BGH,
Beschl. v. 10.12.2002 - 4 StR 479/02
4 StR 479/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
10. Dezember 2002
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 10. Dezember 2002
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Magdeburg vom 30. Juli 2002
a) in dem die Fälle II. 8 bis 36 der Urteilsgründe
betreffenden Schuldspruch dahin berichtigt und wie folgt neu
gefaßt, daß der Angeklagte des unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
in drei Fällen, des unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in 25 Fällen, davon in drei
Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von
Betäubungsmitteln, und des unerlaubten Erwerbs von
Betäubungsmitteln in einem weiteren Fall schuldig ist, sowie
b) im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben, soweit
von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt neben der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und
zwei Monaten abgesehen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im
übrigen wegen "siebenfachen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln, davon in zwei Fällen in einer
nicht geringen Menge und einmal in gemeinschaftlicher Begehungsweise"
unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem früheren Urteil
und unter Aufrechterhaltung des dort angeordneten Wertersatzverfalls zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie
wegen "28-fachen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, davon
in zwei Fällen mit einer nicht geringen Menge und in drei
Fällen in Tateinheit mit unerlaubten Erwerb von
Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit unerlaubten Erwerb" zu
einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten
verurteilt und den Wertersatzverfall in Höhe von 400 EUR
angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner
wirksam auf die "Verurteilung wegen 28-fachen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln" beschränkten Revision, mit der er
das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts
rügt. Das Rechtsmittel hat nur den aus der
Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg; im übrigen
ist es, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 20.
November 2002 zutreffend ausgeführt hat, unbegründet
im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf die Verurteilung in den
Fällen II. 8 bis 36 der Urteilsgründe
beschränkt. Zwar hat der Verteidiger innerhalb der
Revisionseinlegungsfrist nur allgemein Revision eingelegt, ohne
anzugeben, in welchem Umfang eine Überprüfung des
Urteils erstrebt wird. Er hat jedoch nach Zustellung des Urteils und
noch vor der Begründung des Rechtsmittels
ausdrücklich erklärt, "die Revision (sei) allein auf
die Verurteilung Nr. 2 wegen 28-fachen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln und die daraus resultierende Verurteilung
von 3 Jahren und 2 Monaten ... gerichtet". Diese eindeutige
Erklärung läßt für einen Zweifel
an dem Willen zur Beschränkung des Rechtsmittels keinen Raum,
zumal der Verteidiger zugleich um Erteilung des Rechtskraftvermerks
"hinsichtlich der Verurteilung Nr. 1 mit der ausgesprochenen
Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten" gebeten hat. Damit ist der
Umfang der Revision rechtlich bindend festgelegt worden (BGHSt 38, 4,
5; Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 344 Rdn. 4 ff.) und
ist die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II. 1 bis 7
der Urteilsgründe in Rechtskraft erwachsen. Ein Widerruf oder
eine Anfechtung der Erklärung über die
Beschränkung des Rechtsmittels scheidet hier aus. Davon
abgesehen vermag der Senat in der Revisionsbegründung einen
solchen Widerruf oder eine Anfechtung nicht zu erblicken.
2. Der Schuldspruch ist hinsichtlich des zweiten Tatkomplexes
(Fälle II. 8 bis 36 der Urteilsgründe) zu
berichtigen, weil insoweit die Urteilsurkunde ebenso wie die
Ausfertigungen infolge eines offensichtlichen
Übertragungsversehens zwei Fälle des unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
angeben, während - was hier maßgeblich ist (vgl.
BGHSt 34, 11, 12) - die verkündete Urteilsformel auf drei
Fälle lautete (SA Bd. III Bl. 36; Fälle II. 8, 9 und
10). Der Senat nimmt die Berichtigung zum Anlaß, den
Schuldspruch im übrigen neu zu fassen.
3. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der
Revisionsrechtfertigung hat einen durchgreifenden Rechtsfehler nur
insoweit ergeben, als das Landgericht die Frage der Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB nicht
erörtert hat.
Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:
"Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumiert der Angeklagte
seit etwa 1996 Rauschgift, wobei es sich zunächst um Haschisch
handelte, welches er an den Wochenenden rauchte. Sein Konsum steigerte
sich letztlich auf zwei bis drei Gramm pro Wochenende. Ab 1999 genoss
der Angeklagte zusätzlich an den Wochenenden Kokain, welches
er in Mengen von ein bis zwei Gramm schnupfte, und wodurch er ein Loch
in der Nasenscheidewand davontrug. Um seinen erhöhten
Drogenkonsum zu finanzieren, begann er mit Rauschgift
(Ecstasy-Tabletten, Haschisch und Kokain) zu handeln (UA S. 3 f.).
Angesichts dieser Feststellungen liegt die Anordnung der Unterbringung
des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nahe. Für die
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt kommt es nicht darauf an,
dass zumindest verminderte Schuldfähigkeit des Täters
gemäß § 21 StGB feststeht (vgl. BGHR StGB
§ 64 Abs. 1 - Hang 2; BGH NStZ-RR 2001, 12). Ebenso wenig ist
für die Feststellung eines Hanges erforderlich, dass eine
chronische, auf körperlicher Sucht beruhende
Abhängigkeit vorliegt. Es genügt vielmehr eine
eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch
Übung erworbene intensive Neigung immer wieder Rauschgift zu
sich zu nehmen. Diese Neigung muss noch nicht den Grad einer physischen
Abhängigkeit erreicht haben (vgl. BGHR StGB § 64 Abs.
1 - Hang 5). Nach den Feststellungen liegt beim Angeklagten ein Hang in
diesem Sinne auf der Hand. Seine Taten gehen auch auf diesen Hang
zurück, da sie in der Absicht der Erlangung von Geld zum
Erwerb weiterer Drogen begangen wurden.
Dass bei dem Angeklagten die hinreichend konkrete Aussicht eines
Behandlungserfolges nicht besteht (vgl. BVerfGE 91, 1 ff.), ist den
Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Das Landgericht
hätte daher darlegen müssen, warum es gleichwohl von
der Unterbringung abgesehen hat (vgl. BGHSt 37, 5, 7; 38, 362, 363).
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung
der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO;
BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des
§ 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht von seinem
Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362).
Es ist auszuschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der
Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Der
Strafausspruch kann daher bestehen bleiben."
Dem stimmt der Senat zu. Die Prüfung der Voraussetzungen einer
Anordnung nach § 64 StGB drängte sich hier schon
deshalb auf, weil der Angeklagte sich nach den Feststellungen des
Landgerichts auch durch den annähernd sechsmonatigen Vollzug
der Untersuchungshaft in der einbezogenen Sache von seinen
Konsumgewohnheiten nicht abbringen ließ, sondern noch am Tag
seiner Haftentlassung am 24. Januar 2001 wieder Kokain zu sich nahm und
den Konsum bis zu seiner erneuten Inhaftierung fortsetzte.
Mit Blick auf die Rechtskraft der Verurteilung des Angeklagten in den
Fällen II. 1 bis 7 der Urteilsgründe zu der ersten
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten kommt hier die
Anordnung der Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB nur
neben der zweiten Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei
Monaten in Betracht. Die Frage, ob, wenn die Unterbringung nach
§ 64 StGB neben mehreren in demselben Urteil
verhängten Strafen in Betracht kommt, die
Maßregelanordnung einer der Strafen zuzuordnen ist oder dies
dem Vollstreckungsverfahren (§ 44 b StrVollstrO)
überlassen bleibt
(in BGH, Beschluß vom 25. August 1994 - 4 StR 380/94 - nicht
erörtert), bedarf hier deshalb keiner Entscheidung.
Tepperwien Maatz Athing Ernemann Sost-Scheible |