberg einer Abweichung von der
Rechtsprechung der beiden anderen Nachfolgegerichte des Bayerischen
Obersten Landesgerichts gleich und bedarf auch aus diesem Grund zur
Klärung der Divergenz des Vorlageverfahrens nach §
121 Abs. 2 GVG (vgl. Hanack, Der Ausgleich divergierender
Entscheidungen in der oberen Gerichtsbarkeit, 1962, S. 299 ff., 308, s.
auch BayLTDrucks. 15/1061 S. 12). Ob es sich anders verhielte, wenn ein
Oberlandesgericht von einer Entscheidung eines anderen
Oberlandesgerichts abzuweichen gedenkt, dessen Nachfolge es allein
übernommen hat, bedarf hier keiner Entscheidung (bejahend
Franke aaO; Katholnigg aaO).
III.
Die Vorlagefrage ist zu bejahen. Jedoch bedarf die hierdurch
eröffnete grundsätzliche Anwendbarkeit des §
86 a StGB wegen der mit dem Symbol des Keltenkreuzes verbundenen
Besonderheiten einer anderweitigen tatbestandlichen
Einschränkung.
16
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht vertritt in
Übereinstimmung mit der Literatur die Auffassung, das
öffentliche Verwenden eines (isolierten) stilisierten
Keltenkreuzes erfülle wegen seiner Mehrdeutigkeit und mit
Blick auf den geringen Bekanntheitsgrad der VSBD/PdA nur dann die
Voraussetzungen des objektiven Tatbestandes des § 86 a StGB,
wenn aufgrund eines konkreten Hinweises ein Bezug zu der verbotenen
Organisation hergestellt werde. Fehle ein
17
- 10 -
solcher Hinweis, unterfalle das Symbol bereits nicht dem
Kennzeichenbegriff des § 86 a Abs. 1 und 2 StGB (vgl.
Laufhütte/Kuschel in LK 12. Aufl. § 86 a Rdn. 7;
Steinmetz in MünchKomm-StGB § 86 a Rdn. 10; Paeffgen
in NK-StGB 2. Aufl. § 86 a Rdn. 11; Fischer, StGB 55. Aufl.
§ 86 a Rdn. 6; wohl auch Stree/Sternberg-Lieben in
Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 86 a Rdn.
4, allerdings bei den Erläuterungen zu § 86 a Abs. 2
Satz 2 StGB).
Für eine derart generalisierende, über den Einzelfall
hinausgehende Einschränkung des äußeren
Tatbestandes des § 86 a StGB bietet jedoch weder der Wortlaut
der Vorschrift Anhaltspunkte noch entspräche sie dem
Schutzzweck der Norm. Sie stünde überdies nicht mit
den von der Rechtsprechung bisher entwickelten Grundsätzen zur
Restriktion dieses Tatbestands in Einklang (vgl. BGHSt 25, 30, 34; 51,
244; BVerfG NJW 2006, 3052 f.).
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Der Kennzeichenbegriff ist für sich genommen einer
einschränkenden Auslegung nicht zugänglich.
Kennzeichen, wie sie beispielhaft in § 86 a Abs. 2 StGB
aufgezählt sind, sind sicht oder hörbare Symbole,
deren sich die in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB
aufgeführten Organisationen bedienen oder bedient haben, um
propagandistisch auf ihre politischen Ziele und die
Zusammengehörigkeit ihrer Anhängerschaft hinzuweisen
(Rudolphi in SK-StGB 53. Lfg. § 86 a Rdn. 2). Zur
Begründung der Kennzeicheneigenschaft ist deshalb allein
erforderlich, dass sich die Vereinigung ein bestimmtes Symbol durch
einen Autorisierungsakt - sei es durch formale Widmung, sei es durch
schlichte Übung - zu eigen gemacht hat, so dass dieses Symbol
zumindest auch als Zeichen der verbotenen Organisation erscheint (vgl.
BGH NJW 1999, 435, 436).
