BGH,
Beschl. v. 10.8.2005 - 5 StR 180/05
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
StPO §§ 26a, 338 Nr. 3
Ein Ablehnungsgesuch ist auch dann im Sinne von § 338
Nr. 3 StPO „mit Unrecht verworfen“, wenn die unter
Mitwirkung
des abgelehnten Richters beschlossene Verwerfung
gemäß § 26a StPO als unzulässig
auf einer willkürlichen
oder die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
grundlegend verkennenden Rechtsanwendung beruht; auf
die sachliche Berechtigung der Ablehnungsgründe kommt
es in diesem Fall nicht an (Abkehr von BGHSt 23, 265;
im Anschluss an BVerfG [Kammer], Beschluss vom
2.06.2005 - 2 BvR 625 und 638/01).
BGH, Beschluss vom 10.08.2005 - 5 StR 180/05
LG Hamburg5
StR 180/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 10.08.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10.08.2005
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Hamburg vom 17. August 2004 nach § 349
Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Einbeziehung verschiedener
Einzelfreiheitsstrafen aus einer vorangegangenen Verurteilung - wegen
Vergewaltigung (Einsatzfreiheitsstrafe sechs Jahre) zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe
von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision
des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
1. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
a) Der Angeklagte hat den Vorsitzenden der Strafkammer wegen Besorgnis
der Befangenheit abgelehnt. Er hat seine Ablehnung auf die Mitwirkung
des Richters in einem vorangegangenen Verfahren gegen einen anderen
Angeklagten unter anderem wegen weiterer Vergewaltigungen desselben
Opfers und wegen Menschenhandels gestützt: Der Richter habe
aufgrund
der Angaben der in beiden Verfahren als Hauptbelastungszeugin
auftretenden
Geschädigten Feststellungen zu dem Vorwurf des hiesigen
Verfahrens -
einer zuvor verübten Vergewaltigung - getroffen, die nach
Auffassung des
Angeklagten in jenem Verfahren nicht zwingend erforderlich gewesen
wären.
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Aufgrund des Ausmaßes der vorangegangenen Festlegung zum
Tatgeschehen
sowie zur Glaubwürdigkeit der Zeugin gebe es für den
Angeklagten begründeten
Anlass, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln. Die
Feststellungen
im Vorverfahren zum Tatvorwurf im hiesigen Verfahren stünden
weder notwendig noch untrennbar mit den zuvor verhandelten
Vorwürfen
gegen den damaligen Angeklagten in Zusammenhang, so dass ein Sonderfall
vorliege, der ausnahmsweise die Ablehnung wegen Vorbefassung
rechtfertige.
b) Die Strafkammer hat das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des
abgelehnten Richters gemäß § 26a Abs. 1 Nr.
2 StPO als unzulässig verworfen:
Die angegebene Begründung sei aus zwingenden rechtlichen
Gründen
zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet,
was dem
Fehlen einer Begründung im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr.
2 StPO gleichstehe;
für einen in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefall vom
Grundsatz,
dass eine Vorbefassung die Besorgnis der Befangenheit
regelmäßig nicht
begründe, gebe es keinerlei Anhaltspunkte.
2. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO liegt vor.
Bei dem
angegriffenen Urteil hat ein Richter mitgewirkt, nachdem ein gegen ihn
gerichtetes
Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen wurde. Die Strafkammer
durfte nicht nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO verfahren; damit hat
sie die Grenzen
dieser Norm in einer die Anforderungen von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
grundlegend verkennenden Weise überschritten.
a) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war bislang anerkannt,
dass die fehlerhafte Ablehnung eines Ablehnungsgesuchs als
unzulässig
gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO für
sich keinen absoluten Revisionsgrund
nach § 338 Nr. 3 StPO eröffnet, sondern das
Revisionsgericht auch in
diesen Fällen nach Beschwerdegrundsätzen
prüft, ob das Ablehnungsgesuch
in der Sache begründet war oder nicht (st. Rspr.; vgl. nur
BGHSt 18,
200, 203; 23, 265; BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 1,
3, 9). Mit dem Gene-
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ralbundesanwalt, der seinen Antrag nach § 349 Abs. 2 StPO vor
der nachfolgend
genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gestellt hat,
liegt es nahe anzunehmen, dass das in Frage stehende Ablehnungsgesuch
als unbegründet zu bewerten gewesen wäre und die
entsprechende Rüge
der Revision deshalb nach dem Maßstab der bisherigen
Rechtsprechung
nicht zum Erfolg verholfen hätte.
