BGH,
Beschl. v. 10.1.2006 - 5 StR 341/05
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
StGB § 211 StPO §§ 136, 137
1. Das Motiv der "Blutrache" ist regelmäßig als
niedriger Beweggrund anzusehen. Eine Ausnahme kann gelten, wenn dem
Täter seinerseits durch das Opfer mit der Tötung
eines nahen Angehörigen erhebliches Leid zugefügt
wurde, das ihn zur Tatzeit noch gravierend belastete.
2. Zur Problematik wiederholten Nachfragens bei einem unverteidigten
Angeklagten, der sich auf sein Schweigerecht beruft und seine
Aussagebereitschaft von einer vorherigen Besprechung mit seinem
Verteidiger abhängig macht. BGH, Beschluss vom 10.01.2006 - 5
StR 341/05 - LG Göttingen -
5 StR 341/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 10.01.2006
in der Strafsache
gegen 1. 2. 3.
wegen Mordes u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10.01.2006 beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten B und Han G wird das Urteil des
Landgerichts Göttingen vom 18. Januar 2005 nach § 349
Abs. 4 StPO a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, aa)
dass der Angeklagte B G wegen Totschlags und bb) die Angeklagte Han G
im Fall A II 4 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum Totschlag
verurteilt ist, b) im Strafausspruch betreffend dieser Angeklagten
aufgehoben; hiervon ausgenommen ist die gegen Han G im Fall A II 5 der
Urteilsgründe (Waffendelikt) verhängte
Einzelfreiheitsstrafe. 2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten
B und Han G sowie die Revision des Angeklagten Has G gegen das genannte
Urteil werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet
verworfen. 3. Der Angeklagte Has G trägt die Kosten seines
Rechtsmittels und die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen der
Nebenkläger.
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4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der
Angeklagten B und Han G , an eine andere Schwurgerichtskammer des
Landgerichts zurückverwiesen. G r ü n d e Das
Schwurgericht hat die Angeklagten B G und Has G jeweils wegen
(gemeinschaftlichen) Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe
verurteilt. Gegen die Angeklagte Han G hat es wegen Beihilfe zum Mord
und wegen unerlaubten Besitzes und Führens einer
halbautomatischen Kurzwaffe eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren
und zwei Monaten verhängt (Einzelfreiheitsstrafen: sechs
Jahre, sechs Monate). Zudem sind ein PKW und verschiedene Waffenteile
eingezogen worden; den Angeklagten B und Has G ist jeweils die
Fahrerlaubnis - bei einer Sperrfrist von zwei Jahren - entzogen worden.
Die Revisionen der Angeklagten B und Han G haben den aus dem Tenor
ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel
dieser Angeklagten ebenso unbegründet (§ 349 Abs. 2
StPO) wie die Revision des Angeklagten Has G insgesamt. I. Das
Schwurgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Ursprung des
abgeurteilten Geschehens, der Tötung des H K im Sommer 2003,
war ein bislang ungesühntes Tötungsdelikt an Ham G ,
Ehemann der Han G , Vater des B G und Onkel des Has G . Ham G war im
Sommer 1998 nach einer erfolgreichen Versöhnung zwischen den
Familien K und G hinterrücks in seinem Auto
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erschossen worden, als er gerade - herzlich verabschiedet - vom Haus
des H K aufbrach. Zum Tatort war Ham G im Anschluss an das eigentliche
Versöhnungstreffen, bei dem das geistliche Oberhaupt der in
Deutschland ansässigen Y mitwirkte, zu deren
Religionsgemeinschaft beide aus dem türkischen Kurdengebiet
stammenden Familien gehören, nur auf den
nachdrücklichen Wunsch des H K gekommen. Die Angeklagten
vermuteten deshalb, dieser sei der eigentliche Drahtzieher der aus
ihrer Sicht besonders niederträchtigen Tötung ihres
Verwandten. Diese Tat ist bis heute von der saarländischen
Justiz noch nicht aufgeklärt. Nachdem zunächst ein -
offensichtlich bewusst vorgeschickter - Jugendlicher die Tat zu Unrecht
auf sich genommen hatte und freigesprochen wurde, ist die Sache nach
neuerlicher Eröffnung des Hauptverfahrens im Mai 2001 gegen
andere Mitglieder der Familie K (darunter allerdings nicht H K ) bis
zur Verkündung des angegriffenen Urteils noch nicht terminiert
worden. Die als Nebenkläger an jenem Verfahren beteiligten
Angehörigen des Getöteten Ham G waren über
die fehlende Sühne der Tat zunehmend enttäuscht und
fühlten sich von den Behörden im Stich gelassen. H K
lebte seit der Tötung Ham G s mit seiner Familie in steter
Furcht vor Racheakten der Familie G : Er wandte sich aus Angst vor
Nachstellungen wiederholt an die Polizei, legte dort Aufzeichnungen
über eingegangene Drohanrufe vor, beanspruchte Polizeischutz,
veräußerte schließlich alsbald nach der
Tötung Ham G s seinen Betrieb und siedelte aus
Sicherheitsgründen vom Saarland in den Raum Göttingen
um. Dort fühlte er sich jedoch ebenfalls beobachtet und
verfolgt; er ließ häufig Kennzeichen fremder
Fahrzeuge von der Polizei überprüfen und erstattete
Anzeige, wenn unbekannte Personen nach seiner Auffassung sein Haus
beobachteten. Letztmalig berichtete H K seiner Familie aufgeregt zwei
bis drei Wochen vor seiner Tötung, dass ihm ein Fahrzeug mit
auffälligem Kennzeichen entgegengekommen sei; den PKW ordnete
er der Familie G zu.
