BGH,
Beschl. v. 10.3.2000 - 1 StR 675/99
StGB § 211 Abs. 2, § 13 Abs. 1, § 24 Abs. 1
Satz 1 Alt. 1
Zur Verknüpfung von Verdeckungsabsicht und
Tötungsvorsatz sowie zum Rücktritt beim
Verdeckungsmord durch Unterlassen.
BGH, Beschl. vom 10. März 2000 - 1 StR 675/99 - LG Stuttgart
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 675/99
vom
10. März 2000
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. März 2000
gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Stuttgart vom 30. Juni 1999 werden als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihres Rechtsmittels und
die dadurch den Nebenklägern im Revisionsverfahren
entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat die beiden miteinander verheirateten Angeklagten
jeweils wegen Mordes in Tateinheit mit Mißhandlung von drei
Schutzbefohlenen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Als
Mordmerkmal ist Ver-deckungsabsicht festgestellt. Die Revisionen der
Angeklagten haben keinen Erfolg.
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten die Angeklagten eine
Großfamilie gegründet, in der sie zuletzt mit drei
ehelich geborenen Kindern und drei Pflegekindern lebten. Sie hatten das
Pflegekind A. (geboren am 2. Juni 1989) etwa sieben Jahre lang und die
Pflegekinder Al. (geboren am 29. Mai 1991) und Ale. (geboren am 9.
November 1992) etwa dreieinhalb Jahre lang zur Pflege aufgenommen. Die
Kinder waren ihnen in altersgerechtem Entwicklungszustand anvertraut
worden. Während die Angeklagten ihre eigenen Kinder gut
versorgten, quälten sie die Pflegekinder von Anfang an, um
deren Willen zu brechen und sie gefügig zu machen. Dazu
setzten sie vor allem auf das natürliche und elementare
Bedürfnis nach Nahrung. Sie gaben den Pflegekindern zu wenig,
Minderwertiges oder zeitweise gar nichts zu essen. Daneben sperrten sie
diese ein und schlugen sie. Die Angeklagten bemerkten und nahmen es
hin, wie sie die Kinder dadurch an ihrer Gesundheit
schädigten. Diese waren schließlich in ihrer
Entwicklung, insbesondere in ihrem
Längenwachstum gestört und von sogenanntem
psychosozialen Minderwuchs (Kleinwuchs) gezeichnet. Auf dem Hintergrund
einer sich im Jahre 1996 entfaltenden Ehe- und Berufskrise,
verschärft durch ein scheineheliches Kind der Angeklagten U.
R. , entglitt ihnen die Kontrolle über die Nahrungszufuhr, mit
der sie die Pflegekinder zunächst gerade so weit bei
Kräften hielten, daß sie deren Zustand mit
erfundenen Geschichten über Epilepsie, Alkohol-embryopathie
und andere Ursachen gegenüber Außenstehenden
plausibel machen konnten.
Nachdem Mitte September 1997 der abgemagerte Zustand der Pflegekinder
für jedermann sichtbar war, schotteten die Angeklagten diese
von der Außenwelt ab. Sie wollten so verhindern,
daß die vorausgegangenen Mißhandlungen aufgedeckt
und sie deswegen strafrechtlich verfolgt würden. Insbesondere
schickten sie A. nicht mehr zur Schule sowie Al. und Ale. nicht mehr in
den Kindergarten. Spätestens Anfang Oktober 1997 erkannten
sie, daß die drei Pflegekinder infolge des abgemagerten
Zustandes in Lebensgefahr waren, weil deren Körper aufgrund
des zuletzt verschärften Nahrungsentzuges auf Fett- und
Muskelreserven zurückgegriffen hatte. Gleichwohl konsultierten
sie in Kenntnis der tödlichen Gefahr weiter fortschreitender
Abmagerung und in weiterer Kenntnis ihrer Handlungspflicht als
Pflegeeltern, die für den todbringenden Zustand der Kinder
verantwortlich waren, keinen Arzt. Auch dies unterblieb, weil sie
befürchteten, die jahrelange Mißhandlung und das
Quälen insbesondere durch Nahrungsentzug würde
dadurch im gesamten Ausmaß aufgedeckt. Sie versteckten die
Pflegekinder im Haus und "wimmelten Besucher ab". In ihrer angespannten
Lebenssituation hofften sie, dennoch nicht ihrer Taten
überführt zu werden. Ale. starb infolge der
Unterernährung am 27. November 1997. Ein in der Todesnacht
doch noch herbeigerufener Notarzt konnte ihn nicht mehr reanimieren.
