BGH,
Beschl. v. 10.1.2008 - 5 StR 365/07
5 StR 365/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
10.1.2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10.1.2008
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten M. K. wird das Urteil des
Landgerichts Berlin vom 26. September 2006, soweit es ihn betrifft,
gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Ausspruch
über den Verfall von Wertersatz aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten M. K. und die Revisionen
der Angeklagten T. , E. und Vaske werden nach § 349 Abs. 2
StPO als unbegründet verworfen, hinsichtlich des Angeklagten
T. mit der Maßgabe, dass er des unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und des
bandenmäßigen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist.
Die Angeklagten T. , E. und V. haben die Kosten ihres jeweiligen
Rechtsmittels zu tragen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Revision des
Angeklagten M. K. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten M. K. wegen
bandenmäßigen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
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in fünf Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen
aus einer anderweitigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
neun Jahren und zehn Monaten verurteilt; zudem hat es gegen ihn den
Verfall von Wertersatz in Höhe von 1,8 Mio. Euro angeordnet.
Den Angeklagten T. hat das Landgericht wegen unerlaubten Handeltreibens
(ausweislich der Urteilsgründe: in nicht geringer Menge) in
zwei Fällen, davon in einem Fall
bandenmäßig handelnd, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt; daneben hat es gegen ihn
den Verfall von Wertersatz von 100.000 Euro angeordnet. Gegen die
Angeklagten E. und V. hat es jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Freiheitsstrafen
von sechs Jahren (E. ) sowie sechs Jahren und sechs Monaten (V. )
verhängt.
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Die Angeklagten wenden sich gegen ihre Verurteilung mit jeweils auf die
Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten
Revisionen. Das Rechtsmittel des Angeklagten M. K. hat hinsichtlich des
Ausspruchs über den Verfall von Wertersatz einen Teilerfolg.
Im Übrigen sind die Revisionen der Angeklagten aus den
Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen den Angeklagten M.
K. in Höhe von 1,8 Mio. Euro kann keinen Bestand haben.
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a) Allerdings beschwert es den Angeklagten M. K. nicht, dass das
Landgericht bei der Bestimmung des aus den Taten Erlangten im Sinne von
§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB unzutreffende
Maßstäbe angelegt hat. Den Urteilsfeststellungen ist
mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Wert des
Erlangten den vom Landgericht angenommenen Betrag von 1,8 Mio. Euro
erheblich überschritten hat.
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aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden die im Rahmen der
verfahrensgegenständlichen Taten aus der Karibik nach London
ver-
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brachten Kokainmengen vom Angeklagten M. K. zusammen mit den
Nichtrevidenten G. und B. in London verkauft (UA S. 17, 22, 23, 26).
Anschließend wurden die in britischen Pfund erzielten
Verkaufserlöse in DM, bei den späteren Taten in Euro
getauscht und dann an die Tatteilnehmer entsprechend ihrem Anteil
ausgezahlt (UA S. 17). Die Größe der Anteile
bestimmte sich danach, wie viele Kokainpäckchen die einzelnen
Beteiligten im Rahmen der arbeitsteilig durchgeführten
Transporte auf eigene Rechnung nach London befördern
ließen (UA S. 16). Das Landgericht hat den
Verkaufserlös pro verkauftem Kilogramm Kokain mit 20.000
britischen Pfund geschätzt (§ 73b StGB). Es hat einen
Umrechnungskurs zur Tatzeit pro britisches Pfund von 1,50 Euro
angenommen. Hieraus hat es für den Angeklagten M. K. , der
„insgesamt mindestens 60 kg Kokain auf eigene Rechnung
verkauft“ hat (UA S. 52), ohne die Anschaffungskosten
für das Rauschgift in Abzug zu bringen, einen
„Gewinn“ von 1,8 Mio. Euro errechnet. In dieser
Höhe hat es gemäß § 73a StGB
Verfall von Wertersatz angeordnet.