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Ist dies der Fall, so ist darüber hinaus eine
Unverwechselbarkeit des Symbols nicht erforderlich. Dass das
Kennzeichen auch unverfängliche Verwendung in anderem
Zusammenhang findet und von der Organisation lediglich
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- 11 -
übernommen wurde, ist für den Kennzeichenbegriff
nicht von Bedeutung. Von solchen außerhalb des Symbols
liegenden tatsächlichen Umständen kann die
Feststellung, ob es sich bei ihm um das Kennzeichen einer verbotenen
Organisation handelt, ohne nachteilige Folgen für die
Rechtssicherheit und Bestimmtheit des Tatbestands nicht
abhängig gemacht werden (vgl. BGH NJW 1999, 435, 436). Ob
ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn sich die verbotene Vereinigung
ein rein staatliches Hoheitssymbol oder ein Symbol einer Weltreligion
in unveränderter Form als Kennzeichen zu eigen macht, braucht
der Senat nicht zu entscheiden (bejahend: Steinmetz aaO Rdn. 11;
Fischer aaO Rdn. 4; vgl. VGH Mannheim NVwZ 2006, 935; Stegbauer NStZ
2008, 73, 76 f.; offen gelassen in BGHSt 28, 394, 395). Ein solcher
Fall liegt hier nicht vor.
- 12 -
Da das stilisierte Keltenkreuz als Symbol jedenfalls auch für
die verbote-ne VSBD/PdA steht, unterfällt es somit ohne jede
Einschränkung dem Kennzeichenbegriff des § 86 a StGB.
Dem steht nicht entgegen, dass das Keltenkreuz - wenn auch weitgehend
gerade nicht in stilisierter Weise, sondern in vielfältigen
künstlerischen Gestaltungsformen - auch unabhängig
von einem Bezug zu dieser Organisation namentlich zu
kultischreligiösen Zwecken, in kulturhistorischen
Zusammenhängen oder auch als reiner Schmuck dargestellt sowie
gebraucht wurde und wird. Aus der Senatsentscheidung BGH NStZ 1996, 81
ergibt sich nichts anderes. Denn im dortigen Fall war das Keltenkreuz
in der Form eines realistischen Grab- oder Gedenksteins und gerade
nicht in der stilisierten Weise dargestellt, wie sie die VSBD/PdA
verwendet hatte; ob das derart stilisierte Keltenkreuz die
Voraussetzungen des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt,
hat der Senat in diesem Urteil ausdrücklich offen gelassen.
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2. Dem Umstand, dass - von Fällen der Sozialadäquanz
abgesehen (§ 86 a Abs. 3 i.V.m. § 86 Abs. 3 StGB) -
bei wortgetreuer Auslegung des § 86 a StGB damit jedweder
Gebrauch eines solchen Kennzeichens - mithin aufgrund seiner
Mehrdeutigkeit auch jede unverfängliche Verwendung des
stilisierten Keltenkreuzes - dem objektiven Tatbestand unterfiele, muss
mit Blick auf die Grundrechte namentlich der Meinungs- und
Bekenntnisfreiheit durch eine anderweitig restriktive Auslegung der
Vorschrift Rechnung getragen werden.
22
a) Das kann aber nicht in der Weise geschehen, dass eine
tatbestandsmäßige Verwendung des Kennzeichens nur
dann bejaht wird, wenn dieses durch einen mit ihm verbundenen Hinweis
oder durch die Umstände seines Gebrauchs in einen konkreten
Bezug zu der verbotenen Organisation gestellt wird. Eine derartige
Tatbestandseinschränkung wäre mit dem weit gespannten
Schutzzweck des § 86 a StGB nicht vereinbar.
