BGH,
Beschl. v. 10.12.2008 - 1 StR 322/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 322/08
vom
10. Dezember 2008
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
_____________________
DRiG § 37; § 27 Abs. 2
GVG § 21f Abs. 1
GVG § 192
AO § 180
1. Die Teilabordnung eines (Vorsitzenden) Richters am Oberlandesgericht
an ein Landgericht ist nach § 37 DRiG zulässig.
§ 27 Abs. 2 DRiG steht dem weder unmittelbar noch in analoger
Anwendung entgegen.
2. Vorsitzender eines Spruchkörpers bei einem Landgericht kann
auch ein Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht sein, der an das
Landgericht (rück-)abgeordnet wurde.
3. Scheidet ein Richter aus einem Spruchkörper aufgrund der
Übertragung eines Richteramtes bei einem anderen Gericht aus,
ist ein Verhinderungsfall i.S.v. § 192 Abs. 2 GVG nicht
gegeben, wenn die Hauptverhandlung, die unter Beteiligung des Richters
begonnen wurde, aufgrund einer Rückabordnung nach §
37 DRiG innerhalb der Fristen des § 229 StPO in der
ursprünglichen Besetzung der Richterbank fortgesetzt werden
kann.
4. Die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach
§ 180 Abs. 1 Nr. 2a AO kann einen nicht gerechtfertigten
Steuervorteil im Sinne von § 370 Abs. 1 AO darstellen.
BGH, Beschl. vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08 - LG München
I
in der Strafsache
- 2 -
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
- 3 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Dezember 2008
beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 13. November 2007 werden als
unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten S. und G. wegen Steuerhinterziehung
in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren
bzw. zwei Jahren verurteilt, wobei die Vollstreckung der gegen den
Angeklagten G. verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zur
Bewährung ausgesetzt wurde. Mit ihren Revisionen
rügen die Angeklagten die Verletzung formellen und sachlichen
Rechts. Die Rechtsmittel sind unbegründet (§ 349 Abs.
2 StPO). Der näheren Erörterung bedarf lediglich
Folgendes:
1
I.
Die Revisionen erheben inhaltlich identische Besetzungsrügen
(§ 338 Nr. 1 StPO). Folgendes Geschehen liegt zu Grunde:
2
- 4 -
Zwischen dem 31. Hauptverhandlungstag (14. August 2007) und dem 32.
Hauptverhandlungstag (4. September 2007) wurde die Vorsitzende
Richterin der 4. Strafkammer durch das Bayerische Staatsministerium der
Justiz unter dem Datum des 26. August 2007 mit Wirkung zum 1. September
2007 zur Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht München
ernannt. Am 29. August 2007 verfügte der
Vizepräsident des Oberlandesgerichts München im
Einverständnis mit der Vorsitzenden Richterin deren
Rückabordnung an das Landgericht München I mit einem
Viertel ihrer Arbeitskraft und mit Wirkung vom 1. September 2007 bis
zum 31. Dezember 2007. Ebenfalls am 29. August 2007 beschloss das
Präsidium des Landgerichts München I, dass der
Vorsitzenden Richterin „im Umfang ihrer Abordnung und
entsprechend dem angeordneten Zeitraum der Vorsitz der 4. Strafkammer
übertragen“ wird. Dieser Sachverhalt wurde den
Verfahrensbeteiligten zu Beginn der Fortsetzung der Hauptverhandlung am
4. September 2007 mitgeteilt. Einwendungen gegen die Besetzung des
Gerichts wurden von keinem Verfahrensbeteiligten erhoben. Die
Hauptverhandlung wurde in der ursprünglichen Besetzung bis zum
letzten Hauptverhandlungstag fortgeführt. Dementsprechend trat
der Ergänzungsrichter, der der Hauptverhandlung ab dem 1.
Hauptverhandlungstag beigewohnt hatte (§ 192 Abs. 2 GVG),
nicht in die Strafkammer ein.
3
Auf dieser Grundlage beanstanden die Revisionen die Besetzung der
Strafkammer seit dem 1. September 2007. Sie rügen die
Verletzung von § 27 Abs. 2 und § 37 DRiG; §
21f Abs. 1 GVG und § 192 GVG.