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Am Tattag wurde H K unmittelbar vor dem eigentlichen Tatgeschehen auf
der gesamten Fahrt in seinem PKW von einem Göttinger
Krankenhaus, wo er seine Ehefrau besucht hatte, zu seinem Wohnhaus in
Reinhausen von den Angeklagten im PKW des Has G verfolgt; B G steuerte
dieses Fahrzeug. Aufgrund von Angaben zuvor besuchter Bekannter
wähnten die Angeklagten H K auf einem mehrtägigen
Besuch in einer anderen Stadt; sie wollten diese Gelegenheit dazu
nutzen, die Ehefrau H K s bei einem Krankenhausbesuch durch Han G
über den Hintergrund der Tötung Ham G s auszuhorchen.
Am Krankenhaus erkannten die Angeklagten zufällig den ihnen
verhassten H K ; sie entschlossen sich spontan, die günstige
Gelegenheit zu seiner Verfolgung und Tötung zu nutzen. G K ,
der neunjährige Sohn H K s, der den Vater zusammen mit dessen
fünfjähriger Enkelin zu dem Krankenbesuch der Mutter
begleitet hatte, machte seinen Vater auf der Rückfahrt
mehrfach auf ein ihnen folgendes Fahrzeug aufmerksam. Er wies auch
darauf hin, dass der verfolgende PKW sogar rote Ampeln
überfahre, um hinter ihnen zu bleiben. H K ließ
seine beiden Kinder direkt vor der Tür seines Hauses
aussteigen und parkte seinen PKW nach einem Wendemanöver auf
der gegenüberliegenden Straßenseite. Noch
während er sich im Fahrzeug befand, wurde er aus dem PKW der
Angeklagten heraus von Has G erschossen. Dieser saß auf der
Beifahrerseite; hinter ihm saß die Angeklagte Han G .
Aufgrund mehrerer Zeugenaussagen wurden die Angeklagten nach kurzer
Flucht zeitnah zur Tat festgenommen. Während sie die
eigentliche Tatwaffe zerlegt aus dem Fenster geworfen hatten, verbarg
Han G bei ihrer Festnahme am Körper eine weitere scharfe
Pistole ihres Sohnes B . Das Landgericht hat die Tötung H K s
als gemeinschaftlichen heimtückischen Mord aus niedrigen
Beweggründen bewertet; die Angeklagten hätten aus dem
Motiv der „Blutrache“ gehandelt, was auf moralisch
tiefster Stufe stehe.
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II. Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg, während
die Sachrügen zum Wegfall des Mordmerkmals der
Heimtücke bei allen Angeklagten und zusätzlich des
Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe bei B und Han G
führen. 1. Zu den verfahrensrechtlichen Beanstandungen sieht
der Senat über die Ausführungen des
Generalbundesanwalts hinaus Anlass zu folgenden Bemerkungen: a) Die
Rüge, bei der Vernehmung des neunjährigen Zeugen G K
über die von ihm wahrgenommenen Umstände der
Tötung seines Vaters H K hätten die nach §
247 Satz 2 Alt. 1 StPO ausgeschlossenen Angeklagten wieder zugelassen
werden müssen, weil dies der Zeuge gewünscht habe,
geht fehl. Über die Frage, ob von der Vernehmung in
Anwesenheit der Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das
Wohl eines kindlichen Zeugen zu befürchten ist, hat das
Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, nicht der
kindliche Zeuge zu entscheiden. Rechtsfehler lässt die
Entscheidung des Landgerichts nicht erkennen. Dass das Schwurgericht
den Angeklagten nicht die Möglichkeit eingeräumt hat,
die Vernehmung durch eine Videosimultanübertragung
mitzuverfolgen (vgl. hierzu BGHR StPO § 247 Abwesenheit 25;
Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 247 Rdn. 14a; jeweils
m.w.N.), berührt nicht den geltend gemachten absoluten
Revisionsgrund, sondern die Pflicht zur Unterrichtung der aus der
Hauptverhandlung entfernten Angeklagten. Auch insoweit wäre
schon in Ermangelung eines in der Hauptverhandlung gestellten
entsprechenden Antrags revisionsgerichtlich nichts zu erinnern. b) Im
Ansatz zutreffend rügen die Beschwerdeführer einzelne
Verhaltensweisen von Ermittlungsbeamten bei der Befragung des
Angeklagten B G als Beschuldigter im Ermittlungsverfahren.
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aa) Nach den Feststellungen des Schwurgerichts erklärte B G
wiederholt, keine Angaben zur Sache machen, sondern zunächst
einen Verteidiger konsultieren zu wollen. Gleichwohl
äußerte er sich bis zu seiner Vorführung in
drei verschiedenen Situationen gegenüber drei Polizeibeamten
zu einzelnen Sachverhaltsfragen: Zum einen kam es zu einer
Spontanäußerung über Schmauchspuren und zu
der bei seiner Mutter gefundenen Pistole im Rahmen der
erkennungsdienstlichen Behandlung. Im weiteren Verlauf der Nacht
erklärte B G gegenüber dem Polizeibeamten KOK Ku nach
erfolgter erneuter Belehrung, er wolle keine Aussage machen, es sei
denn, sein Anwalt würde ihm dies empfehlen. Nachdem KOK Ku des
ungeachtet fragte, ob sie während weiterer Wartezeit
„miteinander sprechen“ könnten,
erklärte sich B G bereit, sich mit dem Zeugen zu unterhalten,
und berichtete anschließend von seinen persönlichen
Verhältnissen und der Vorgeschichte der Tat. Der Zeuge Ku
fragte nun nach, ob B G jetzt doch etwas zur Tat sagen wolle. Dieser
wiederholte, dass er zur Tat selbst nichts sagen wolle,
erklärte aber, dass „getan wurde, was getan werden
musste“. Zudem wiederholte B G seine spontanen
anfänglichen Angaben zu der bei seiner Mutter gefundenen
Waffe. Auf die ihm aktuell überbrachte neue Information, dass
diese Waffe tatsächlich nicht die Tatwaffe sein konnte, fragte
der Zeuge Ku den Angeklagten B G nach dem Verbleib der Tatwaffe und
betonte dabei eine mögliche Gefährdung spielender
Kinder. B G machte dazu deutlich, dass er zu diesem Punkt nichts sagen
wolle. Auf weitere Fragen des Zeugen Ku zur Fahrstrecke von Reinhausen
bis zur Festnahme machte B G hierzu Angaben. Deren förmliche
Protokollierung lehnte er indes ab; statt dessen bat er darum, dass ein
namentlich benannter Verteidiger von seiner Festnahme informiert werden
sollte. Diese Bitte erfüllte der Zeuge Ku in der Folgezeit
nicht.