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- 13 -
aa) Die Vorschrift richtet sich zunächst gegen eine
Wiederbelebung verfassungswidriger Organisationen und der von ihnen
verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen, auf die das Kennzeichen
symbolhaft hinweist. Es soll bereits jeder Anschein vermieden werden,
in der Bundesrepublik Deutschland gebe es eine rechtsstaatswidrige
politische Entwicklung in dem Sinne, dass verfassungsfeindliche
Bestrebungen in der durch das Kennzeichen symbolisierten Richtung
geduldet würden (vgl. BGHSt 25, 30, 33; 31, 383, 387; 51, 244,
246). Die öffentliche Verwendung des Kennzeichens einer
verfassungswidrigen Organisation begründet deshalb
grundsätzlich die Gefahr einer solchen Wiederbelebung, weil in
ihr ein werbendes Bekenntnis zu der Organisation und deren
verfassungsfeindlichen Zielen zu sehen ist.
24
Dagegen lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, dass das
Keltenkreuz wegen seiner vielfältigen Verwendung als
kulturhistorisches und religiöses Symbol in der
Öffentlichkeit nicht als Erkennungszeichen der weithin
unbekannten VSBD/PdA wahrgenommen werde, mithin die Gefahr einer
propagandistischen Wirkung für die verbotene Organisation
allenfalls gering sei (vgl. Stegbauer JR 2002, 182, 185). Eine solche
Sichtweise lässt schon außer Betracht, dass das
Keltenkreuz als kulturhistorisches oder religiöses Symbol
regelmäßig in unterschiedlichen
künstlerischen Gestaltungs- und Darstellungsformen verwendet,
dagegen kaum in der stilisierten Weise gebraucht wird, die die VSBD/PdA
benutzt hat. Im Übrigen ist der Senat einer an den
Bekanntheitsgrad der Organisation bzw. der ihr zuzuordnenden
Kennzeichen anknüpfenden Argumentation bereits in seinem
Beschluss vom 31. Juli 2002 nicht gefolgt (BGHSt 47, 354), nicht
zuletzt mit Blick darauf, dass es sich bei § 86 a StGB um ein
abstraktes Gefährdungsdelikt handelt und eine wie auch immer
geartete konkrete Gefährdung des politischen Friedens zur
Verwirklichung des Tatbestandes nicht erforderlich ist (BGHSt aaO S.
359).
25
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bb) Die vom Bayerischen Obersten Landesgericht und in der Literatur
vertretene Auffassung würde jedoch vor allem nicht dem Zweck
des § 86 a StGB gerecht, die von der Verwendung des
Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation ausgehende
gruppeninterne Wirkung zu unterbinden. Neben der werbenden Wirkung nach
außen erfüllen Kennzeichen eine wichtige
gruppeninterne Funktion als sichtbares Symbol geteilter
Überzeugungen. Ihre Verwendung erlaubt es Gleichgesinnten,
einander zu erkennen und sich als eine von den "anderen" abgrenzbare
Gruppe zu definieren (BGHSt 47, 354, 359; Hörnle NStZ 2002,
113, 114). Der Gefahr einer gruppeninternen Verwendung des Kennzeichens
und einer damit einhergehenden Verfestigung der Bindungen von
Gleichgesinnten kann durch eine Auslegung des § 86 a Abs. 1
Nr. 1 StGB, die die Verwendung des von der VSBD/PdA gebrauchten
stilisierten Keltenkreuzes nur dann unter den Tatbestand subsumiert,
wenn ein auch für außenstehende Dritte erkennbarer
Bezug des Symbols zu dieser Organisation hergestellt wird, nicht
wirksam entgegengetreten werden. Vielmehr liegt es nahe, dass sich
gerade Anhänger der verbotenen Organisation die nach
Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts und der Literatur
bestehende Möglichkeit, das Kennzeichen auch straflos
gebrauchen zu können, für ihre Zwecke zu Nutze machen
würden und sich auf diese Weise das verbotene Kennzeichen im
politischen Leben der Bundesrepublik Deutschland wieder als Symbol der
VSBD/PdA Organisation etablieren könnte.
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b) Für eine einschränkende Auslegung des Tatbestands
des § 86 a StGB ist deshalb ein anderer Lösungsansatz
zu wählen.