Die beiden anderen Pflegekinder wurden durch ärztliche Hilfe
gerettet.
II. Die Revisionen erweisen sich als unbegründet. Die von der
Angeklagten U. R. erhobenen Verfahrensrügen greifen aus den in
der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 17. Januar 2000 dargelegten
Gründen nicht durch. Auch die Sachrügen bleiben ohne
Erfolg. Der Erörterung bedarf der Schuldspruch wegen
Verdeckungsmordes zum Nachteil des Pflegekindes Ale. . Dieser begegnet
keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Die Annahme, die Angeklagten hätten um die
tödliche Konsequenz ihres Handelns und Unterlassens im Umgang
mit den Pflegekindern gewußt, ist als Element des
Tötungsvorsatzes (sog. Wissenselement) von Rechts wegen nicht
zu beanstanden. Soweit die Revisionen sich hiergegen wenden, suchen sie
lediglich ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des
Tatrichters zu setzen. Damit können sie nicht durchdringen,
weil die Bewertung des Landgerichts hierzu tragfähig ist. Sie
weist weder Widersprüche noch Lücken auf; auch
verstößt sie nicht gegen die Denkgesetze oder
allgemeine Erfahrungssätze. Im wesentlichen stützt
sich das Landgericht auf die in der Schlußphase für
jedermann erkennbare todbringende Auszehrung der Pflegekinder, die die
Angeklagten in ihrem Haushalt vor Augen hatten. Auch der Angeklagte K.
R. hatte beim Baden den unbekleideten Körper des Ale. Anfang
Oktober 1997 zu Gesicht bekommen. Das Landgericht geht weiter davon
aus, daß dieser Zustand der Pflegekinder den Angeklagten auch
deshalb nicht verborgen geblieben sein kann, weil sie ihre eigenen
Kinder, von denen zwei nur wenig älter waren, vorbildlich
versorgt hätten. Überdies hat das Landgericht darauf
abgestellt, daß die Angeklagten sich aus ihrem sozialen
Umfeld zurückzogen und intensive
Abschottungsbemühungen bis hin zur Abmeldung der Pflegekinder
in Schule und Kindergarten sowie zur Ummeldung des Telefons
entfalteten. Zudem hätten sie die Frage diskutiert, ob ein
Arzt hinzugezogen werden solle. Bei alledem litten die Angeklagten
nicht etwa unter Wahrnehmungsstörungen, wie die Strafkammer,
sachverständig beraten, nachvollziehbar ausgeführt
hat. Wenn sie auf dieser Grundlage und unter Hinweis auf die
Lebenserfahrung den Schluß gezogen hat, die Angeklagten seien
sich der tödlichen Konsequenz ihres Vorgehens bewußt
gewesen, ist diese Folgerung möglich und beruht auf einer
tragfähigen Tatsachengrundlage. Dabei hat das Landgericht
ersichtlich mitbedacht, daß die Angeklagte U. R. staatlich
geprüfte Kindererzieherin ist und der Angeklagte K. R. als
ehemaliger Berufssoldat und als Student der Sozialpädagogik
mit bereits absolvierten Praktika als Erzieher durchaus über
entsprechende Erfahrungsgrundlagen verfügten.