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Am Morgen des Folgetages sollte B G von dem Zeugen KK Be der
Haftrichterin vorgeführt werden. Der Zeuge wusste, dass der
Angeklagte B G noch ohne Kontakt zu dem benannten Verteidiger gewesen
war und keine Angaben machen wollte. Gleichwohl suchte KK Be
während der Wartezeit das Gespräch mit ihm. B G
machte anschließend erneut Angaben zu seinen
Lebensumständen und zur Vorgeschichte der Tat;
schließlich erklärte er noch, dass H K
ständig mit einem Anschlag auf sein Leben habe rechnen
müssen, weil er angerufen und ihm die Möglichkeit
eröffnet worden sei, er solle sich selbst
erschießen. Vor der Haftrichterin schwieg B G wie auch in der
Folgezeit. Erst gegen Ende der Hauptverhandlung hat er sich in einer
vorbereitenden Erklärung leugnend zur Sache eingelassen und -
wie der Angeklagte Has G - die Tötung einem nicht benannten
vierten Familienmitglied angelastet. bb) Bedenklich erscheint bereits
die Frage an B G , ob man nicht „miteinander
sprechen“ könne, nachdem sich der Angeklagte gerade
nach Belehrung ausdrücklich auf sein Schweigerecht berufen und
eventuelle Äußerungen von der vorherigen
Konsultation eines Verteidigers abhängig gemacht hatte. Durch
dieses Verhalten könnte bei einem Beschuldigten der
fehlerhafte Eindruck hervorgerufen werden (vgl. auch § 136a
Abs. 1 Satz 1 StPO), ein solches bloßes
„Gespräch“ unterscheide sich in seiner
Verwertbarkeit von einer „förmlichen“
Vernehmung. Dass B G tatsächlich nicht in dieser Weise
getäuscht wurde, ergibt sich indes aus seinem differenzierten
Aussageverhalten; nach wie vor unterschied er genau, zu welchen Themen
er etwas sagen wollte (insbesondere Tatvorgeschichte) und zu welchen
nicht (konkrete Tatumstände). Darüber hinaus kann
stetiges Nachfragen ohne zureichenden Grund das Schweigerecht des
unverteidigten Beschuldigten entwerten. Nachfragen sind nach
ausdrücklicher Ausübung des Schweigerechts zwar dann
gänzlich
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unproblematisch, wenn - wie hier hinsichtlich der Tatwaffe und der
davon ausgehenden Fremdgefährdung - neue Informationen erlangt
werden, zu denen sich der Beschuldigte noch nicht positionieren konnte,
eine neue prozessuale Situation eingetreten oder eine gewisse
Zeitspanne verstrichen ist, in denen sich die Auffassung des
Beschuldigten geändert haben kann. Jenseits solcher neuer
Umstände oder eines möglichen Sinneswandels darf das
Schweigerecht jedenfalls bei einem unverteidigten Beschuldigten nicht
dadurch missachtet werden, dass beständig auf verschiedenen
Wegen versucht wird, den Beschuldigten doch noch zu Angaben in der
Sache zu bringen. cc) Erst recht bedenklich sind beharrliche Nachfragen
gegenüber einem Beschuldigten, der sich zur Frage einer
Aussage zunächst mit einem von ihm benannten Verteidiger
besprechen und bis dahin schweigen will, wenn die Benachrichtigung
dieses Verteidigers unterbleibt. Zwar sieht der Senat auch in
Konstellationen wie der vorliegenden keinen Anlass für ein
Innehalten mit einer Vernehmung des Beschuldigten bis zur Bestellung
eines Pflichtverteidigers (vgl. BGHSt 47, 233, 235 ff.; vgl. aber auch
BGHSt 47, 172, 176 ff.; BGH, Beschl. vom 18. und 19. Oktober 2005 - 1
StR 114/05 und 117/05). Der Wunsch des Beschuldigten nach
Rücksprache mit seinem Verteidiger zur Erörterung der
Frage, ob eine Einlassung erfolgen soll oder nicht, darf aber nicht
durch ständige Nachfrage missachtet werden, ohne dass dem
Wunsch nach Benachrichtigung eines benannten Verteidigers zuvor
nachgekommen wird. Die Besprechung mit einem Verteidiger soll dem
Beschuldigten die Möglichkeit eröffnen, sich in der
für seine Verteidigung höchst bedeutsamen Frage, ob
er aussagen will oder nicht, mit einem Verteidiger zu beraten (BGHSt
38, 372, 373). Bittet ein Beschuldigter, der seine Aussagebereitschaft
an die vorherige Konsultation eines Verteidigers knüpft,
ausdrücklich um Benachrichtigung eines benannten Verteidigers,
darf nicht weiter in den Beschuldigten gedrungen werden, wenn die
erbetene Benachrichtigung nicht erfolgt (vgl. auch BGHSt 42, 15,
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19; 38, 372, 373 einerseits, BGHSt 42, 170, 171 f. andererseits). Das
Schweigerecht des Beschuldigten würde missachtet, wenn - wie
hier vor dem Haftrichtertermin - ein benannter Verteidiger nicht
informiert, sondern stattdessen ein Beschuldigter ohne
ergänzende Hinweise weiter befragt wird, obgleich er zuvor
ausdrücklich erklärt hat, er wolle ohne vorherige
Konsultation seines Verteidigers nichts sagen. dd) Ob das danach im
Ausgangspunkt zu Recht beanstandete Vorgehen der Ermittlungsbeamten
nach entsprechendem Widerspruch in der Hauptverhandlung angesichts der
differenzierten Reaktionen des befragten Beschuldigten, die
für eine zutreffende Einschätzung der Verwertbarkeit
seiner Äußerungen sprechen, zu einem
Verwertungsverbot hinsichtlich der auf diese Weise erlangten Angaben
führen würde und ob sich hierauf gegebenenfalls auch
Mitbeschuldigte berufen könnten (vgl. dazu BGHR StPO
§ 136 Belehrung 5; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl.