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1. Der Senat kann offen lassen, ob ein Verfahrensbeteiligter, der eine
solche Rückabordnung mit der Revision beanstanden will, nicht
in entsprechender Anwendung von § 338 Nr. 1 Buchst. b und
§ 222b StPO gehalten ist, vor dem Landgericht
unverzüglich nach dem Bekanntwerden der maßgeblichen
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- 5 -
Verfahrenstatsachen einen Besetzungseinwand zu erheben. Die
Rüge ist jedenfalls unbegründet; denn die
Rückabordnung der Vorsitzenden Richterin war nämlich
- auch und gerade in dieser Funktion - gesetzlich zulässig,
zumindest aber nicht willkürlich.
a) Ein Verstoß gegen § 27 Abs. 2 und § 37
DRiG ist nicht gegeben.
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aa) Die Abordnung eines Richters, auch die eines (Vorsitzenden)
Richters am Oberlandesgericht an ein Landgericht, ist
zulässig, wenn die in § 37 DRiG genannten
Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Schmidt-Räntsch,
DRiG 5. Aufl. § 27 Rdn. 16). Dies ist hier der Fall. Die
Zustimmung des Richters (§ 37 Abs. 1 DRiG) lag vor und die
Abordnung war auf eine bestimmte Zeit ausgesprochen (§ 37 Abs.
2 DRiG).
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bb) Unter den Voraussetzungen des § 37 DRiG ist auch die
Teilabordnung eines Richters zulässig. Sie ist gesetzlich
nicht ausgeschlossen und wird auch nicht durch die Möglichkeit
der Übertragung eines weiteren Richteramtes verdrängt
(Schmidt-Räntsch, DRiG 5. Aufl. § 37 Rdn. 4c).
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cc) Demgegenüber macht die Revision vergeblich geltend, die
vorliegende Teilabordnung verstoße gegen § 27 Abs. 2
DRiG.
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(1) Diese Vorschrift sieht vor, dass eine Ämterkumulierung nur
in den gesetzlich vorgesehenen Fällen zulässig ist.
In der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist dies lediglich in den
Fällen von § 22 Abs. 2 GVG oder § 59 Abs. 2
GVG der Fall. Diese Vorschriften betreffen nur das Amtsgericht und das
Landgericht. § 27 Abs. 2 DRiG soll - gemeinsam mit §
27 Abs. 1 DRiG - im Interesse eines Richters auf Lebenszeit dessen in
Art. 97 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrecht
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- 6 -
lich garantiertes Recht auf Unversetzbarkeit und Unabsetzbarkeit
sicherstellen. Mit Ausnahme der Abordnung nach § 37 DRiG darf
kein Richter auf Lebenszeit bei einem Gericht richterliche Aufgaben
wahrnehmen, ohne dass ihm ein Richteramt bei diesem Gericht
übertragen ist. Anderenfalls wäre der Richter bei
diesem Gericht nicht in dem nach Art. 97 Abs. 2 Satz 1 GG
erforderlichen Umfang geschützt (Schmidt-Räntsch,
DRiG 5. Aufl. § 27 Rdn. 14). Eine Zustimmung des Richters zur
Übertragung eines weiteren Richteramtes nach § 27
Abs. 2 DRiG i.V.m. § 22 Abs. 2 resp. § 59 Abs. 2 GVG,
die durch Verfügung der Landesjustizverwaltung erfolgt (BGHSt
24, 283), ist regelmäßig nicht erforderlich
(Kissel/Mayer, GVG § 22 Rdn. 13; zu Ausnahmen vgl. BGHZ 67,
159).
(2) Angesichts der unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen
von Abordnung einerseits und von Übertragung eines weiteren
Richteramtes andererseits ist eine unmittelbare Anwendung des
§ 27 Abs. 2 DRiG auf Fälle der Teilabordnung nicht
möglich. Auch eine analoge Anwendung des § 27 Abs. 2
DRiG ist in Fällen der Teilabordnung nicht geboten (a.A.
Schmidt-Räntsch, DRiG 5. Aufl. § 37 Rdn. 4c). Es ist
schon fraglich, ob überhaupt eine für eine Analogie
erforderliche planwidrige Regelungslücke vorliegt. Es fehlt
jedenfalls auf Grund des Zustimmungserfordernisses (§ 37 Abs.
1 DRiG) und der zeitlichen Begrenzung (§ 37 Abs. 2 DRiG) bei
der Teilabordnung im Hinblick auf den Schutzzweck des § 27
Abs. 2 DRiG (vgl. oben [1] ) regelmäßig an einer
vergleichbaren Interessenlage. Ob Besonderheiten des Einzelfalles
ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten,
mag dahinstehen; derartige Besonderheiten liegen hier jedenfalls nicht
vor.