Ohne Erfolg beanstandet die Revision der Angeklagten U. R. in diesem
Zusammenhang die Würdigung der Aussage des 13jährigen
Zeugen F. R. , eines leiblichen Sohnes der Angeklagten. Die Bewertung
dieser Aussage ist nicht deshalb lückenhaft, weil das
Landgericht nicht ausdrücklich erwogen hat, ob F. R. auf einen
entsprechenden Vorhalt nur deswegen - unzutreffend - von einem
Gespräch seiner Eltern über das Herbeiholen
ärztlicher Hilfe berichtet haben könnte, weil er die
Eltern in einem möglichst günstigen Licht habe
erscheinen lassen wollen. Die Strafkammer hat die Bekundung des Kindes
F. R. nicht etwa unkritisch übernommen. Sie hat vielmehr
darauf abgehoben, daß die Angeklagten selbst diesen Angaben
ihres Sohnes in der Hauptverhandlung nicht widersprochen haben, obwohl
gerade der in Rede stehende Teil seiner Aussage thematisiert worden
sei. Unter diesen Umständen läßt die von
der Revision vermißte Erwägung die
Beweiswürdigung zur Aussage des F. R. nicht als
lückenhaft erscheinen.
2. Gegen die vom Landgericht festgestellte Verdeckungsabsicht der
Angeklagten ist von Rechts wegen nichts zu erinnern.
a) Die Verdeckungsabsicht steht nicht im Widerspruch zu einem nur
bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten.
Das Landgericht hat nicht ausdrücklich hervorgehoben, von
welchem Vorsatzgrad der Angeklagten es ausgeht. Der Zusammenhang der
Urteilsgründe bietet Anhalt sowohl für die Annahme
direkten wie auch bedingten Tötungsvorsatzes. So
führt das Landgericht aus, die Angeklagten hätten den
sicheren Tod des Pflegekindes "akzeptiert"; "im Bewußtsein
der tödlichen Konsequenz" ihres Vorgehens hätten sie
die Kinder abgeschottet und auch deren Besuch beim Arzt vermieden. Im
Rahmen der Straffindungserwägungen formuliert die Strafkammer
allerdings, die Angeklagten hätten in Kenntnis der
tödlichen Gefahr "bewußt an ihrer Entscheidung
festgehalten, Ale. sterben zu lassen". Letzteres deutet auf direkten
Tötungsvorsatz hin, ohne daß sich die Strafkammer
jedoch mit der Abgrenzung ausdrücklich auseinandergesetzt
hätte. Die Frage kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, weil
auch die Annahme nur bedingten Tötungsvorsatzes hier einen
Widerspruch zur Verdeckungsabsicht nicht begründen
würde.
Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, daß die
Annahme von bedingtem Tötungsvorsatz und von
Verdeckungsabsicht sich nicht stets widersprechen (BGHSt 21, 283, 284
f.; 41, 358, 359 ff.; BGH NJW 1988, 2682; 1992, 583, 584; StV 2000, 74,
75). Anders verhält es sich nur dann, wenn die vom
Täter erstrebte Verdeckung einer Straftat nach seiner
Vorstellung nur durch den Tod des Opfers erreicht werden kann. Dann
können widerspruchsfrei nur direkter Tötungsvorsatz
und Verdeckungsabsicht miteinander einhergehen. Ist der Tod des Opfers
hingegen aus Sicht des Täters nicht unabdingbare Voraussetzung
für eine erfolgreiche Verdeckung seiner Täterschaft
hinsichtlich einer anderen Straftat, so kann das von Verdeckungsabsicht
bestimmte Vorgehen des Täters ohne weiteres mit einer nur
möglichen, aber gebilligten Todesfolge zusammentreffen, ohne
daß darin ein denkgesetzlicher Widerspruch läge
(vgl. Jähnke in LK 10. Aufl. § 211 Rdn. 24).
