BGH,
Beschl. v. 10.1.2001 - 2 StR 496/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 496/00
vom
10. Januar 2001
in der Strafsache gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2001
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Gießen vom 7. August 2000 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als
Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Mordes in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich die
Revision der Angeklagten mit der Rüge formellen und
materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts goß die Angeklagte
einen Topf fast kochenden Wassers über Brust und Gesicht ihres
schlafenden Ehemanns und stach ihn mit einem scharfen, spitzen ca. 30
cm langen Küchenmesser in den Hals, um ihn zu töten.
Dem Tatopfer gelang es trotz erheblicher Verletzungen, die Angeklagte
von sich zu stoßen und zum Telefon zu eilen. Bei dem Versuch,
die Polizei zu benachrichtigen, stieß die Angeklagte, wie sie
zuvor angedroht hatte, ihm das Messer - weiterhin in
Tötungsabsicht - in den Rücken, obwohl inzwischen der
vierjährige Sohn hinzugekommen war und sie bat, dies nicht zu
tun. Das Tatopfer ging nunmehr rückwärts zur
Wohnungstür, das Kind hinter sich haltend, um zu fliehen. Als
die Angeklagte einen Fuß vor die Tür stellte,
stieß er sie weg und schob den Sohn ins Treppenhaus, mit der
Aufforderung, um Hilfe zu rufen. Die Angeklagte holte den Sohn
zurück und schloß die Wohnungstür. Das
Tatopfer zog sich dann, das Kind weiter hinter sich haltend, in das
Wohnzimmer zurück. Hier wurde er von den alarmierten Nachbarn
angetroffen, die Rettungsmaßnahmen einleiteten.
Das Landgericht hat einen strafbefreienden Rücktritt der
Angeklagten vom Mordversuch mit der Erwägung abgelehnt, die
Angeklagte habe ihren Angriff nicht mehr fortsetzen können,
nachdem ihr Ehemann erwacht sei und sie vom Bett weggestoßen
habe. Damit sei das Überraschungsmoment, auf das sie bei ihrem
Angriff auf das ihr körperlich überlegene Tatopfer
gesetzt habe, entfallen. Zudem habe die Angeklagte ihre
Tötungsabsicht zu diesem Zeitpunkt nicht aufgegeben gehabt,
wie der weitere Tötungsversuch zeige, als die Angeklagte dem
Tatopfer während seines Telefonats das Messer in den
Rücken stieß.
Die Auffassung des Landgerichts, bei dem Stich in den Rücken
handele es sich um eine neue, nicht angeklagte Tat, die von dem
vorangegangenen Tatgeschehen losgelöst zu beurteilen sei,
begegnet durchgreifenden Bedenken. Denn er steht nicht nur in engem
zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem vorangegangenen
Angriff, er wurde, wovon auch das Landgericht ausgeht, auch vom
fortbestehenden Tötungsvorsatz der Angeklagten getragen. Unter
diesen Umständen ist von einer Tat im Sinne einer
natürlichen Handlungseinheit auszugehen.
Mit der Aufspaltung des einheitlichen Tatgeschehens hat sich das
Landgericht den Blick für den maßgeblichen Zeitpunkt
zur Beurteilung der Rücktrittsvoraussetzungen verstellt.
Entscheidend ist danach, ob der Angeklagten die Verwirklichung ihres
Tötungsvorsatzes nach dem letzten Stich in den Rücken
ihres Ehemanns bis zum Eintreffen der Nachbarn noch möglich
gewesen wäre und gegebenenfalls aus welchen Gründen
sie ihr Vorhaben aufgegeben hat. Daß dies nicht der Fall war,
läßt sich den Feststellungen nicht ausreichend
entnehmen und versteht sich hier nicht von selbst. Die Angeklagte war
noch im Besitz des Messers, als die Nachbarn hinzukamen. Das Tatopfer
saß zu diesem Zeitpunkt blutend in einem Sessel.
Das Urteil kann danach keinen Bestand haben.
Jähnke Detter Bode
Otten Elf |