BGH,
Beschl. v. 10.8.2007 - 2 StR 344/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 344/07
vom
10.8.2007
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 10.8.2007
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Gera vom 15. März 2007 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in
einer Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist.
2. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe
hierzu in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von
Betäubungsmitteln, wegen Besitzes von
Betäubungsmitteln, Unterschlagung, Urkundenfälschung
und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 28
Fällen, davon in 25 Fällen in Tateinheit mit Erwerb
von Betäubungsmitteln, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
sechs Jahren verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe
von 35.000 € angeordnet. Dagegen wendet sich der Angeklagte
mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten
Revision.
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Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang
Erfolg. Im Übrigen erweist es sich als unbegründet im
Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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Nach den Urteilsfeststellungen begann der Angeklagte in seinem 10.
Schuljahr Drogen zu nehmen. Er rauchte Haschisch und Marihuana und
probierte nach und nach die verschiedensten Drogen aus. Seit 2001 -
unterbrochen durch seine Inhaftierung von September 2002 bis Juni 2005
- konsumiert er Methamphetamin (Crystal) und nimmt außerdem
Alkohol zu sich. In den Fällen, in denen er vorliegend wegen
tateinheitlichen Erwerbs von Betäubungsmitteln verurteilt
worden ist, hatte der Angeklagte von den erworbenen Drogen Teilmengen
abgezweigt und selbst konsumiert bzw. war für seine
Tätigkeit mit Drogen zum Eigenkonsum entlohnt worden. Nach den
Ausführungen des in der Hauptverhandlung gehörten
Sachverständigen liegt bei ihm ein
Abhängigkeitssyndrom bei multiplem Gebrauch psychotroper
Substanzen gemäß F19.2 der ICD-10 (Polytoxikomanie)
vor, welches aber noch nicht zu einer starken überdauernden
Persönlichkeitsveränderung geführt hat. Die
Kammer hat eine Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt abgelehnt, weil eine Tendenz zum
Betäubungsmittelmissbrauch ohne Depravation und erhebliche
Persönlichkeitsstörung nicht ausreichend sei, um
einen Hang anzunehmen.
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Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Zwar findet sich die vom Landgericht verwendete Formulierung auch in
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NStZ 2004, 494; BGHR
StGB § 64 Nichtanordnung 1). „Depravation“
und „erhebliche
Persönlichkeitsstörung“ dürfen
jedoch im Zusammenhang mit der Frage des Vorliegens eines Hanges zum
übermäßigen Konsum von
Betäubungsmitteln nicht gleichgesetzt werden mit den
Anforderungen, die die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
für die Annahme einer erheblichen Verminderung der
Schuldfähigkeit wegen Betäubungsmit-
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telabhängigkeit stellt. Danach begründet die
Abhängigkeit von Betäubungsmitteln eine erhebliche
Verminderung der Steuerungsfähigkeit nur ausnahmsweise, zum
Beispiel wenn langjähriger Betäubungsmittelgenuss zu
schwersten Persönlichkeitsveränderungen
geführt hat (vgl. BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 11
und 14 jeweils m.w.N.). Solche schwersten
Persönlichkeitsstörungen müssen für
die Bejahung eines Hanges zum übermäßigen
Konsum von Betäubungsmitteln nicht vorliegen. Die
Formulierungen in dem angefochtenen Urteil lassen besorgen, dass die
Strafkammer insoweit zu hohe Anforderungen gestellt hat.
Der Hang im Sinne von § 64 StGB verlangt eine chronische, auf
körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit oder
zumindest eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende
oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder
Alkohol oder andere Rauschmittel zu sich zu nehmen (st. Rspr.; vgl.
u.a. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 1, 4 und 5). Ein solches
Verhalten legen die Urteilsfeststellungen zumindest nahe. Die
festgestellten Umstände legen auch nahe, dass der Angeklagte
Betäubungsmittel im Übermaß konsumiert.
Denn ausreichend für die Annahme eines Hangs zum
übermäßigen Genuss von Rauschmitteln ist
jedenfalls, dass der Betroffene aufgrund seiner Abhängigkeit
sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH
NStZ 2005, 210; Senatsbeschl. vom 10. September 1997 - 2 StR 416/97 -
m.w.N.). Das kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Betroffene
Rauschmittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine
Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich
beeinträchtigt werden (vgl. BGH NStZ 2004, 384; NStZ-RR 2003,
106 f. jew. m.w.N.), sondern insbesondere auch bei
Beschaffungskriminalität. Die Annahme, dass der Angeklagte
seine Handelstätigkeit zumindest auch zu dem Zweck
durchgeführt hat, seinen eigenen Konsum zu finanzieren,
drängt sich angesichts der Urteilsfeststellungen auf.
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Da der Angeklagte selbst seine Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt angestrebt hat, dürfte auch eine konkrete
Erfolgsaussicht bestehen. Der Senat hat in diesem Fall den
Maßregelausspruch aufgehoben und die Sache insoweit zur
erneuten Prüfung zurückverwiesen, weil letztlich
nicht auszuschlie-ßen ist, dass der neue Tatrichter bei
Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung das ihm nach
der Änderung des § 64 Abs. 1 StGB durch das Gesetz
zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1327)
zustehende Ermessen im Sinne des Angeklagten ausübt. In diesem
Fall wäre nach § 67 Abs. 2 StGB n. F. auch die
Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafe zu
prüfen.
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Einer etwaigen Nachholung der Unterbringung steht nicht entgegen, dass
ausschließlich der Angeklagte Revision eingelegt hat
(§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5).
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Der Senat schließt aus, dass die Freiheitsstrafe niedriger
ausgefallen wäre, wenn das Landgericht zugleich die
Unterbringung des Angeklagten angeordnet hätte.
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Rissing-van Saan Bode RiinBGH Dr. Otten ist urlaubs-
bedingt an der Unterschrift
gehindert.
Rissing-van Saan
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