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bb) Diese Ausführungen enthalten Unklarheiten. Ihnen ist nicht
eindeutig zu entnehmen, worin das Landgericht jeweils das
„aus der Tat Erlangte“ im Sinne des § 73
Abs. 1 Satz 1 StGB gesehen hat. Der Umstand, dass das Landgericht die
nach dem Umtausch der Verkaufserlöse in DM bzw. Euro dem
Angeklagten M. K. zugeflossenen Beträge als Wertersatz im
Sinne des § 73a StGB angesehen hat, deutet darauf hin, dass
das Landgericht lediglich den Teil der Verkaufserlöse, der dem
Angeklagten zustand, als „Erlangtes“ angesehen hat.
Hierfür spricht auch, dass die Strafkammer außer
Betracht gelassen hat, dass der Angeklagte im Fall 5 der
Urteilsgründe lediglich 100.000 DM erhielt (UA S. 22), obwohl
10 kg für seine Rechnung transportiert worden waren. Hinzu
kommt, dass das Landgericht bei der Verfallsanordnung nicht
berücksichtigt hat, dass im Fall 8 der Urteilsgründe
aufgrund eines Überfalls auf die Wechselstube „die
der Gruppierung gehörenden Gelder“ in Höhe
von mindestens 370.000 britischen Pfund „verloren
gingen“ (UA S. 26). Demgegenüber deuten zwei weitere
Umstände darauf hin,
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dass das Landgericht lediglich die dem Angeklagten M. K.
tatsächlich zugeflossenen, bereits umgetauschten
Geldbeträge als „Erlangtes“ im Sinne des
§ 73 Abs. 1 StGB angesehen hat. Zum einen bezeichnet es den
„Gewinn“ als Verfallsgegenstand (UA S. 52). Zum
anderen legt es der Umrechnung des Verkaufserlöses nicht den
Umrechnungskurs zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung
zugrunde (vgl. BGHSt 4, 305), sondern schätzt den
Umrechnungskurs zum Umtauschzeitpunkt.
cc) Gleichwohl beschwert es den Angeklagten M. K. trotz dieser
Unklarheiten nicht, dass das Landgericht den Wert des
Verfallsgegenstandes mit 1,8 Mio. Euro bestimmt hat. Denn die
rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen belegen, dass der
tatsächliche Wert des vom Angeklagten durch die Taten
„Erlangten“ im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz
1 StGB erheblich über diesem Betrag liegt. Das
„Erlangte“ besteht hier nicht nur in dem
Verkaufserlös für das auf Rechnung des Angeklagten
verkaufte Kokain, sondern im Gesamterlös des im Rahmen der
mittäterschaftlich begangenen Taten an die Erwerber verkauften
Rauschgifts.
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Bei einem Betäubungsmittelgeschäft ist ein
Vermögensvorteil erlangt, wenn der Tatbeteiligte die faktische
Verfügungsgewalt über den Erlös erworben hat
(vgl. BGH NStZ-RR 2007, 121 m.w.N.; vgl. zum Problem der Gesamtschuld
kritisch Schmidt, Gewinnabschöpfung im Straf- und
Bußgeldverfahren 2006 Rdn. 260 f.). Dies trifft hier
hinsichtlich des Angeklagten M. K. für die gesamten unter
seiner Beteiligung erzielten Verkaufserlöse zu. Es spielt
daher für die Bestimmung des Erlangten keine Rolle, welchem
Tatbeteiligten welcher Anteil an den Erlösen letztlich
verbleiben sollte. Die Mitverfügungsgewalt ist für
den Angeklagten M. K. durch die festgestellten Umstände zu den
jeweils gemeinsam mit den Nichtrevidenten G. und B. vereinnahmten
Erlösen bei Durchführung der Verkäufe des in
London eingetroffenen Kokains noch hinreichend klar belegt. Ein
Vertretungsfall im Sinne des § 73 Abs. 3 StGB (vgl. BVerfG StV
2004, 409, 411; BGH, Beschluss vom 13. November 1996 - 3 StR 482/96)
liegt bei der
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hier vorliegenden gemeinschaftlichen arbeitsteiligen
Veräußerung des Rauschgifts nicht vor.