So aber lag es hier. Das Landgericht ist - wie der Zusammenhang der
Urteilsgründe ergibt - davon ausgegangen, daß die
Maßnahmen der Angeklagten zur Verdeckung der
Mißhandlung ihrer Pflegekinder (Abschotten, Unterlassen
ärztlicher Hilfe) nach ihrer Vorstellung erfolgversprechend
waren. Die Verdeckung der Erziehungspraktiken und
Mißhandlungen war bereits über einen
längeren Zeitraum hinweg gelungen, in dem die Angeklagten
gegenüber Außenstehenden immer neue
Erklärungen und Ausreden für die
Verhältnisse erfanden und die Kinder selbst sich
gegenüber Dritten weitgehend ausschwiegen. Infolge der
Mißhandlung durch Nahrungsentzug und Strafen hatten sie
gelernt, alle Gebote und Verbote der Angeklagten strikt einzuhalten.
Sie "parierten" schon, wenn die Angeklagte U. R. auch nur "mit den
Augen rollte". Dementsprechend gingen die Angeklagten, wie der
Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt, davon aus,
daß ihre Mißhandlungen durch ihre
Maßnahmen unentdeckt bleiben würden, und zwar auch
für den Fall des Weiterlebens der Pflegekinder, ebenso aber
auch für den Fall ihres Sterbens; für den Fall des
tödlichen Ausganges gingen sie zudem davon aus, diesen
"irgendwie vertuschen" zu können.
b) Der Annahme von Verdeckungsabsicht steht nicht entgegen,
daß die Angeklagten in der Todesnacht des Pflegekindes Ale.
doch noch den Notarzt alarmierten, der das Kind erfolglos zu
reanimieren versuchte. Über die Ursachen für den
Zustand des Kindes suchte der Angeklagte K. R. auch den Notarzt mit
Ausreden zu täuschen; die weitere Verdeckung gelang indes
nicht mehr; wegen "unnatürlicher Todesursache" schaltete die
Rettungsleitstelle die Kriminalpolizei ein.
c) Die Würdigung des Landgerichts zur Verdeckungsabsicht der
Angeklagten ist schließlich nicht deshalb zu beanstanden,
weil die Angeklagten für den Fall des Todes eines der
Pflegekinder keinen konkreten Plan für die Verdeckung der
Todesursache oder die Beseitigung der Leiche hatten. Dieser Umstand
läßt die Beweiswürdigung des Landgerichts
auch insoweit weder als lückenhaft noch als
widersprüchlich erscheinen; sie verstößt
auch nicht gegen Denkgesetze oder allgemein gültige
Erfahrungssätze.
Nach den Feststellungen hofften die Angeklagten im Wissen um den
tödlichen Ausgang ihres Vorgehens, diesen irgendwie vertuschen
zu können, da ihnen auch bis dahin niemand auf die Spur
gekommen war. Die Gedanken, wie sie etwa die Leiche beseitigen oder
deren Zustand den Behörden erklären sollten,
verdrängten sie. Sie handelten "von jetzt auf nachher".
Diese "relative Planlosigkeit" für den Fall des letalen
Ausganges ändert nichts daran, daß das Tun und
Lassen der Angeklagten von der Fortführung ihrer rohen
Erziehungspraktiken und von den Bemühungen zur Verdeckung der
Mißhandlung ihrer Pflegekinder bestimmt war.
Überdies liegt auf der Hand, daß im Falle des
Todeseintritts mögliche etwaige weitere
Verdeckungsbemühungen innerhalb ihrer Großfamilie
situationsabhängig und schon deshalb nicht
verläßlich planbar gewesen wären. Wenn die
Angeklagten sie deshalb nicht von vornherein festlegten, die Frage
stattdessen verdrängten und ersichtlich darauf vertrauten,
gegebenenfalls lageangepaßt reagieren zu können, so
steht das der Annahme von Verdeckungsabsicht nicht zwingend entgegen.