§ 136 Rdn. 20 m.w.N.), kann letztlich offen bleiben. Der Senat
kann ausschließen, dass das Urteil auf diesen Angaben B G s
im Ermittlungsverfahren beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Die
Angaben B G s hat das Schwurgericht lediglich an solchen Stellen der
Beweisführung verwertet, die nichts mit der eigentlichen
Tatbegehung zu tun haben oder in anderer Weise von B G oder anderen
Zeugen hinreichend bestätigt wurden. Dass H K vom neben ihm
sitzenden Beifahrer erschossen wurde, als B G den PKW seines Cousins
führte, hat B G in der Hauptverhandlung selbst zugegeben.
Diese Aussage korrespondiert mit weiteren Zeugenaussagen. Zur
Widerlegung der gegen Ende der Hauptverhandlung erstmals vorgebrachten
wenig detailreichen Angaben B und Has G s zu einem angeblichen vierten
Familienmitglied, das unvorhersehbar spontan und ohne Billigung der
übrigen Fahrzeuginsassen H K erschossen habe, und zur
Überzeugungsbildung von der gemeinschaftlichen Tötung
H K s unter Beteiligung von Han G hat das Schwurgericht nicht auf die
Angaben
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B G s im Ermittlungsverfahren, sondern auf mehrere Aussagen
geschehensnaher Zeugen, das Spurenbild im PKW der Angeklagten, ihre
Einlassungen in der Hauptverhandlung zum Tatgeschehen und die
Feststellungen zur tatnahen Festnahme zurückgegriffen. Dass
die bei seiner Mutter gefundene Pistole ihm gehört, hat B G
auch in seiner Einlassung in der Hauptverhandlung angegeben. Die
weiteren Angaben B G s zur Vorgeschichte der Tat, zu seinen
persönlichen Verhältnissen und zur Fahrstrecke waren,
soweit die entsprechenden Feststellungen die Angeklagten
überhaupt be- und nicht entlasten, angesichts weiterer
Beweismittel für die Beweiswürdigung ersichtlich
entbehrlich. 2. Die Sachrüge führt zur Aufhebung des
Mordmerkmals der Heimtücke bei allen Angeklagten und zur
Aufhebung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe bei den
Angeklagten B und Han G . a) Die Feststellungen des Schwurgerichts
belegen eine heimtückische Tötung nicht. aa) Nach
ständiger Rechtsprechung handelt heimtückisch, wer in
feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers
bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist der
Getötete dann, wenn er nicht mit einem gegen seine
körperliche Unversehrtheit gerichteten erheblichen, gar mit
einem lebensbedrohlichen Angriff rechnet. Diese Arglosigkeit kann aus
unterschiedlichen Gründen entfallen. Maßgeblich sind
jeweils die Umstände des konkreten Falles (vgl. BGHSt 48, 207,
210 m.w.N.). Heimtückisch handelt nur, wer die Arg- und
Wehrlosigkeit des Opfers zur Tat ausnutzt. Voraussetzung
hierfür ist, dass der Täter sich bewusst ist, einen
ahnungs- und schutzlosen Menschen zu überraschen, und dass er
diese Situation in ihrer Bedeutung für die
Tatausführung erkennt und nutzt (vgl. BGHR StGB § 211
Abs. 2 Heimtücke 11).