11
dd) Da nach alledem ein Verstoß gegen § 27 Abs. 2
und § 37 DRiG nicht gegeben ist, bedarf es im vorliegenden
Fall keiner Entscheidung, ob ein solcher Verstoß
überhaupt zu einer Verletzung des Grundsatzes des gesetzli-
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- 7 -
chen Richters und somit zu einer vorschriftswidrigen Besetzung des
erkennenden Gerichts im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO
führen könnte. Hiergegen könnte sprechen,
dass die Fortführung des gegenständlichen Verfahrens
in der ursprünglich besetzten Richterbank bei einer
uneingeschränkten Rückabordnung möglich
wäre. Die Wahrung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters
kann aber schwerlich davon abhängen, welche richterlichen
Tätigkeiten der Richter außerhalb der in Rede
stehenden Hauptverhandlung wahrnimmt und ob insoweit die Rechte des
Richters verletzt sind. Näher nachzugehen braucht der Senat
dem unter den gegebenen Umständen nicht.
b) Auch § 21f Abs. 1 GVG ist nicht verletzt. Nach dem Wortlaut
der Vorschrift ist nicht ausgeschlossen, dass der Vorsitz in einem
Spruchkörper durch einen Vorsitzenden Richter eines anderen
Gerichts, der zu diesem Zwecke abgeordnet wird, geführt werden
kann. Die Revision (zuletzt Schriftsatz für den Angeklagten G.
vom 17. November 2008) meint demgegenüber unter Hinweis
insbesondere auf BGHSt 31, 389; BVerwGE 106, 345; OLG Hamm StV 2004,
366, 367, dass ein abgeordneter Richter nicht ordentlicher Vorsitzender
einer Kammer beim Landgericht sein könne. Der Senat teilt
diese Auffassung nicht. Die genannten Entscheidungen betreffen jeweils
den Fall, dass der Richter - bei Beginn der Hauptverhandlung - noch
nicht das Amt eines Vorsitzenden dieses Spruchkörpers erreicht
hatte. Diese Fallkonstellation ist mit der vorliegenden nicht
vergleichbar, in der der Richter während der Hauptverhandlung
in ein höheres Richteramt befördert wurde. Danach
wurde dem Sinn und Zweck des § 21f Abs. 1 GVG, wonach
sichergestellt werden soll, dass die hervorgehobene Stellung des
Vorsitzenden durch entsprechend qualifizierte Richter ausgeübt
wird (BGHSt 25, 54, 55), hier entsprochen.
13
c) Ebenso liegt auch kein Verstoß gegen die Vorschrift des
§ 192 GVG
14
- 8 -
vor. Aufgrund der Rückabordnung war ein Verhinderungsfall, der
den Eintritt des bestellten Ergänzungsrichters erfordert
hätte, nicht gegeben.
aa) Die Anordnung der Zuziehung eines Ergänzungsrichters nach
§ 192 GVG dient der Sicherstellung der Durchführung
einer Hauptverhandlung, namentlich im Hinblick auf den Grundsatz der
Verhandlungseinheit (§ 226 StPO) und die Unterbrechungsfristen
des § 229 StPO. Die Vorschrift des § 192 GVG bezieht
sich mithin auf die konkrete Hauptverhandlung, für deren
Sicherstellung die Zuziehung des Ergänzungsrichters angeordnet
wurde.
15
bb) Dementsprechend ist eine Verhinderung im Sinne von § 192
Abs. 2 GVG gegeben, wenn die weitere Mitwirkung eines Richters nur
durch die Verletzung von Verfahrensvorschriften, namentlich des
§ 229 StPO, ermöglicht werden könnte (vgl.
Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 192 GVG Rdn. 7). Ist
ein Richter demgegenüber lediglich an einzelnen Tagen nicht in
der Lage, an dem Verfahren weiter mitzuwirken, kann es aber
später mit ihm ordnungsgemäß
fortgeführt werden, dann begründet diese zeitweise
Verhinderung nicht notwendig den Vertretungsfall (BGH NStZ 1986, 518,
519). Demnach war vorliegend durch die Möglichkeit der
Rückabordnung der Vorsitzenden Richterin die
Fortführung der Hauptverhandlung in der
ursprünglichen Besetzung des Gerichts innerhalb der Fristen
des § 229 StPO sichergestellt. Ein Verhinderungsfall im Sinne
des § 192 GVG war somit nicht gegeben.