b) Die Verfallsanordnung gegen den Angeklagten M. K. kann aber deswegen
keinen Bestand haben, weil das Landgericht die Voraussetzungen der
Härtevorschrift des § 73c StGB nicht
erörtert hat. Hierauf konnte vorliegend nicht verzichtet
werden, da sich aus den Urteilsgründen gewichtige
Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die vom Landgericht als
Verfallsbetrag zugrundegelegte Summe von 1,8 Mio. Euro zum Zeitpunkt
der Entscheidung wertmäßig nicht mehr im
Vermögen des Angeklagten M. K. befunden hat (§ 73c
Abs. 1 Satz 2 1. Alternative StGB): Die den anderen Tatbeteiligten
zustehenden Erlösanteile waren - was bei § 73c StGB
anders als bei der Bestimmung des Erlangten erheblich ist - ersichtlich
an diese ausgekehrt worden; im Fall 5 der Urteilsgründe
erhielt der Angeklagte M. K. zur eigenen Verwendung letztlich nur
100.000 DM (UA S. 22); im Fall 8 der Urteilsgründe gingen
„der Gruppierung“ vom
Veräu-ßerungserlös wegen eines
Überfalls auf die Wechselstube 370.000 britische Pfund
verloren und standen einer Auskehrung an die Tatbeteiligten nicht mehr
zur Verfügung.
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Einer Aufhebung der Feststellungen zur Höhe des Erlangten im
Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB bedarf es nicht, da der
Rechtsfehler bei der Ermittlung des Erlangten den Angeklagten nicht
beschwert. Es bedarf aber neuer tatrichterlicher Prüfung, ob -
ausgehend von einem vom Angeklagten erlangten Erlös von 1,8
Mio. Euro - eine Verfallsanordnung in dieser Höhe für
den Angeklagten M. K. eine unbillige Härte im Sinne des
§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB bedeuten würde oder ob in
Ausübung des durch § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB
eingeräumten Ermessens von einem Verfall ganz oder teilweise
abgesehen werden soll. Dabei wird der neue Tatrichter insbesondere zu
prüfen haben, ob der Angeklagte entreichert ist oder ob das
Erlangte noch in seinem Vermögen vorhanden ist (vgl. BGH
NStZ-RR 2002, 7).
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2. Eine Erstreckung der Aufhebung des angefochtenen Urteils auf die
Verfallsanordnungen gegen die Nichtrevidenten B. , G. und Ba.
gemäß § 357 StPO ist nicht geboten. Zwar
ist die Vorschrift des § 357 StPO grundsätzlich auch
auf identische sachlich-rechtliche Fehler bei Verfallsentscheidungen
anzuwenden (vgl. BGHR StGB § 73 Gewinn 2; BGH,
Beschlüsse vom 22. Dezember 2004 - 2 StR 498/04 -, vom 13.
Februar 2004 - 3 StR 501/03 - und vom 9. Juli 2002 - 5 StR 30/02). Dies
gilt jedoch nicht, soweit der Rechtsfehler lediglich in der
Nichterörterung der Härtevorschrift des §
73c StGB besteht. Die Frage, ob wegen einer unbilligen Härte
(§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB) oder aufgrund einer
Ermessensentscheidung (§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB) von einer
Verfallsentscheidung abzusehen ist, beruht auf individuellen
Erwägungen (vgl. zu § 64 StGB: BGHR StPO §
357 Erstreckung 4; BGH NStZ-RR 1999, 15), deren Beantwortung ganz
wesentlich von den persönlichen Verhältnissen des
jeweils Betroffenen abhängt.
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Damit folgt der Senat nicht dem Antrag des Generalbundesanwalts,
gemäß § 357 StPO auch die
Verfallsanordnungen der Nichtrevidenten B. , G. und Ba. aufzuheben.
Auch insoweit entscheidet er durch Beschluss. § 349 Abs. 5
StPO steht dem nicht entgegen (vgl. BGHR StPO § 349 Abs. 5
Entscheidung 1).
3. Die Schuldspruchkorrektur hinsichtlich des Angeklagten T. entspricht
der zutreffenden rechtlichen Würdigung in den
Urteilsgründen. Das
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Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht der
Schuldspruchänderung nicht entgegen (vgl. Kuckein in KK-StPO,
5. Aufl. § 358 Rdn. 18).
Basdorf Gerhardt Raum
Brause Jäger |