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bb) Nach diesen Kriterien hält die Annahme einer
heimtückischen Tötung revisionsgerichtlicher
Überprüfung nicht stand: H K rechnete seit geraumer
Zeit ernsthaft und begründet mit einem Anschlag auf sein
Leben. Deshalb hatte er seine Firma mit Verlust verkauft und war in ein
anderes Bundesland umgezogen. Auch noch kurz vor der Tat war er stets
misstrauisch und besorgt, wenn ihm in seiner Wohnumgebung fremde
Fahrzeuge auffielen. Vor diesem ganz besonderen Hintergrund - einer
wesentliche Teile des Lebens bestimmenden jahrelangen Angst vor einem
tödlichen Anschlag - durfte sich das Landgericht hinsichtlich
der festgestellten wiederholten und eindrücklichen Warnungen H
K s durch seinen Sohn vor der Verfolgung durch einen fremden PKW
unmittelbar vor der Tat nicht mit der Erwägung
begnügen, aus seinen beschwichtigenden
Äußerungen gegenüber seinem Sohn G ergebe
sich, dass er selbst arglos gewesen sei. Denn dabei hat das
Schwurgericht die nahe liegende Möglichkeit außer
Acht gelassen (vgl. hierzu BGHSt 25, 365, 367), dass solche
Beschwichtigungen gegenüber Kindern gerade auch von
tatsächlich besorgten Eltern geäußert
werden können, die ihre Kinder damit lediglich in Sicherheit
wiegen und beruhigen wollen (vgl. Mosbacher NStZ 2005, 690, 691). In
diesem Zusammenhang blieb zudem die Aussage G K s
unberücksichtigt, wonach sein Vater mit erheblicher
Geschwindigkeit unmittelbar vor die Haustür gefahren sei, um
dort zunächst die Kinder mit der Aufforderung aussteigen zu
lassen, schnell ins Haus zu laufen (UA S. 153); dies spricht
dafür, dass H K die Kinder deshalb in Sicherheit bringen
wollte, weil er die Gefahr erkannt hatte. Bei Berücksichtigung
dieser vom Schwurgericht vernachlässigten gewichtigen
Umstände, die gegen die Annahme von Arglosigkeit sprechen,
vermögen die tatrichterlichen Feststellungen zum Verhalten des
Opfers unmittelbar vor Abgabe der tödlichen Schüsse -
Abstellen des Fahrzeugs und Abziehen des Fahrzeugschlüssels -
alleine die Annahme von Heimtücke nicht tragfähig zu
belegen; solches Verhalten kann unter Berücksichtigung
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der besonderen Umstände des vorliegenden Falls auch als nicht
besonders überlegtes, eher kopfloses Verhalten eines
angstbesetzten Verfolgten gesehen werden. Abgesehen davon ist auch die
subjektive Seite einer heimtückischen Tötung nicht
rechtsfehlerfrei belegt. Die Angeklagten können nach den
Feststellungen zu ihrer spontanen Verfolgungsfahrt vom Krankenhaus bis
zum Wohnhaus ihres Opfers angesichts der Drohungen im Vorfeld kaum
davon ausgegangen sein, dass diese Verfolgung unbemerkt und H K arglos
geblieben ist. Der Senat schließt angesichts der
Gegebenheiten des vorliegenden Falls aus, dass weitergehende
Feststellungen möglich sind, die zur tragfähigen
Annahme von Heimtücke führen könnten; dieses
Mordmerkmal hat demnach zu entfallen. b) Bei den Angeklagten B und Han
G begegnet auch die Annahme niedriger Beweggründe auf der
Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen durchgreifenden
Bedenken. Der Verweis des Schwurgerichts auf das als niedrig zu
bewertende Motiv der „Blutrache“ greift bei diesen
Angeklagten zu kurz aa) Die Beurteilung der Frage, ob
Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind, also
nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin
in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als
verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, hat
aufgrund einer Gesamtwürdigung aller
äußeren und inneren für die
Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren
zu erfolgen. Dabei ist der Maßstab für die Bewertung
eines Beweggrundes den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der
Bundesrepublik Deutschland und nicht den Anschauungen einer
Volksgruppe, die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser
Rechtsgemeinschaft
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nicht anerkennt, zu entnehmen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2
niedrige Beweggründe 41 m.w.N.; Tröndle/Fischer, StGB
53. Aufl. § 211 Rdn. 14 ff.). Gefühlsregungen wie
Wut, Zorn, Ärger, Hass und Rachsucht kommen nur dann als
niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf
niedrigen Beweggründen beruhen, also nicht menschlich
verständlich, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des
Täters sind (st. Rspr., vgl. nur BGHR StGB § 211 Abs.
2 niedrige Beweggründe 16, 22, 23, 28, 30, 36; BGH NStZ 1995,
181; BGH StV 2001, 228, 229). Beruhen diese tatauslösenden und
tatbestimmenden Gefühlsregungen dagegen auf dem (berechtigten)
Gefühl erlittenen schweren Unrechts und entbehren sie damit
nicht eines beachtlichen, jedenfalls einleuchtenden Grundes, spricht
dies gegen eine Bewertung als „niedrig“ im Sinne
der Mordqualifikation (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige
Beweggründe 18, 30, 32). Schwerwiegende Kränkungen
durch das Opfer, die das Gemüt des Betroffenen immer wieder
heftig bewegen, können sogar im Fall heimtückischer
Tötung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe
unangebracht sein lassen (vgl. Großer Senat BGHSt 30, 105,
119; BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7). bb) Eine
Tötung aus dem Motiv der „Blutrache“ ist
in aller Regel deshalb als besonders verwerflich und sozial
rücksichtslos anzusehen, weil sich der Täter dabei
seiner persönlichen Ehre und der Familienehre wegen gleichsam
als Vollstrecker eines von ihm und seiner Familie gefällten
Todesurteils über die Rechtsordnung und einen anderen Menschen
erhebt (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe
29; Nehm in Festschrift für Albin Eser 2005 S. 419, 422 ff.;
vgl. zu Tötungen aus „Blutrache“ auch BGH,
Urt. vom 28. August 1979 - 1 StR 282/79; BGH, StV 1998, 130; BGH, Urt.
vom 24. Juni 1998 - 3 StR 219/98; BGH, Beschl. vom 23. März
2004 - 4 StR 466/03 und 9/04). Ein niedriger Beweggrund wird in aller
Regel in denjenigen Fällen von „Blutrache“
ohne weiteres anzunehmen sein, in denen allein die Verletzung eines
Ehrenkodex als todeswürdig angesehen wird oder in denen ein
Angehöriger einer Sippe als Vergeltung für das
Verhalten eines anderen
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Sippenangehörigen, an dem ihn keine persönliche
Schuld trifft, getötet wird. Auch die Tötung als
Vergeltung für ein als ehrenwidrig bewertetes Verhalten, das
indes seinerseits nicht in der Tötung oder zumindest schweren
Verletzung einer anderen Person bestand, wird
regelmäßig als niedrig zu bewerten sein. Eine
differenzierte Betrachtung ist hingegen insbesondere dann geboten, wenn
mit der „Blutrache“ - wie hier - Vergeltung an
jemandem geübt wird, der seinerseits nachvollziehbar als
schuldig an der Tötung eines anderen Menschen erachtet wird.