Diese Rechtsprechung kann indes nicht mehr in vollem Umfang aufrecht
erhalten werden. Ein Ablehnungsgesuch ist jedenfalls auch dann im
Sinne von § 338 Nr. 3 StPO „mit Unrecht
verworfen“, wenn die unter Mitwirkung
des abgelehnten Richters beschlossene Verwerfung
gemäß
§ 26a StPO als unzulässig auf einer
willkürlichen oder die Anforderungen des
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennenden Rechtsanwendung
beruht; auf die sachliche Berechtigung der Ablehnungsgründe
kommt es in
diesem Fall nicht an.
aa) Nach der Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 2.06.2005 - 2 BvR 625 und 638/01 - (vgl. auch schon BVerfG [Kammer]
StraFo 2005, 109; BGH NStZ 2005, 218, 219) darf die Anwendung von
§ 26a StPO nicht dazu führen, dass der abgelehnte
Richter sein eigenes
Verhalten beurteilt und damit „Richter in eigener
Sache“ wird. Werden die
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO
in sachlich
nicht nachvollziehbarer Weise dahingehend ausgelegt, dass das
Ablehnungsgesuch
unter Mitwirkung des abgelehnten Richters in der Sache auf
seine Begründetheit überprüft wird, entzieht
dies dem Beschuldigten im Ablehnungsverfahren
seinen gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
Zugleich kann ein solches Vorgehen den Anspruch des Beschuldigten auf
Wahrung rechtlichen Gehörs verletzen (BVerfG [Kammer],
Beschluss vom
2.06.2005 - 2 BvR 625 und 638/01).
bb) Ist ein Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters
(§ 26a Abs. 2 Satz 1 StPO) als unzulässig verworfen
worden, darf das
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Revisionsgericht sich demnach nicht darauf beschränken, die
hypothetische
Begründetheit des Ablehnungsgesuchs nach
Beschwerdegrundsätzen (§ 28
Abs. 2 StPO) zu prüfen; vielmehr muss das Revisionsgericht
zunächst darüber
entscheiden, ob die Grenzen der Vorschrift des § 26a StPO, die
den
gesetzlichen Richter gewährleistet, eingehalten wurden (vgl.
BVerfG aaO).
Jedenfalls bei einer willkürlichen oder die
Verfassungsgarantie des Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG erheblich missachtenden Überschreitung des
durch
§ 26a StPO abgesteckten Rahmens hat das Revisionsgericht -
eine ordnungsgemäße
Rüge des Verfahrensfehlers gemäß §
344 Abs. 2 Satz 2 StPO
vorausgesetzt - das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das
Tatgericht zurückzuverweisen (vgl. BVerfG aaO).
cc) Willkür in diesem Sinne liegt vor, wenn die Entscheidung
des Gerichts
auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des
Gesetzesrechts beruht und daher in der Sache offensichtlich unhaltbar
ist.
Ebenso zu behandeln ist der Fall, dass das Gericht bei der
Rechtsanwendung
Bedeutung und Tragweite des von der Verfassung garantierten Rechts
auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) grundlegend
verkennt.
Ob ein solcher Fall vorliegt, kann nur anhand der jeweiligen
Umstände
des Einzelfalls beurteilt werden.
dd) Für die Anwendung von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO hat
dies insbesondere
folgende Konsequenzen:
Grundsätzlich ist die Gleichsetzung eines Ablehnungsgesuchs,
dessen
Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur
Rechtfertigung eines
Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet ist, mit einem
Ablehnungsgesuch ohne
Angabe eines Ablehnungsgrundes (§ 26a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1
StPO) - auch
aus verfassungsrechtlicher Sicht - unbedenklich (BVerfG aaO; BGH NStZ
1999, 311). Entscheidend für die Abgrenzung zu
„offensichtlich unbegründeten“
Ablehnungsgesuchen, die von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht
erfasst und
damit nach § 27 StPO zu behandeln sind (BGH StraFo 2004, 238;
BGHR
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StPO § 26a Unzulässigkeit 9), ist die Frage, ob das
Ablehnungsgesuch ohne
nähere Prüfung und losgelöst von den
konkreten Umständen des Einzelfalls
zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit
gänzlich ungeeignet ist
(BVerfG aaO). Über diese bloß formale
Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte
Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen
Prüfung
der Ablehnungsgründe im Rahmen von Entscheidungen nach
§ 26a Abs. 1
Nr. 2 StPO zum „Richter in eigener Sache“ machen.
Dabei muss die Auslegung
des Ablehnungsgesuchs darauf ausgerichtet sein, es seinem Inhalt
nach vollständig zu erfassen, um nicht im Gewande der
Zulässigkeitsprüfung
in eine Begründetheitsprüfung einzutreten (BVerfG
aaO).
Bleiben bei der Abgrenzung Zweifel, ist einem Vorgehen nach
§ 27 StPO der Vorzug zu geben. Dieses hat zudem den Vorteil,
dass der
abgelehnte Richter durch seine dienstliche Stellungnahme
gemäß § 26
Abs. 3 StPO mögliche Missverständnisse aus dem Weg zu
räumen vermag.
