BGH,
Beschl. v. 1.10.2008 - 5 StR 445/08
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1
Die Verwendung einer Waffe oder eines anderen gefährlichen
Werkzeugs nach Vollendung einer Raubtat setzt zur Verwirklichung der
Qualifikation nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB
Beutesicherungsabsicht voraus.
BGH, Beschluss vom 1.10.2008 - 5 StR 445/08
LG Berlin -
5 StR 445/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 1.10.2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren räuberischen Diebstahls u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1.10.2008
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 28. Mai 2008 gemäß § 349 Abs. 4
StPO
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des
schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung und mit versuchter
Nötigung schuldig ist, und
b) im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird
gemäß § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren
räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen
dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der
er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel
hat den aus der Be
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schlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte in
Ausnutzung einer kurzzeitigen Abwesenheit der Kassiererin Geld aus
einer Kinokasse entnommen, war dann aber noch in unmittelbarer
Nähe der Kassen von mehreren Unbeteiligten
überwältigt, zu Boden gebracht und dort festgehalten
worden. Der Angeklagte wehrte sich gegen diese Übermacht
„massiv, indem er mit großem Kraftaufwand durch
Winden und Zappeln versuchte, sich den Griffen der Zeugen zu
entziehen“, was ihm jedoch nicht gelang. Vergeblich versuchte
er, den Ellenbogen eines der ihn festhaltenden Zeugen nach oben zu
drücken. Dabei hielt er das erbeutete Geldbündel
zunächst fest. Nachdem er im weiteren Verlauf des Geschehens
die Hände frei bekommen hatte, nutzte der Angeklagte dies, um
Pfefferspray aus seiner Kleidung zu holen und es in Richtung der Zeugen
zu sprühen, die dadurch verletzt wurden. Alsbald nach Beginn
des Sprühens ließ der Angeklagte seine gesamte Beute
fallen. Durch den Einsatz des Pfeffersprays wollte er seine Flucht
erreichen. Das Landgericht hat es nicht auszuschließen
vermocht, dass es ihm nun nicht mehr darum ging, das Geld zu behalten.
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2. Nach Auffassung des Landgerichts verwirklicht der Einsatz des
Pfeffersprays den Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 2
Nr. 1 StGB. Es hat als unschädlich angesehen, dass dieser
„erst nach Aufgabe der Beutesicherungsabsicht“
erfolgte. Für die Verwirklichung der Qualifikation reiche es
aus, dass sich - wie hier - die tatspezifische Gefährlichkeit
im Einsatz des Sprays verwirklicht habe (unter Berufung auf BGHSt 38,
295).
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Diese Begründung des Landgerichts geht fehl. Der
Strafschärfungsgrund der gegenüber § 250
Abs. 1 Nr. 1a StGB erhöhten Qualifizierung des Absatzes 2 Nr.
1 liegt darin, dass es tatsächlich zum Einsatz eines
mitgeführten Werkzeugs als Nötigungsmittel kommt
(vgl. BT-Drucks 13/8587, S. 45). Dabei ist zu fordern, dass das
gefährliche Tatmittel zur Verwirklichung der
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raubspezifischen Nötigung verwendet wird (Fischer, StGB 55.
Aufl. § 250 Rdn. 17). So wie in den Fällen des
§ 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB die Waffe in einem
Handlungsausschnitt mitgeführt werden muss, der wenigstens zu
einer Intensivierung der tatbestandstypischen Rechtsgutsverletzung bzw.
zur Sicherung des Erlangten dient (Eser in
Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 250 Rdn.
12), ist es im Fall des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB erforderlich,
dass diese gerade als Mittel zur Sicherung des Besitzes an dem
gestohlenen Gut eingesetzt wird (vgl. BGHSt 48, 365, 366 f.
hinsichtlich der erforderlichen finalen Verknüpfung zwischen -
qualifiziertem - Nötigungsmittel und Wegnahme beim Raub; vgl.
auch Sander in MünchKommStGB § 250 Rdn. 58,
§ 252 Rdn. 13, 21). Nur der Einsatz des qualifizierten
Nötigungsmittels zur Sicherung des durch den Diebstahl
Erlangten begründet den besonderen Unrechtsgehalt des nach
§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB qualifizierten räuberischen
Diebstahls und stellt ihn dem nach derselben Vorschrift qualifizierten
Raub gleich (im Anschluss an BGHSt 9, 162, 163).
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Vom vorliegenden Fall unterscheidet sich der der Entscheidung BGHSt 38,
295 zugrunde liegende Sachverhalt insoweit, als dort der Einsatz des
qualifizierten Nötigungsmittels nach Vollendung der Raubtat
immer noch von Beutesicherungsabsicht getragen war.
Wegen des Einsatzes des Pfeffersprays im vorliegenden Fall hat der
Senat ferner die tateinheitliche versuchte Nötigung in den
Schuldspruch mit aufgenommen (MeyerGoßner, StPO 51. Aufl.
§ 354 Rdn. 17).
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3. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung
des Strafausspruchs, da Auswirkungen auf diesen nicht
auszuschließen sind. Zwar hat das Landgericht die Strafe dem
Rahmen des § 250 Abs. 3 StGB entnommen, der auch auf den
Schuldspruch nach § 250 Abs. 1 StGB anzuwenden ist. Jedoch
wird nunmehr dem Umstand, dass die - verbleibenden - raubspezifischen
Nötigungshandlungen des Angeklagten (Winden, Zappeln,
Wegdrücken des Ellenbogens eines Zeugen) im unteren
Schwerebereich der
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Gewalt liegen, neben dem ohnehin gravierend mildernden Moment der
Versuchsnähe stärkeres Gewicht zukommen. Es ist
deshalb nicht auszuschließen, dass das neue Tatgericht einen
minder schweren Fall nach § 250 Abs. 3 StGB bereits ohne
Berücksichtigung der erheblich verminderten
Steuerungsfähigkeit des Angeklagten annehmen wird.
Da es sich um einen reinen Subsumtionsfehler handelt, können
die Feststellungen bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann
weitergehende Feststellungen treffen, soweit sie den bisherigen nicht
widersprechen.
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