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d) Unabhängig von alledem hätte eine Rüge
gemäß § 338 Nr. 1 StPO nur Erfolg, wenn der
in Rede stehenden Besetzung eine willkürliche Verletzung der
einschlägigen Bestimmungen zu Grunde liegen würde.
Dies ist dann der Fall, wenn eine Maßnahme sich so weit vom
Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt, dass sie nicht mehr
gerechtfertigt werden kann (BVerfGE 23, 288,
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- 9 -
320). Aus den dargelegten Gründen war die
Rückabordnung der Vorsitzenden an die Strafkammer jedenfalls
in rechtlicher Hinsicht vertretbar. Durch die gewählte
Vorgehensweise wurde zudem ein sachgerechter Ausgleich für die
aufgrund der Beförderungsentscheidung aufgetretene
Interessenkollision gefunden. Als Alternative wäre in Betracht
gekommen, von der Beförderung der Richterin abzusehen. Damit
wäre aber ein geeigneter Richter allein deshalb von einer
Beförderung ausgeschlossen, weil er ein fortgeschrittenes
Verfahren zu Ende zu führen hat. Eine derartige Folge
wäre mit dem sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden Grundsatz
der Bestenauslese nicht zu vereinbaren. Weiter hätte in
Erwägung gezogen werden können, den Vorsitz des
betroffenen Senates beim Oberlandesgericht länger unbesetzt zu
lassen. Dies hätte mit dem verfassungsrechtlich gebotenen
Grundsatz kollidieren können, dass die Neubestellung eines
Vorsitzenden ohne ungebührliche Verzögerung erfolgen
muss (BVerfGE 18, 423, 426). Gegen eine Beförderung ohne
Rückabordnung hätten im Hinblick auf die Wahrung des
Rechts auf den gesetzlichen Richter erhebliche Bedenken bestanden. Denn
dann könnte der Eindruck entstehen, mit der Wahl des
Ernennungszeitpunkts hätte die Justizverwaltung
während laufender Hauptverhandlung Einfluss auf die Besetzung
des Spruchkörpers genommen. Mit der gewählten
Vorgehensweise einer Beförderung mit sofortiger
Rückabordnung des beförderten Richters war
bestmöglich gewährleistet, dass die Hauptverhandlung
ohne Änderung in der Zusammensetzung der Richterbank zu Ende
geführt werden konnte. Der einzige Unterschied zur vorherigen
Besetzung bestand letztlich in einer höheren Besoldung der
Vorsitzenden.
Die demnach vertretbare Beantwortung einer vom Gesetz nicht geregelten
Zweifelsfrage verstößt aber weder gegen den in Art.
101 Abs. 1 Satz 2 GG
18
- 10 -
niedergelegten Grundsatz der Mitwirkung des gesetzlichen Richters, noch
wird dadurch eine vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts i.S.v.
§ 338 Nr. 1 StPO herbeigeführt (BVerfGE 29, 45, 48;
BGH NStZ 1982, 476, 477 m.w.N.).
II.
Hinsichtlich der übrigen Verfahrensrügen verweist der
Senat auf die zutreffenden Ausführungen des
Generalbundesanwalts, die auch durch die Erwiderungen der Revisionen
(§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräftet werden.
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III.
Auch die Sachrüge bleibt aus den Gründen der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg. Die
rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung.
Dem steht - entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer,
zuletzt im Schriftsatz vom 9. Dezember 2008 - nicht entgegen, dass der
Bundesfinanzhof in dem Beschluss vom 6. November 2008 (Aktenzeichen IV
B 126/07), der in dem Beschwerdeverfahren über den Antrag der
F. und E. GmbH & Co. KG auf Aussetzung der Vollziehung erging
und dem der identische Lebenssachverhalt zu Grunde lag, in
steuerrechtlicher Hinsicht weitere Feststellungen für
erforderlich erachtete. Denn im dortigen Verfahren konnten die
Feststellungen aus dem strafgerichtlichen Urteil nicht
übernommen werden, da dieses noch nicht rechtskräftig
war und die Beteiligten die Feststellungen des strafgerichtlichen
Urteils bestritten (vgl. BFH, Beschl. vom 6. November 2008 - IV B
126/07 Rdn. 37 f. m.w.N. zur finanzgerichtlichen Rechtsprechung).