Das Fehlen einer Stellungnahme beim Vorgehen gemäß
§ 26a StPO kann
bereits nach bisheriger Rechtsprechung der Revision nach § 338
Nr. 3 StPO
zum Erfolg verhelfen, wenn es deshalb an einer Grundlage für
die sachliche
Überprüfung des Ablehnungsgesuchs mangelte (vgl.
BGHSt 23, 200, 202 f.)
oder das im Befangenheitsgesuch enthaltene tatsächliche
Vorbringen der
Revisionsentscheidung ohne weiteres zugrunde zu legen war (BGHR StPO
§ 338 Nr. 3 Revisibilität 1; BGH NStZ 2005, 218, 219).
ee) Nach diesen Kriterien unbedenklich ist die Zurückweisung
eines Ablehnungsgesuchs
nach § 26a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 StPO, das lediglich
damit begründet wird, der Richter sei an einer Vorentscheidung
zu Lasten
des Angeklagten - etwa Eröffnungsbeschluss,
Haftentscheidungen, Zurückweisungen
vorangegangener Ablehnungsgesuche, den Umfang der Beweisaufnahme
bestimmende Beschlüsse, Urteil über dieselbe Tat
gegen einen
daran Beteiligten in einem abgetrennten Verfahren - beteiligt gewesen.
Da
eine solche Beteiligung an Vorentscheidungen im nämlichen und
in anderen
damit zusammenhängenden Verfahren von Strafprozessordnung und
Ge-
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richtsverfassungsrecht ausdrücklich vorgesehen und
vorausgesetzt wird,
kann die Vorbefassung als solche - abgesehen von den in § 22
Nr. 4 und
Nr. 5, § 23 und § 148a Abs. 2 Satz 1 StPO genannten
Ausschließungstatbeständen
- die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen (vgl. BGHR
StPO
§ 338 Nr. 3 Strafkammer 1, insoweit in BGHSt 43, 96 nicht
abgedruckt). Auch
(vermeintliche) Rechtsfehler bei der Vorentscheidung können
für sich genommen
eine Ablehnung nicht ohne weiteres rechtfertigen (BGH NStZ 1999,
311). Unzulässig wäre auch der Versuch, einen Streit
über das Ergebnis der
bisherigen Beweisaufnahme zum Gegenstand des Ablehnungsverfahrens zu
machen, weil der Ort, um den entscheidungserheblichen Inhalt der
Beweisaufnahme festzustellen, das Urteil ist (vgl. BGHR StPO §
26a
Unzulässigkeit 10 m.w.N.). Wird das Ablehnungsgesuch allein
auf solche
Umstände der Vorbefassung gestützt, kann es ohne
inhaltliche Prüfung als
unzulässig nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO verworfen
werden, weil eine solche
Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur
Rechtfertigung eines
Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet ist und dies dem Fehlen
einer
Begründung gleichsteht (BGH aaO).
Anders verhält es sich allerdings beim Hinzutreten besonderer
Umstände,
die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als
solcher und die damit
notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen sowie
die übrigen genannten
Aspekte hinausgehen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn
Äußerungen in
früheren Urteilen nach der Sachlage unnötige und
sachlich unbegründete
Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten
(BGHR StPO
§ 338 Nr. 3 Strafkammer 1, insoweit in BGHSt 43, 96 nicht
abgedruckt) oder
wenn ein Richter sich bei einer Vorentscheidung in sonst unsachlicher
Weise
zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat (vgl. BGH
StV 2002, 116; NStZ
2005, 218).
Allerdings darf auch hinsichtlich der hinzutretenden besonderen
Umstände
die Besorgnis der Befangenheit nur aus Tatsachen, nicht aus
bloßen
Vermutungen des Antragstellers abgeleitet werden (vgl. BGH NStZ 1998,
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422, 424; StV 1996, 355); insbesondere haltlose Behauptungen ohne
tatsächliche
Grundlage können deshalb ein im übrigen allein auf
Vorbefassung
gestütztes Ablehnungsgesuch nicht zulässig
begründen (vgl. BGHR StPO
§ 26a Unzulässigkeit 2). Unabhängig hiervon
bleibt dem Tatrichter in jedem
Fall die Möglichkeit unbenommen, die Verwerfung des
Befangenheitsgesuchs
auf
§ 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO zu stützen, wenn mit
haltloser Begründung versucht
wird, das Institut der Richterablehnung als Druckmittel zur
Durchsetzung genehmer
oder Verhinderung unangenehmer Entscheidungen zu missbrauchen;
gerade die völlige Abwegigkeit der Ablehnungsgründe
kann die Sachfremdheit
des angebrachten Gesuchs im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO
deutlich machen (vgl. BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit
7).