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Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
erfordert die weite Fassung des § 86 a StGB eine Restriktion
des Tatbestands in der Weise, dass solche Handlungen, die dem
Schutzzweck der Norm eindeutig nicht zuwiderlaufen oder sogar in seinem
Sinne wirken, nicht dem objektiven
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Tatbestand unterfallen (vgl. BGHSt 25, 30, 32 ff.; 25, 133, 136 f.; 51,
244, 246 ff.). Dies ist bislang für Fälle anerkannt,
in denen das Kennzeichen in einer Weise dargestellt wird, die
offenkundig gerade zum Zweck der Kritik an der verbotenen Vereinigung
oder der ihr zugrunde liegenden Ideologie eingesetzt wird (vgl. BGHSt
25, 30, 34; 51, 244) oder erkennbar verzerrt, etwa parodistisch
verwendet wird (vgl. BGHSt 25, 133, 136 f.). Mit dieser Rechtsprechung
wird einerseits dem Anliegen, verbotene Kennzeichen
grundsätzlich aus dem Bild des politischen Lebens zu
verbannen, andererseits den hohen Anforderungen, die das Grundrecht der
freien Meinungsäußerung an die Beurteilung solcher
kritischen Sachverhalte stellt, Rechnung getragen (vgl. BVerfG NJW
2006, 3052). Sie ist für den hier in Rede stehenden Fall
fortzuentwickeln.
Allerdings kann hier für die Prüfung, ob die
Verwendung des stilisierten Keltenkreuzes dem Schutzzweck des
§ 86 a StGB eindeutig nicht zuwiderläuft, nicht auf
die Darstellung des Symbols selbst zurückgegriffen werden;
denn dieses lässt bei isoliertem Gebrauch gerade nicht
erkennen, ob es als Kennzeichen der verbotenen Organisation oder -
trotz der Stilisierung - zu völlig anderen, etwa
religiösen oder rein dekorativen Zwecken verwendet wird.
Ebensowenig lässt sich der Darstellung eine offenkundige
Gegnerschaft zu der VSBD/PdA entnehmen. Anzuknüpfen ist
vielmehr an die Fälle, in denen ein (offensichtlich)
"verbotenes" Kennzeichen in einem mehrdeutigen Zusammenhang gebraucht
wird. Hierzu hat der Senat bereits entschieden, dass für die
Beantwortung der Frage, ob die konkrete Kennzeichenverwendung dem
Schutzzweck des § 86 a StGB erkennbar nicht
zuwiderläuft, die gesamten Umstände der Tat zu
berücksichtigen sind (BGHSt 25, 30, 34:
"Hitler-Gruß" bei Polizeikontrolle). Nichts anderes kann
gelten, wenn die potentielle Mehrdeutigkeit des Geschehens schon aus
dem Kennzeichen selbst entspringt. Daher kann den Anforderungen, die
die Grundrechte der Meinungs- und Bekenntnisfreiheit, aber auch der
allgemeinen Handlungsfreiheit an eine verfassungskonforme Auslegung des
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- 16 -
Tatbestands stellen, hier nur in der Weise Rechnung getragen werden,
dass der mit dem Gebrauch des Kennzeichens verbundene Aussagegehalt
anhand aller maßgeblichen Umstände des Falles
ermittelt wird. Ergibt dies, dass der Schutzzweck der Norm in seinen
oben dargestellten Ausprägungen eindeutig nicht
berührt wird, so fehlt es an einem tatbestandlichen Verwenden
des Kennzeichens, da dieses nicht als solches der VSBD/PdA zur Schau
gestellt wird. Sind die äußeren Umstände
dagegen nicht eindeutig, so ist der objektive Tatbestand der Norm
erfüllt; es bedarf dann aber besonders sorgfältiger
Prüfung, ob sich der Täter bewusst war, das
Kennzeichen einer verbotenen Organisation zu verwenden und daher auch
die subjektive Tatseite gegeben ist.
RiBGH von Lienen ist erkrankt
und daher gehindert zu unter
schreiben.
Becker Miebach Becker
Sost-Scheible Schäfer |