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- 11 -
Darüber hinaus bemerkt der Senat ergänzend zu den
Ausführungen des Generalbundesanwalts:
Die Verurteilung der Angeklagten wegen vollendeter Steuerhinterziehung
(§ 370 Abs. 1 AO) begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zwar
bewirkt ein unrichtiger Feststellungsbescheid als bloßer
Grundlagenbescheid keine Steuerverkürzung; denn in dem
Feststellungsbescheid werden lediglich die Besteuerungsgrundlagen
festgestellt, die Festsetzung der Steuern bleibt dagegen dem
Folgebescheid vorbehalten. Das Landgericht ist jedoch zurecht davon
ausgegangen, dass die Angeklagten als Vertreter der
Kommanditgesellschaft für die Kommanditisten einen nicht
gerechtfertigten Steuervorteil im Sinne von § 370 Abs. 1 AO
erlangt haben, indem sie durch unrichtige Angaben in der
Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO
einen Feststellungsbescheid erwirkt haben, in dem für die
Kommanditgesellschaft zu hohe negative Einkünfte festgestellt
und damit zu Unrecht Verluste zugewiesen wurden. Hierzu hat der
Generalbundesanwalt ausgeführt:
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„Nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO werden
einkommensteuerpflichtige Einkünfte mehrerer Beteiligter
gesondert und einheitlich festgestellt. Dieser gesonderte
Feststellungsbescheid stellt einen Grundlagenbescheid (§ 171
Abs. 10 AO) dar und ist für die Folgebescheide bindend
(§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Bindungswirkung besteht
unabhängig davon, ob die Feststellungen inhaltlich
rechtmäßig sind und mit Bindungswirkung
hätten getroffen werden dürfen (vgl. BFH/NV 1992,
363). Ist ein solcher Folgebescheid bereits vor Erlass des
Feststellungsbescheides bestandskräftig geworden, so ist er
zwingend zu ändern (§ 175 Abs. 1 Nr. 1 AO). Diese
Bindungswirkung führt dazu, dass das für die
Einkommensbesteuerung der Anteilseigner zuständige
Wohnsitzfinanzamt keine Möglichkeit hat, den Inhalt des
Feststellungsbescheides zu überprüfen. Damit ist es
ausgeschlossen, dass ein Sachverhalt, über den im
Feststellungsverfahren entschieden worden ist, im Folge-
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verfahren in einem damit unvereinbaren Sinne anders beurteilt wird
(vgl. Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 182 Rdnr. 1). Das
Veranlagungsfinanzamt erhält von Amts wegen Kenntnis vom
Feststellungsbescheid, so dass es einer Mitwirkung oder Antragstellung
des Steuerpflichtigen insoweit nicht bedarf.
Gerade diese Bindungswirkung rechtfertigt aber die Annahme, dass
bereits der unrichtige Feststellungsbescheid den Steueranspruch konkret
gefährdet. Die Ermittlung und Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen ist wesentliche Voraussetzung für die
Durchführung des Festsetzungsverfahrens. Der Täter
kann nun sicher sein, dass seine falschen Angaben im
Feststellungsverfahren ohne weitere Zwischenschritte in die Festsetzung
einfließen. Damit hat er einen Vorteil bereits mit der
Wirksamkeit des Grundlagenbescheides erlangt (so auch Hardtke/Leip,
NStZ 1996, 217, 219).“
Dem schließt sich der Senat an. Der in Feststellung
unrichtiger Besteuerungsgrundlagen mit Bindungswirkung liegende Vorteil
ist ein Vorteil spezifisch steuerlicher Art, der auf dem
Tätigwerden der Finanzbehörde beruht, und damit
Steuervorteil (gl. A. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht
6. Aufl. § 376 AO Rdn. 21; Gast-de Haan in Klein, AO 9. Aufl.
§ 370 Rdn. 56; Hardtke, AO-StB 2002, 92, 93; a.A. Beckemper
NStZ 2002, 518, 520; Hellmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO,
§ 370 Rdn. 299; Sorgenfrei, wistra 2006, 370; zum Begriff des
Steuervorteils vgl. auch BGHSt 25, 190, 202). Der Annahme eines mit dem
Feststellungsbescheid erlangten Steuervorteils steht nicht entgegen,
dass ein solcher Bescheid erst die Grundlage für die
Berechnung der Steuerschuld bildet und regelmäßig
noch keine abschließende Auskunft gibt, in welcher konkreten
Höhe der Steueranspruch tatsächlich
beeinträchtigt wird (a.A. Beckemper aaO S. 521). Aus dem
Umstand, dass eine Umsetzung des Grundlagenbescheids in einen
Einkommensteuerbescheid noch nicht stattgefunden hat, ergibt sich
lediglich, dass eine Steuerverkürzung noch nicht eingetreten
ist; dies schließt jedoch nicht aus, die Bekanntgabe des
unrichtigen Feststellungsbescheids als gesonderten nicht
gerechtfertigten Steuervorteil zu ver-
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- 13 -
stehen (vgl. Hardtke, AO-StB 2002, 92, 93). Auch eine genaue
betragsmäßige Bestimmung der bei einer
späteren Umsetzung der festgestellten Besteuerungsgrundlagen
in einem Folgebescheid eintretenden Steuerverkürzung ist nicht
Voraussetzung für die Annahme eines Steuervorteils (vgl.