Allgemein darf die Bezeichnung eines Motivs als
„Blutrache“ nämlich nicht die notwendige
differenzierte Betrachtung des tatsächlichen Geschehens
ersetzen (vgl. Nehm in Festschrift für Albin Eser 2005 S. 419,
424). Bei allgemein motivierten Tötungsantrieben wie Wut,
Zorn, Hass oder Verzweiflung kann die Gefahr bestehen, dass sie
fälschlich einer mit Selbstverständlichkeit als
niedrig zu bewertenden Blutrache zugeordnet werden, obgleich die
Niedrigkeit am Maßstab der inländischen Werteordnung
zu verneinen wäre (vgl. Nehm aaO). Gerade bei dem Verlust
naher Angehöriger durch eine Gewalttat sind rachemotivierte
Tötungen nicht ohne weiteres als Mord aus niedrigen
Beweggründen zu bewerten (BGH, Urt. vom 28. August 1979 - 1
StR 282/79; BGH StV 1998, 130; vgl. aber auch Schneider in
MünchKomm StGB § 211 Rdn. 86 f.). Hat der
Täter aus persönlichen Motiven aufgrund schwerer
Kränkung durch Tötung eines ihm besonders nahe
stehenden Angehörigen gehandelt, ist diese Form von
„Selbstjustiz“ zwar keineswegs billigenswert (vgl.
BGH StV 1998, 130; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige
Beweggründe 28; BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung
7). Die Tat kann aber auch nicht nur deshalb als besonders verwerflich
eingestuft werden, weil der Täter aus einem Kulturkreis
stammt, in dem der Gesichtspunkt der „Blutrache“
bis heute relevant ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl.
§ 211 Rdn. 14b). Es ist also danach zu differenzieren, ob der
Angeklagte tatsächlich allein aus einem ersichtlich nicht
billigenswerten Motiv der „Blutrache“, und damit
aus niedri-
- 16 -
gen Beweggründen, oder aus einer besonderen
Belastungssituation infolge des Verlustes seiner wesentlichen
Bezugsperson bzw. aus ähnlichen, nicht per se niedrigen
Motiven heraus gehandelt hat (vgl. BGH, Urt. vom 24. Juni 1998 - 3 StR
219/98). cc) Ob ein durch Tötung naher Angehöriger
zugefügtes Leid auch jenseits von Spontantaten (hierzu
Schneider aaO Rdn. 87) derart erheblich ist, dass der Beweggrund
insgesamt nicht mehr als besonders verwerflich und verachtenswert
erscheint, kann nur nach den jeweiligen Umständen des
Einzelfalls bestimmt werden. Maßstab sind insbesondere
Gewicht und nähere Umstände der Vortat (vgl. BGH StV
1998, 130), u. U. deren strafjustizelle Aufarbeitung,
Näheverhältnis zum Getöteten (vgl.
§ 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO), Grad fortdauernder
persönlicher Betroffenheit (vgl. hierzu auch BGH, Beschl. vom
23. März 2004 - 4 StR 466/03 und 9/04) und konkrete objektive
Umstände der Tötung (vgl. BGHR StGB § 211
Abs. 1 Strafmilderung 7). dd) Nach diesen Kriterien ist die Annahme
niedriger Beweggründe bei den Angeklagten B und Han G nicht
tragfähig begründet. B G ist der älteste
Sohn des auf besonders niederträchtige Weise ermordeten Ham G
und muss sich, seit er 20 Jahre alt ist, als Familienoberhaupt
maßgeblich um seine Mutter und weitere fünf
Geschwister kümmern. Er war - wie Han G - davon
überzeugt, dass H K für diesen Anschlag
verantwortlich war, weil dieser durch nachdrückliches Zureden
Ham G erst dazu gebracht hatte, nach einer
Versöhnungszeremonie zum späteren Tatort zu fahren.
Trotz der inzwischen vergangenen Zeit war in der Familie des
Ermordeten, die auch aufgrund dieser Tat bis jetzt in beengten
wirtschaftlichen Verhältnissen zusammenlebt, der Schmerz
über die Tat noch deutlich gegenwärtig: die
Tötung Ham G s war ständiges Gesprächsthema
und insbesondere Han G war davon noch stark emotional betroffen. Die
Tat blieb bislang ungesühnt. Der konkrete Entschluss zur
Tötung H K s entstand spontan aus der Situation eines
zufälligen Treffens am Göttinger Krankenhaus.
