BGH,
Beschl. v. 10.1.2006 - 1 StR 533/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 533/05
vom 10.1.2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10.01.2006 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 28. Juli 2005 wird verworfen. Der
Beschwerdeführer trägt die Kosten seines
Rechtsmittels. Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten
wegen versuchter Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion zu
einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und seine
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine
auf die Sachrüge gestützte Revision hat keinen
Erfolg. 1
1. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen den
Schuldspruch. Am 2. Weihnachtsfeiertag des Jahres 2004 trennte sich die
Lebensgefährtin des Angeklagten von ihm und zog unter Mitnahme
der Haustiere, einem Hund und einer Katze, zu ihrer Tochter. Der
Angeklagte, der sich selbst als schwer krebskrank bezeichnet, litt in
der Folgezeit unter einem ausgeprägten depressiven Syndrom und
nahm erheblich Alkohol zu sich. Im Januar 2005 versuchte der Angeklagte
sich mittels einer Gasexplosion das Leben zu nehmen, was misslang. Er
öffnete im Hobbykeller des Doppelhauses das Ventil einer
Gasflasche und versuchte, das entstandene Gas-Luft-Gemisch mit einem
Feuerzeug zu entzünden. Entgegen seiner Erwartung kam es
jedoch nicht zu einer 2
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Explosion, sondern nur zu einer Verpuffung und zu einer Stichflamme,
welche den Angeklagten am Kopf verletzte. Mit der Tat wollte sich der
Angeklagte auch an seiner Lebensgefährtin, die zum
Tatzeitpunkt Eigentümerin des Hauses war und inzwischen
verstorben ist, rächen.
2. Auch die Strafzumessung hält rechtlicher
Überprüfung stand. Das Landgericht hat zu Gunsten des
Angeklagten maßgeblich gewertet, dass er im Zustand erheblich
verminderter Schuldfähigkeit gehandelt hat und sich in einer
ausweglosen persönlichen Situation befand. Mit der Wendung,
der Angeklagte habe in erheblicher Gefährdungsgeneigtheit
sowie auch aus Rache gehandelt, hat die Strafkammer nachvollziehbar
erwogen, dass sich seine Handlung nicht nur gegen sich selbst gerichtet
hat. Maßgeblich für die Bemessung der Strafe war,
dass aufgrund der Handlung des Angeklagten auch für die andere
Doppelhaushälfte eine konkrete Gefahr bestand. Die
Entscheidung über die nicht erfolgte Aussetzung der Strafe zur
Bewährung liegt im Rahmen tatrichterlichen Ermessens. Solange
der Angeklagte keine Krankheitseinsicht hat, fehlt es schon an einer
positiven Kriminalprognose. In diesem Lichte hat die Strafkammer der
Tatsache, dass der Angeklagte bereits 71 Jahre alt ist, nicht das
Gewicht besonderer Umstände beigemessen. Das ist hinzunehmen.
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3. Schließlich ist im Ergebnis die Unterbringung nach
§ 63 StGB nicht zu beanstanden. Der Sachverständige
Dr. H. hat die Diagnose gestellt, der Angeklagte leide an einer
mittelgradigen Depression im Übergang zu einer schweren
Depression; auch habe eine CT-Untersuchung eine „grenzwertige
frontale Hirnsubstanzminderung“ ergeben. Bei begleitender
Alkoholisierung, die der Sachverständige auf 2 o/oo zum
Tatzeitpunkt errechnet hat, ist die Strafkammer zu dem Ergebnis
gelangt, beim Angeklagten sei das Eingangsmerkmal einer krankhaften
seelischen Störung nach § 20 StGB erfüllt,
die zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit
im Sinne von § 21 StGB bei 4
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Begehung der Tat geführt habe. Da die depressive Symptomatik
sich bereits chronifiziert habe, liege ein Zustand vor, der die
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus notwendig mache. Die
sachverständig beratene Kammer ist davon überzeugt,
dass aufgrund dieses Zustandes „beträchtliche
Risiken für vergleichbare fremd- und eigenaggressive
Handlungen“ bestünden. Da der Angeklagte
krankheitsuneinsichtig sei, sei eine Behandlung in einem
psychiatrischen Krankenhaus notwendig. Der Revision ist zuzugeben, dass
die Auseinandersetzung mit dem psychiatrischen Gutachten und der vom
Sachverständigen erstellten Diagnose einer mittelgradigen
depressiven Episode nach ICD-10 F 32.1 und die Beantwortung der
Rechtsfrage der erheblichen Einschränkung der
Steuerungsfähigkeit sehr knapp ausgefallen sind, zumal die
Kammer an anderer Stelle der Urteilsgründe vom Vorliegen einer
akzentuierten Persönlichkeitsstörung spricht. Wie der
Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, liegt darin
jedoch nur ein Fassungsversehen. Den Urteilsgründen ist im
Übrigen ausreichend zu entnehmen, dass der Angeklagte seelisch
erkrankt ist. Die Störung ist nach den gesamten
Umständen so schwer, dass aus erfahrungswissenschaftlicher
Sicht die Voraussetzungen für eine erhebliche
Einschränkung der Steuerungsfähigkeit vorliegen (vgl.
Nedopil, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 135). Für das
Vorliegen nicht nur eines gegen sich selbst, sondern auch gegen die
Allgemeinheit gerichteten aggressiven Potentials, das bei
unveränderter auswegloser Lage sowie ohne Behandlung mit hoher
Wahrscheinlichkeit zu vergleichbaren erheblichen Taten führen
kann, spricht das gesamte Tatbild. 5
4. Eine Aussetzung der Maßregel nach § 67b Abs. 1
Satz 1 StGB kam nicht in Betracht, weil der Angeklagte bisher nicht
krankheitseinsichtig ist und auch die gleichzeitig verhängte
Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt 6
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worden ist (§ 67b Abs. 1 Satz 2 StGB). Der Senat weist jedoch
darauf hin, dass bei dem 71 Jahre alten, nicht vorbestraften
Angeklagten auf eine möglichst zeitnahe
Überprüfung der Unterbringung nach § 67e
StGB hingewirkt werden sollte, sobald die notwendigen
Behandlungsmaßnahmen gegriffen haben.
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