Hardtke aaO S. 95; a.A. Gast-de Haan aaO). Die Steuerhinterziehung ist
zwar Erfolgsdelikt, jedoch nicht notwendig Verletzungsdelikt. Wie die
Vorschrift des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO zeigt, genügt
z.B. für eine Steuerverkürzung schon die zu niedrige
Festsetzung von Steuern, also eine konkrete Gefährdung des
Steueranspruchs (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht
6. Aufl. § 370 AO Rdn. 15). Die hinreichend konkrete
Gefährdung des Steueranspruchs genügt auch
für die Annahme eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils.
Da hier im Hinblick auf die Bindungswirkung von Grundlagenbescheiden
(§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO) die für die
Kommanditgesellschaft - auch der Höhe nach - festgestellten
Besteuerungsgrundlagen des Gewinnfeststellungsbescheids ohne weiteres
Zutun der Angeklagten oder der Kommanditisten in die Folgebescheide der
Kommanditisten einzubeziehen waren, lag eine solche Gefährdung
hier vor (vgl. Joecks aaO § 376 AO Rdn. 21 und Hardtke aaO S.
95; einzelne Stimmen in der Literatur, z.B. Rolletschke in
Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen § 370 Rdn. 118 und
Hellmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 370 Rdn.
299, denen der Senat nicht folgt, sehen dagegen in einem unrichtigen
Feststellungsbescheid noch keine für eine vollendete
Steuerhinterziehung ausreichende Gefährdung von
Steueransprüchen).
Der Umstand, dass die Angeklagten ihr angestrebtes (End-)Ziel einer
Steuerverkürzung erst mit der zu niedrigen Festsetzung der
Einkommensteuer in den Einkommensteuerbescheiden der Kommanditisten
erreichten, steht der Annahme eines in der bindenden Feststellung
unrichtiger Besteuerungsgrundlagen liegenden Steuervorteils nicht
entgegen (a.A. Sorgenfrei, wistra 2006,
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- 14 -
370, 374). Die durch die Umsetzung der festgestellten unrichtigen
Besteuerungsgrundlagen bei der Steuerfestsetzung in den Folgebescheiden
bewirkte Steuerverkürzung stellt lediglich einen
weitergehenden Taterfolg dar, der insbesondere für den
Zeitpunkt der Tatbeendigung und damit für den
Verjährungsbeginn der Steuerhinterziehung von Bedeutung ist
(vgl. BGH wistra 1984, 142). Die Tatvollendung durch Erlangung eines
bereits in der bindenden Feststellung der Besteuerungsgrundlagen
liegenden Steuervorteils wird dadurch jedoch nicht in Frage gestellt
(vgl. Joecks aaO § 376 Rdn. 21a; a.A. Beckemper NStZ 2002,
518, 521). Die mehrfache Verwirklichung eines tatbestandlichen Erfolgs
steht im Einklang mit der Rechtsnatur der Steuerhinterziehung im
Feststellungs und Festsetzungsverfahren als Gefährdungsdelikt
(vgl. Joecks aaO § 370 Rdn. 15; Hardtke/Leip, NStZ 1996, 217,
220).
15 -
Da im vorliegenden Fall die Kommanditisten, denen die zu hohen Verluste
zugewiesen wurden, nach den Urteilsfeststellungen auf der Grundlage des
unrichtigen Gewinnfeststellungsbescheides für die
Kommanditgesellschaft bereits veranlagt wurden, sind die Bedenken der
Beschwerdeführer gegen die vom Landgericht angenommene
Tatvollendung auch aus diesem Grunde unbegründet. Mit der
Umsetzung der Feststellungen des Gewinnfeststellungsbescheides in den
Einkommensteuerbescheiden der Kommanditisten wurden jeweils die gegen
Kommanditisten gerichteten Steueransprüche verkürzt
(vgl. § 370 Abs. 4 AO).
24
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander |