BGH,
Beschl. v. 10.5.2001 - 3 StR 52/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 52/01
vom
10. Mai 2001
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen Betruges
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der
Beschwerdeführer und des Generalbundesanwaltes, zu Ziffer 2.
auf dessen Antrag, am 10. Mai 2001 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hildesheim vom 2. Oktober 2000
a) in den Schuldsprüchen dahingehend geändert,
daß der Angeklagte H. des Betruges in acht Fällen,
davon in einem Fall in 26 rechtlich zusammentreffenden Fällen,
und der Angeklagte T. des Betruges in vier Fällen, davon in
einem Fall in 30 rechtlich zusammentreffenden Fällen, schuldig
ist;
b) in den Strafaussprüchen unter Aufrechterhaltung der
insoweit getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des Betruges in 32
Fällen schuldig gesprochen und den Angeklagten H. unter
Einbeziehung der Einzelgeldstrafen aus zwei früheren
Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren, den
Angeklagten T. unter Einbeziehung der Einzelgeldstrafen aus einer
früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren verurteilt. Hiergegen wenden sich die Revisionen der
Angeklagten. Der Angeklagte H. rügt die Verletzung formellen
und materiellen Rechts, der Angeklagte T. erhebt die Sachrüge
in allgemeiner Form. Die Rechtsmittel führen zu der aus der
Beschlußformel ersichtlichen Abänderung des
jeweiligen Schuldspruchs und zur Aufhebung der
Strafaussprüche; im übrigen sind sie
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Das Landgericht hat das Konkurrenzverhältnis der den
Angeklagten zuzurechnenden betrügerischen Einzelakte rechtlich
unzutreffend beurteilt. Nach den Feststellungen haben die Angeklagten
nach Gründung der allein zu betrügerischen Zwecken
errichteten B. GmbH nicht alle den Verurteilungen zugrunde liegenden
Warenbestellungen persönlich getätigt, deren
Bezahlung sie von vorneherein nicht beabsichtigten. Vielmehr hat der
Angeklagte H. lediglich sieben und der Angeklagte T. nur drei
Bestellungen persönlich abgegeben oder an ihrer Abgabe
mitgewirkt. Die übrigen Bestellungen stammten zum einen
entweder jeweils von dem anderen Angeklagten oder von dem
Mittäter D. und waren von diesen entweder alleine oder unter
Mitwirkung der in die betrügerischen Absichten nicht
eingeweihten formellen Geschäftsführerin der B. GmbH,
Frau Q. , oder im Zusammenwirken mit einem ebenfalls arglosen
Angestellten der Gesellschaft getätigt worden. Zum anderen
waren die Bestellungen allein von Angestellten der Gesellschaft
vorgenommen worden, denen die Angeklagten die allgemeine Weisung
erteilt hatten, bei jeder Gelegenheit so viele Waren wie
möglich zu ordern (Fälle II. 8. (3.), (4.), (15.),
(16.) und (20.) der Urteilsgründe), oder von "einem
Berechtigten" der B.
GmbH (Fälle II. 8. (22.) bis (32.) der
Urteilsgründe). Danach kann den Angeklagten aber nicht jede
der Bestellungen als rechtlich selbständige Straftat
(§ 53 Abs. 1 StGB) angelastet werden.
Sind an einer Deliktsserie mehrere Personen als Mittäter,
mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die
Frage, ob die mehreren Straftaten tateinheitlich oder tatmehrheitlich
zusammentreffen, nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs für jeden der Beteiligten gesondert zu
prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der
Umfang des Tatbeitrages jedes Tatbeteiligten (vgl. Rissing-van Saan in
LK 11. Aufl. § 52 Rdn. 16 mit umfangreichen Nachw.; a. A.
für Mittäterschaft und mittelbare
Täterschaft: Stree in Schönke/Schröder, StGB
26. Aufl. § 52 Rdn. 21). Hat daher ein Mittäter, der
sich an der unmittelbaren Ausführung der Taten nicht mehr
beteiligt, einen alle Einzeldelikte fördernden Tatbeitrag
bereits im Vorfeld erbracht, so werden ihm die jeweiligen Taten des
oder der anderen Mittäter als tateinheitlich begangen
zugerechnet, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag
zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB
verknüpft werden. Ob der oder die Mittäter die ihnen
zurechenbaren Taten gegebenenfalls tatmehrheitlich begingen, ist
demgegenüber ohne Belang (s. etwa BGH NStZ 1996, 296 f.; 1997,
121; BGHR StGB § 52 Handlung, dieselbe 29). Gleiches gilt im
Falle der mittelbaren Täterschaft. Bewirkt der mittelbare
Täter durch lediglich eine Einflußnahme auf den oder
die Tatmittler, daß diese mehrere für sich genommen
selbständige Taten begehen, werden diese in der Person des
mittelbaren Täters zur Tateinheit verbunden, da sie letztlich
allein auf dessen einmaliger Einwirkung auf den oder die Tatmittler
beruhen (s. etwa BGHSt 40, 218, 238; BGH NStZ 1994, 35; BGH wistra
1996, 303; 1997, 181, 182; 1998, 262; 1999, 23, 24).