Es läßt ihre Verdeckungsbemühungen auch
nicht als von vornherein untauglich oder völlig ungeeignet
erscheinen.
3. Entgegen der Ansicht der Revision der Angeklagten U. R.
ist auch die nach § 211 Abs. 2 StGB erforderliche
Verknüpfung zwischen der - möglicherweise nur bedingt
vorsätzlichen - Tötung des Pflegekindes Ale. und der
Verdeckungsabsicht gegeben.
Der Senat war bereits früher mit der Auslegung dieses im
Tatbestand angelegten Verknüpfungserfordernisses
befaßt (BGHSt 41, 358 ff.). Danach muß das Mittel
der Verdeckung, also der vom Täter in Gang gesetzte
Ursachenverlauf, der dazu dienen soll, die vorangegangene Straftat
nicht offenbar werden zu lassen, zugleich (vorsätzlich) zum
Tod eines Menschen führen (BGHSt aaO S. 360). Nach diesem aus
dem Gesetzestext abgeleiteten Verständnis kommt es also darauf
an, welches Motiv den Täter bei seinem als Tötung
eines Menschen eingestuften Handeln bestimmt hat.
Hier ist hinsichtlich der gegebenen Anknüpfungspunkte zu
differenzieren: Das fortgesetzte Hungernlassen der Pflegekinder als
solches diente nicht der Verdeckung der Mißhandlungen. In ihm
schlug sich allein die Fortführung der rohen,
quälerischen Erziehungspraxis der Angeklagten nieder. Anders
verhält es sich hingegen mit dem strikten Abschotten der
Pflegekinder, vor allem mit dem Unterlassen des (rechtzeitigen)
Herbeirufens ärztlicher Hilfe. Nach den Feststellungen des
Landgerichts unterließen sie es, Ale. mit ärztlicher
Hilfe zu retten, weil es ihnen darauf ankam, die jahrelange
Mißhandlung weiter zu verbergen, die dadurch nicht nur bei
Ale. , sondern auch bei den anderen Pflegekindern aufgedeckt worden
wäre. An anderer Stelle des Urteils heißt es, aus
Angst vor Entdeckung hätten sie keine ärztliche Hilfe
geholt. Um sich der Strafverfolgung zu entziehen, hätten sie
dem Pflegekind Ale. die erforderliche medizinische Versorgung verwehrt.
Darüber hinaus haben sie die Pflegekinder im Haus verborgen
gehalten, damit niemand auf deren Zustand aufmerksam wurde. Dieses -
wenigstens bedingt vorsätzlich - zum Tode führende
bewußte Unterlassen ärztlicher Hilfe bezweckte
mithin zugleich die Verdeckung der vorangegangenen
Mißhandlungen ihrer Schutzbefohlenen. In dem
verdeckungsgerichteten Unterlassen hat das Landgericht eine Ursache
für den Todeseintritt gesehen. Das genügt
für die vom Tatbestand vorausgesetzte Verknüpfung
zwischen Tötung und Verdeckungsabsicht.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß die Angeklagten
den körperlichen Zustand des Opfers, der ärztliches
Eingreifen gebot, selbst erst durch - für sich gesehen nicht
verdeckungsgerichtetes - Hungernlassen und Quälen der
Pflegekinder herbeigeführt haben. Dies begründete
unter dem Gesichtspunkt der Ingerenz lediglich einmal mehr ihre
Garantenstellung. Im übrigen können mit der
Verdeckungsabsicht bei Verdeckungsmaßnahmen auch andere
Zwecke - hier die rohe Erziehungspraxis - zusammentreffen (vgl. BGH bei
Dallinger MDR 1976, 15; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT
Teilband 1 § 2 III Rdn. 36).
Daß die Verdeckung und Tötung des Ale. insoweit
durch ein Unterlassen der Angeklagten erfolgte, ändert im
Ergebnis ebenfalls nichts. Zu Recht ist das Landgericht davon
ausgegangen, daß das Unterlassen der Verwirklichung des
Tatbestandes durch positives Tun hier entspricht (§ 13 Abs. 1
StGB; vgl. zum Verdeckungsmord durch Unterlassen Jähnke in LK
10. Aufl. § 211 Rdn. 22 m.w.Nachw.; Eser in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 211 Rdn.
35; siehe auch Horn in SK StGB § 211 Rdn. 68, 69 unter Aufgabe
seiner früheren Auffassung).
4. Im Ergebnis ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch einen
strafbefreienden Rücktritt vom Mordversuch verneint. Die
Angeklagten hatten ihr pflichtwidriges Unterlassen, an das hier
anzuknüpfen ist, noch vor der Vollendung der Tat aufgegeben.
Der Angeklagte K. R. alarmierte um 0.44 Uhr in der Todesnacht - nach
Eintritt des Atemstillstandes bei Ale. - den Notarzt. Dieser traf um
0.50 Uhr ein und mußte schließlich um 1.33 Uhr den
Eintritt des Todes feststellen. Nach einer in der Literatur
verbreiteten Ansicht wäre bei dieser Sachlage auf den sog.
Rücktrittshorizont des Angeklagten abzustellen gewesen, weil
beim unbeendeten Versuch eines unechten Unterlassungsdelikts das Risiko
der Erfolgsabwendung durch letztlich doch noch
pflichtgemäßes Handeln des Täters nicht von
diesem zu tragen sein soll (vgl. Eser in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 24 Rdn.
27 ff., insbesondere Rdn. 30; Vogler in LK 10. Aufl. § 24 Rdn.
142; siehe auch die Übersicht bei Wessels/Beulke, Strafrecht
AT 28. Aufl. Rdn. 743 bis 745 m.w.Nachw.). Hierzu verhält sich
das Urteil nicht. Das erweist sich aber als unschädlich, weil
die Rücktrittsvoraussetzungen beim Versuch des
Unterlassungsdelikts entgegen der zitierten Ansicht dieselben sind wie
beim beendeten Versuch des Begehungsdeliktes (so schon mit
näherer Begründung BGH StV 1998, 369). Damit wird in
den Fällen des Erfolgseintritts trotz
Rücktrittsbemühungen dem Grundsatz Rechnung getragen,
strafbefreienden Rücktritt vom Versuch nur dann anzunehmen,
wenn es beim Versuch geblieben ist (vgl. Vogler in LK aaO § 24
Rdn. 149). In Fällen wie diesem trägt daher
grundsätzlich der Täter das Risiko, daß
trotz eines Rücktritts der tatbestandliche Erfolg eintritt (so
auch Rudolphi in SK vor § 13 Rdn. 56). Denn der Grund der
Strafbefreiung wurzelt letztlich in der freiwilligen Änderung
der Verhaltensrichtung, weil und solange der Täter alle
unerlaubten Risiken noch sicher in der Hand hat (siehe dazu
Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 24 Rdn. 2; Jakobs ZStW
Bd. 104, 82, 104; für eine angemessene Verteilung des Risikos
für den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges bei
nachträglicher Pflichterfüllung auch Eser in
Schönke/Schröder aaO § 24 Rdn. 27).
Nach allem kann offen bleiben, ob die Alarmierung des Notarztes
angesichts erwachter anderer Kinder als freiwillig zu werten gewesen
wäre und ob dieses Verhalten vollen Umfangs der
Garantenstellung gerecht wurde. Letzteres müßte
fraglich erscheinen, weil die Angeklagten den Notarzt und den
nachalarmierten Oberarzt der Kinderklinik nicht über die
wirklichen Ursachen des Zustandes des Pflegekindes Ale. unterrichteten.
Maul Granderath Wahl
Boetticher Schluckebier |