Für die Frage, ob auf Vorbefassung gestützte
Ablehnungsanträge nach
§ 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO als unzulässig verworfen
werden können oder nach
§ 27 StPO zu behandeln sind, kommt es damit entscheidend
darauf an, ob
der Antragsteller neben der Vorbefassung und den damit notwendig
einhergehenden
inhaltlichen Aussagen besondere Umstände konkret
vorträgt und
glaubhaft macht (vgl. hierzu BGHR StPO § 26a
Unzulässigkeit 2; BGH NStZ
1999, 311), die eine inhaltliche Prüfung erfordern und den
abgelehnten Richter
bei einer Beteiligung an der Entscheidung nach § 26a Abs. 1
Nr. 2 StPO
deshalb zum „Richter in eigener Sache“ machen
würden.
b) Den genannten Anforderungen aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird
die von der Revision gerügte Verwerfung des
Befangenheitsgesuchs als unzulässig
gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht gerecht.
Das Ablehnungsgesuch hat gerade solche zur Vorbefassung hinzutretenden
besonderen Umstände vorgetragen, die eine inhaltliche
Prüfung erforderten.
Die im vorangegangenen Verfahren unter maßgeblicher Mitwirkung
des abgelehnten Richters getroffenen Festlegungen zum Tatbeitrag
des Revisionsführers waren vom dortigen Verfahrensstoff nicht
zweifelsfrei
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unbedingt erfordert (vgl. hierzu BGHR StPO § 338 Nr. 3
Strafkammer 1, insoweit
in BGHSt 43, 96 nicht abgedruckt). Zudem ging es in beiden Verfahren
entscheidend um die Frage der Glaubwürdigkeit der
Hauptbelastungszeugin.
Beide Aspekte zusammen hätten eine inhaltliche
Prüfung erfordert,
ob diese Umstände ausnahmsweise geeignet sind, eine Besorgnis
der Befangenheit
wegen Vorbefassung zu begründen. Statt in einer dienstlichen
Stellungnahme nach § 26 Abs. 3 StPO seine trotz der konkreten
Vorbefassung
verbliebene Offenheit für die Beurteilung der Schuldfrage in
Bezug auf
den Angeklagten herauszustellen und danach die Entscheidung
über die
Frage berechtigter Bedenken an seiner erforderlichen
Unvoreingenommenheit
nach § 27 StPO von anderen Richtern entscheiden zu lassen, hat
sich
der abgelehnte Richter mit dem Vorgehen nach § 26a Abs. 1 Nr.
2 StPO unter
eigener Beteiligung zum „Richter in eigener Sache“
gemacht; damit sind
im Verwerfungsbeschluss die Anforderungen aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
grundlegend verkannt worden.
c) Bei derartigen Verfassungsverstößen im
Ablehnungsverfahren obliegt
es dem Revisionsgericht, diese durch Aufhebung der angegriffenen
Entscheidungen
zu beheben. Nach der Systematik des Revisionsrechts ist eine
solche Aufhebung und Zurückverweisung jedoch nicht isoliert in
der Weise
möglich, dass lediglich erneut über das
Ablehnungsgesuch in der Besetzung
des § 27 StPO entschieden werden könnte
(missverständlich daher BVerfG
aaO unter IV. 3. c am Ende). Vielmehr muss in Fällen, in denen
der Angeklagte
im Rahmen einer willkürlichen Verwerfung des Ablehnungsgesuchs
nach § 26a StPO seinem gesetzlichen Richter entzogen wurde,
der Anwendungsbereich
des § 338 Nr. 3 StPO mit der Folge der Urteilsaufhebung auch
dann eröffnet sein, wenn die Ablehnung womöglich
sachlich nicht begründet
gewesen wäre (vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl.
§ 338 Rdn. 28).
d) Einer Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG bedarf es
nicht. Die
bisherigen entgegenstehenden Entscheidungen der übrigen Senate
des
Bundesgerichtshofs sind mit der genannten Entscheidung der 3. Kammer
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des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts überholt
(vgl. Hannich
in KK 5. Aufl. § 132 GVG Rdn. 8; vgl. auch BGHSt 44, 171, 173
zu
§ 121 GVG). Nach § 93c Abs. 1 Satz 2 BVerfGG steht
die Kammerentscheidung
der Entscheidung eines Senats des Bundesverfassungsgerichts gleich;
ihr kommt damit auch die Bindungswirkung des § 31 Abs. 1
BVerfGG zu (vgl.
BVerfG [Kammer] NJW 1991, 2821; Graßhof in Maunz/Schmidt-
Bleibtreu/Klein/Bethge BVerfGG § 93c Rdn. 34). Demnach ist die
rechtliche
Grundlage der früheren anders lautenden Entscheidungen in
Fällen wie dem
vorliegenden entfallen (vgl. BGHSt 46, 17, 20).
Basdorf Häger Gerhardt
Brause Schaal |