Nach diesen Grundsätzen können den Angeklagten als
tatmehrheitlich begangene Betrugstaten nur die Warenbestellungen
zugerechnet werden, die sie im Rahmen der von ihnen aufgebauten
Betriebsorganisation der B. GmbH in eigener Person allein oder im
Zusammenwirken mit einem Mittäter bzw. mit der
gutgläubigen Geschäftsführerin Q. oder mit
einem gutgläubigen Mitarbeiter der GmbH unmittelbar
gegenüber einem Handelsvertreter der geschädigten
Lieferfirmen abgaben oder auf deren Abgabe sie direkt Einfluß
nahmen. Dies sind beim Angeklagten H. die Bestellungen der
Fälle II. 8. (1.), (5.), (7.), (8.), (13.), (14.) und (18.)
der Urteilsgründe und beim Angeklagten T. die Bestellungen der
Fälle II. 8. (9.), (13.) und (18.) der Urteilsgründe.
Im Fall II. 8. (19.) der Urteilsgründe ist zugunsten der
beiden Angeklagten davon auszugehen, daß der jeweils andere
oder der Mittäter D. die Bestellung aufgab.
Einer anderen Beurteilung unterliegen dagegen die Fälle,
für die sich der Tatbeitrag der Angeklagten darin
erschöpfte, daß sie an dem Aufbau und Betrieb der
von ihnen allein zu betrügerischen Zwecken errichteten B. GmbH
mitwirkten bzw. die hiervon nach dem Zusammenhang der
Urteilsgründe nicht zu trennende allgemeine Weisung an das
gutgläubige Firmenpersonal erteilten, bei den
Handelsvertretern der Lieferanten bei jeder Gelegenheit so viele Waren
wie möglich zu bestellen (UA S. 46), während die
einzelnen Bestellungen ohne Mitwirkung des jeweiligen Angeklagten von
einem oder zwei Mittätern, von einem Mittäter im
Zusammenwirken mit der gutgläubigen
Geschäftsführerin Q. oder einem gutgläubigen
Angestellten, oder eigenständig von einem der Angestellten
aufgegeben wurde. Zu den letztgenannten, den Angeklagten als
mittelbaren Tätern zuzurechnenden Betrugstaten zählen
nicht nur die Fälle II. 8. (3.), (4.), (15.), (16.) und (20.)
der Urteilsgründe, für die ausdrücklich
festgestellt ist, daß sie von Angestellten der GmbH stammten.
Einzubeziehen sind vielmehr auch die Fälle II. 8. (22.) bis
(32.) der Urteilsgründe. Bei diesen konnte das Landgericht
lediglich feststellen, daß sie von "einem Berechtigten" der
B. GmbH vorgenommen wurden, so daß nicht ausgeschlossen
werden kann, daß sie von einer der genannten
gutgläubigen Personen herrührten.
Da sich der jeweilige Tatbeitrag der Angeklagten für diese
weiteren Betrugsdelikte auf die allgemeine Mitwirkung am Aufbau, am
Betrieb und an der Regelung der Betriebsabläufe der B. GmbH
beschränkte, sind diese Einzeltaten nach den oben
dargestellten Maßstäben jeweils zu einer weiteren
selbständigen Betrugstat in 26 (Angeklagter H. ) bzw. 30
(Angeklagter T.
) rechtlich zusammentreffenden Fällen zusammenzufassen. Diese
tritt jeweils zu den von den Angeklagten durch persönliche
Warenbestellungen verwirklichten Betrugstaten tatmehrheitlich hinzu.
Hierbei ergibt sich in Abweichung von der Zählweise des
Landgerichts für jeden der Angeklagten eine Summe von
insgesamt 33 abgeurteilten Betrugsdelikten. Dies beruht darauf,
daß das Landgericht fehlerhaft im Fall II. 8. (13.) der
Urteilsgründe von nur einer Betrugstat zum Nachteil der Firma
S. GmbH ausgegangen ist, obwohl es insoweit rechtsfehlerfrei je eine
gesonderte Bestellung des Angeklagten H. und des Angeklagten T.
festgestellt hat. Die Bestellung des jeweils anderen ist beiden
Angeklagten als weiterer mittäterschaftlich begangener
betrügerischer Einzelakt im Rahmen der zu Tateinheit
zusammenzufassenden Taten zuzurechnen.
Der Senat ändert daher die Schuldsprüche wie aus der
Beschlußformel ersichtlich ab. § 265 StPO steht dem
nicht entgegen, da sich die Angeklagten insoweit nicht anders als
geschehen hätten verteidigen können. Auch ist der
Senat durch das Verschlechterungsgebot (§ 358 Abs. 2 StPO)
nicht gehindert, nunmehr beide Angeklagten wegen insgesamt 33
Einzelakten des Betruges schuldig zu sprechen (vgl.
Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 331 Rdn.
8 m.w.Nachw.).
Die Abänderung der Schuldsprüche führt bei
beiden Angeklagten zum Wegfall sämtlicher Einzelstrafen und
der Gesamtstrafe. Denn auch die Einzelstrafen, die das Landgericht
für die selbständig tatmehrheitlich
bestehenbleibenden betrügerischen Einzeltaten festgesetzt hat,
können keinen Bestand haben, da nicht ausgeschlossen werden
kann, daß deren Bemessung durch die Einzelstrafen der nunmehr
zu Tateinheit zusammengefaßten Fälle
beeinflußt wurde. Im Fall II. 8. (13.) der
Urteilsgründe ergibt sich das Erfordernis neuer
Einzelstrafenfestsetzung darüber hinaus schon aus der oben
näher dargelegten Aufspaltung in zwei betrügerische
Einzelakte.
Die Strafaussprüche sind daher insgesamt aufzuheben. Dies gilt
jedoch nicht für die diesbezüglichen bisherigen
Feststellungen. Diese wurden rechtsfehlerfrei getroffen und
können daher bestehen bleiben. Dies schließt nicht
aus, daß die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer
insoweit ergänzende Feststellungen trifft, soweit sie zu den
bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
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