Angesichts dieser besonderen Umstän-
- 17 -
de entbehrt die Wertung des Landgerichts, auch die Angeklagten B und
Han G hätten allein aus einem als niedrig anzusehenden Motiv
der „Blutrache“ gehandelt, einer
tragfähigen Grundlage. Der Senat schließt aus, dass
eine solche angesichts der bisherigen rechtsfehlerfreien Feststellungen
noch gefunden werden könnte. c) Anders verhält es
sich allerdings mit dem Angeklagten Has G , der die tödlichen
Schüsse auf H K abgegeben hat. Bei ihm hat das Schwurgericht -
anders als bei den noch akut unter den Auswirkungen der Tötung
Ham G s leidenden Han und B G - keine eigene besonders gravierende
persönliche Betroffenheit durch den Tod seines Onkels
festgestellt, die über die Verletzung der
„Familienehre“ maßgeblich hinausgereicht
hätte. Hierfür spricht nicht nur der im Vergleich zu
Han und B G fernere Verwandtschaftsgrad zum Getöteten Ham G ;
dabei handelt es sich um ein Kriterium, das auch nach Auffassung des
Gesetzgebers bei der rechtlichen Bewertung der Betroffenheit von einem
Tötungsdelikt erheblich ist (vgl. § 395 Abs. 2 Nr. 1
StPO). Hinzu kommt die räumliche Entfernung von der Familie
des getöteten Ham G : Der Angeklagte Has G lebt seit Jahren in
Niedersachsen, während die Familie von Ham G seit vielen
Jahren im Saarland ansässig ist. In seiner wirtschaftlichen
Existenz war der als Unternehmer erfolgreiche Angeklagte Ha- s G
ebenfalls nicht vom Tode Ham G s betroffen. Aufgrund dieser weit
größeren räumlichen, familiären
und wirtschaftlichen Distanz zum Tode Ham G s erscheint bei Has G das
Verhältnis zwischen Anlass und Tat in deutlich weiter
reichendem Maße als beim Totschlag verachtenswert und damit
niedrig (vgl. auch BGH NStZ 2004, 34); (nur) bei ihm kommen diejenigen
Gesichtspunkte zum Tragen, die das Motiv der
„Blutrache“ in aller Regel als niedrigen Beweggrund
kennzeichnen.
- 18 -
3. Die tatrichterliche Wertung, Han G habe eine Beihilfe zur
Tötung H K s begangen, ist aus revisionsgerichtlicher Sicht
nicht zu beanstanden. Das Schwurgericht hat seine Feststellung, die
Angeklagte habe ihren Sohn und ihren Neffen bei der Tötung H K
s zumindest psychisch unterstützt und hierdurch eine Beihilfe
zu deren Tat geleistet, auf eine Gesamtschau aller wesentlichen
Umstände gestützt. Auf eine aktive Beihilfehandlung
durch mitbestimmenden Einfluss auf das Fahrtziel und den spontanen
Tatplan konnte das Schwurgericht vor dem Hintergrund der engen
familiären Verbundenheit aus dem besonderen Interesse der
Angeklagten an einer Sühne der Ermordung ihres Ehemanns, aus
der Tatsache, dass sie das vorherige Reiseziel (Besuch im Krankenhaus)
wesentlich bestimmt hatte, und aus ihrem Verhalten bei der Verfolgung
durch die Polizei (Verbergen einer Pistole ihres Sohnes am
Körper) schließen. Diese Schlussfolgerung beruht auf
einer tragfähigen rationalen Grundlage und ist im vorliegenden
Fall nicht nur möglich, sondern naheliegend; sie ist vom
Revisionsgericht hinzunehmen. Daran ändert auch die Tatsache
nichts, dass die Erwägungen des Schwurgerichts über
die „Sitzposition“ der Angeklagten in diesem
Zusammenhang für sich gesehen weniger überzeugen; die
Angeklagte konnte angesichts des spontanen Verfolgungsentschlusses bei
Fahrtantritt kaum davon ausgehen, dass H K gerade - wie später
geschehen - auf der Beifahrerseite erschossen werde. III. Im Ergebnis
hat der Wegfall eines Teils der vom Schwurgericht herangezogenen
Mordmerkmale folgende Auswirkungen: 1. Nach Wegfall des Mordmerkmals
der Heimtücke bleibt Has G wegen Mordes aus niedrigen
Beweggründen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt; B G
ist dagegen als Mittäter des gemeinsam ins Werk ge-
- 19 -
setzten Tötungsgeschehens wegen Totschlags schuldig (vgl. auch
BGHSt 36, 231). Die Angeklagte Han G hat eine Beihilfe zur
gemeinschaftlichen Tötung von H K begangen, die sich
für Has G als Mord aus niedrigen Beweggründen,
für B G als Totschlag darstellt. Danach ist die Angeklagte Han
G lediglich wegen einer Beihilfe zum Totschlag zu bestrafen. Wegen
Beihilfe zu einem vom Angeklagten Has G begangenen Mord könnte
Han G allenfalls dann verurteilt werden, wenn sie als Gehilfin ihren
Tatbeitrag in Kenntnis der niedrigen Beweggründe Has G s
erbracht hätte (vgl. BGH NStZ 1996, 384, 385 m.w.N., insoweit
in BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 33
nicht abgedruckt). Dass Han G selbst aus niedrigen
Beweggründen gehandelt hat, schließt der Senat wie
beim Angeklagten B G aus (s. o.). Die Feststellungen des Schwurgerichts
legen zudem nahe, dass die in bäuerlichen
Verhältnissen aufgewachsene, des Lesens und Schreibens nicht
mächtige, kaum deutsch sprechende und deshalb ganz besonders
in ihrem Kulturkreis verhaftete Angeklagte Han G die zur Niedrigkeit
der Tötungshandlung des Has G führenden bestimmenden
Wertungsgesichtspunkte in ihrem Bedeutungsgehalt geistig nicht
nachvollziehen konnte. Auf dieser Grundlage lässt sich der
notwendige Vorsatzbezug zum Mordmerkmal des Haupttäters
letztlich nicht tragfähig begründen. Da weitergehende
Feststellungen insoweit nicht zu erwarten sind, ändert der
Senat den Schuldspruch auf Beihilfe zum Totschlag (§ 354 Abs.
