BGH,
Beschl. v. 10.1.2001 - 5 StR 435/00
5 StR 435/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 10. Januar 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
- Verfallsbeteiligte:
wegen Vergehen gegen das Militärregierungsgesetz Nr. 53
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2001
beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten und der Verfallsbeteiligten
wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom
3. April 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Staatskasse hat die notwendigen Auslagen der Angeklagten
und der Verfallsbeteiligten zu tragen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Vergehen gegen das
Militärregierungsgesetz Nr. 53 zu Geldstrafen verurteilt und
zum Nachteil der
Verfallsbeteiligten den Verfall von Wertersatz angeordnet. Die
Revisionen
der Angeklagten und der Verfallsbeteiligten führen zur
Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung.
1. Die Angeklagten veranlaßten als Vorstandsvorsitzender der
verfallsbeteiligten
Aktiengesellschaft bzw. als Direktor des zuständigen
Unternehmensbereiches,
daß Anlagen für die Herstellung elektronischer
Bauteile
nebst Zubehör und Ersatzteilen von September 1987 bis Dezember
1989
zum Gesamtpreis von über 65 Millionen DM ungenehmigt in die
DDR geliefert
wurden. Ein ungenehmigter Export dieser Waren wäre auch in
sonstige
Ostblockländer untersagt gewesen, da sie von der
„COCOM-Liste” erfaßt
waren.
- 3 -
2. Die Taten sind - nachdem seit ihrer Beendigung zehn Jahre, das
Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist (§ 78 Abs.
3 Nr. 4 StGB i.V.m.
Art. VIII MRG Nr. 53; vgl. zur Strafdrohung BVerfG -
Vorprüfungsausschuß -
EuGRZ 1983, 438 und NJW 1984, 39), vor Erlaß des
angefochtenen Urteils
abgelaufen sind, absolut - verjährt (§ 78 Abs. 1 Satz
1, § 78c Abs. 3
Satz 2 StGB). Der Senat vermag sich der Auffassung des Tatrichters, die
Verjährung sei durch Art. 315a Abs. 2 EGStGB (i.d.F. des 2. und
3. Verjährungsgesetzes) gehemmt worden, für die zur
Tatzeit in der Bundesrepublik
Deutschland ansässigen und allein hier handelnden
Beschwerdeführer
nicht anzuschließen.
a) Allerdings konnte sich der Tatrichter darauf berufen, daß
der Senat
eine Teilverjährung gegen die in der DDR als Besteller
handelnden Mittäter
der Angeklagten unter Berufung auf jene Hemmungsnorm verneint
hatte (BGH wistra 1999, 299) und diese Rechtsauffassung bereits der
umfassenden
Verwerfung einer Revision des - ebenfalls von der DDR aus als
Mittäter handelnden - Leiters des Bereichs
„KoKo” gegen eine entsprechende
Verurteilung (Senatsbeschluß vom 29. März 1999 - 5
StR 97/99 -) zugrunde
gelegt hatte.
Diese Auslegung des Art. 315a Abs. 2 EGStGB war, wie vom
Tatrichter zutreffend interpretiert, am Normzweck orientiert. Sie hatte
zum
einen die vom Staat DDR maßgeblich veranlaßte
Organisation - und eine
damit verbundene gewisse politische Motivation - der geahndeten
Verstöße
im Blick, die dadurch „SED-Unrechtstaten”
ähneln. Zum anderen bestanden
nach Aufdeckung der Taten infolge der deutschen Einheit bei ihrer
Ermittlung
und Verfolgung vergleichbare organisatorische Schwierigkeiten wie in
Fällen
der „Vereinigungskriminalität”, auf die
mit der Regelung über die Verjährungshemmung
ebenfalls Rücksicht genommen werden sollte (vgl.
Jähnke in
LK 11. Aufl. § 78c Rdn. 41). Beide Aspekte erfassen
primär Täter, die vom
Boden der DDR aus gehandelt haben. Der Ort ihres unmittelbaren Handelns
- 4 -
- die DDR - konnte als maßgebliches Kriterium für
eine Anwendung des
Art. 315a Abs. 2 EGStGB herangezogen werden.
b) Ein „Tatort” (im Sinne des § 9 StGB) in
der DDR, nach deren
Recht jene Embargoverstöße
selbstverständlich nicht strafbar waren, war
hiermit indes nicht verbunden (vgl. BGHSt 43, 129, 140). Auf eine
hieran orientierte
Gleichbehandlung aller Mittäter, von denen jeder den durch
einen
einzelnen Mittäter begründeten Tatort auch gegen sich
gelten lassen muß
(vgl. Gribbohm in LK 11. Aufl. § 9 Rdn. 45), kann mithin nicht
unmittelbar abgestellt
werden. Eine Besserstellung ausschließlich in der
Bundesrepublik
aktiv gewordener Mittäter von Vergehen nach dem MRG Nr. 53 in
der Verjährungsfrage
im Vergleich zu allein vom Boden der DDR agierenden Mittätern
ist daher nicht von vornherein ausgeschlossen; sie erweist sich vielmehr
als sachgerecht. Der Senat vermag der - auf den ersten Blick keineswegs
fernliegenden - gegenteiligen Schlußfolgerung des Tatrichters
aus den Senatsentscheidungen
zur Verjährungshemmung letztlich nicht zu folgen.
Vermieden wird damit eine abermalig erweiternde Auslegung der
Vorschrift über die Hemmung der Verjährung.
Angesichts der von vornherein
gegebenen „klassischen”
Zugriffsmöglichkeiten der Strafjustiz der Bundesrepublik
Deutschland auf dort agierende Täter und der damit
für diese verbundenen
Risiken stellen sich die infolge der deutschen Einheit eingetretenen
effektiveren Aufdeckungschancen bei diesem Täterkreis - anders
als bei den
vom Boden der DDR aus zuvor effektiv ungefährdeten
Tätern - eher als zufällig
dar; dies rechtfertigt die abweichende, in der
Verjährungsfrage günstigere
Behandlung von Bürgern der Bundesrepublik Deutschland. Sie
geht im
übrigen einher mit einer strengeren Ahndung diesen
angelasteter Embargoverstöße
im Vergleich zu entsprechenden Verstößen von
Bürgern der DDR;
nur diesen kommt eine eingeschränkte Auslegung des
Anwendungsbereichs
des MRG Nr. 53 zugute (vgl. BGHSt 43, 129 gegenüber BGHSt 42,
113).
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c) Nach alledem hält der Senat Art. 315a Abs. 2 EGStGB auf die
Beschwerdeführer
nicht für anwendbar. Dies zieht die Aufhebung des angefochtenen
Urteils und die Einstellung des Verfahrens nach sich.
Harms Häger Basdorf
Gerhardt Raum |