1 StPO). 2. Deshalb kann dahinstehen, ob es sich bei den
täterbezogenen Mordmerkmalen um strafschärfende
besondere persönliche Merkmale im Sinne von § 28 Abs.
2 StGB und nicht um strafbegründende im Sinne von §
28 Abs. 1 StGB handelt: a) Nach der bisherigen Rechtsprechung aller
Strafsenate des Bundesgerichtshofs stehen Mord (§ 211 StGB)
und Totschlag (§ 212 StGB) nicht
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im Verhältnis von Grundtatbestand und Qualifikation
zueinander, vielmehr bilden sie danach zwei selbständige
Tatbestände (st. Rspr. seit BGHSt 1, 368; zuletzt
ausführlich BGH NStZ 2005, 381 m.w.N.). Weil die Mordmerkmale
des § 211 StGB nach dieser Auffassung die Strafbarkeit im
Sinne von § 28 Abs. 1 StGB begründen, scheidet eine
Anwendung von § 28 Abs. 2 StGB aus. Für den
Schuldspruch des Teilnehmers kommt es demnach nicht auf seinen
Tatbeitrag, sondern zunächst darauf an, ob der
Haupttäter Mordmerkmale verwirklicht oder nicht. Bei
täterbezogenen Mordmerkmalen wie den vorliegend in Rede
stehenden niedrigen Beweggründen ist nach der bisherigen
Rechtsprechung ein Schuldspruch wegen Beihilfe zum Mord auch dann
geboten, wenn der Teilnehmer selbst kein derartiges Mordmerkmal
verwirklicht, solange er hinsichtlich der niedrigen
Beweggründe des anderen Teils vorsätzlich handelt.
Dem Teilnehmer kommt in diesen Fällen allerdings die
Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1
StGB zugute. b) Demgegenüber versteht die Gegenauffassung
(soweit ersichtlich ausnahmslos die gesamte Literatur, vgl. nur Eser in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. Vor
§§ 211 ff. Rdn. 3; Jähnke in LK 11. Aufl.
Vor § 211 Rdn. 39; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. Vor
§ 211 Rdn. 22; Schneider in MünchKomm Vor
§§ 211 ff. Rdn. 135 ff.; je m.w.N.) das
Verhältnis zwischen den Tatbeständen Mord und
Totschlag als Verhältnis von Qualifikation und Grunddelikt.
Die täterbezogenen Mordmerkmale sind demnach nicht
strafbegründend im Sinne von § 28 Abs. 1 StGB,
sondern strafschärfend gemäß § 28
Abs. 2 StGB. Dies hat zur Folge, dass der Teilnehmer, der selbst kein
Mordmerkmal erfüllt, bei einem täterbezogenen
Mordmerkmal des Haupttäters wie dem Handeln aus niedrigen
Beweggründen nur wegen Teilnahme zum Totschlag schuldig
gesprochen werden kann; seine Strafe ist in diesem Fall dem - ggf. nach
§ 27 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten -
Strafrahmen des § 212 StGB zu entnehmen. c) Der bisherigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verhältnis von Mord
und Totschlag werden gewichtige Argumente entgegen-
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gehalten: Sie führe zu schwer überbrückbaren
Wertungswidersprüchen und unausgewogenen Ergebnissen,
widerspreche der sonst üblichen Systematik und sei
unnötig kompliziert (vgl. zuletzt nur Puppe, JZ 2005, 902 ff.;
Jäger JR 2005, 477, 479 f.; ausführlich etwa
Küper JZ 1991, 761 ff., 862 ff. und 910 ff.; Schneider in
MünchKomm Vor §§ 211 ff. Rdn. 138 ff.; je
m.w.N.; vgl. aus der Rechtsprechung nur: BGHSt 6, 329 und 36, 231
[Mittäterschaft]; BGHSt 23, 39 [gekreuzte Mordmerkmale]; BGH
NStZ 2006, 34, und BGH, Urteil vom 24. November 2005 - 4 StR 243/05
[Sperrwirkung der Strafrahmenuntergrenze für Beihilfe zum
Totschlag]). Probleme der bisherigen Rechtsprechung werden am
vorliegenden Fall besonders anschaulich: Die gemeinschaftlich durch Has
und B G begangene Tötung H K s kann schwerlich als
Verwirklichung zweierlei verschiedenen Unrechts und zweier
selbständiger Tatbestände verstanden werden, sondern
stellt sich als ein Tötungsunrecht im Sinne von § 212
StGB dar, zu dem lediglich bei einem der Täter mit dem
Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe besonders erschwerende
persönliche Umstände (vgl. § 28 Abs. 2 StGB)
hinzukommen; ein solches Verhältnis entspricht nach der
üblichen Systematik demjenigen zwischen Grunddelikt und
Qualifikation. Dies wird besonders deutlich, wenn es um die Bewertung
des Tatbeitrags von Han G geht: Ihre Unterstützung der
gemeinschaftlichen Tötung H K s lässt sich nicht
künstlich in eine objektive Beihilfe zum Mord durch Has G und
eine (hierzu tateinheitliche) objektive Beihilfe zum Totschlag durch B
G aufspalten.
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IV. Wegen der neuen Schuldsprüche bedarf die Bemessung der
Strafen für B und Han G für das
Tötungsdelikt und die Beihilfe hierzu erneuter
schwurgerichtlicher Prüfung auf der Grundlage der bisherigen
rechtsfehlerfreien Feststellungen. Der neue Tatrichter wird hierzu
allenfalls solche ergänzenden Feststellungen treffen
können, die den bisherigen nicht widersprechen.
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