BGH,
Beschl. v. 10.5.2001 - 3 StR 96/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 96/01
vom
10. Mai 2001
in der Strafsache gegen
wegen Untreue u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 10. Mai 2001 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover
vom 13. Dezember 2000 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 44
Fällen, davon in 14 Fällen in Tateinheit mit
Urkundenfälschung, und wegen Betruges zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine Revision ist
unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund
der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben hat. Der näheren Erörterung
bedarf nur die Zumessung der Einzelstrafe im Fall II. 2. der
Urteilsgründe:
Das Landgericht hat einen besonders schweren Fall der Untreue
gemäß § 266 Abs. 2 StGB i.V.m. §
263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB angenommen, weil die Schadenssumme 50.110
DM betrug und damit den Betrag von 50.000 DM, den das Landgericht als
hierfür bedeutsam ansah, überstieg.
Durch das 6. StrRG sind Regelbeispiele für den besonders
schweren Fall des Betrugs eingeführt worden. Sie gelten
gemäß § 266 Abs. 2 StGB für die
Untreue entsprechend. Eines davon ist das Herbeiführen eines
Vermögensverlustes großen Ausmaßes. Zu
diesem Regelbeispiel hat der Bundesgerichtshof bislang nur
einzelfallbezogen ausgeführt, es sei "rechtlich nicht zu
beanstanden, daß die Strafkammer im Hinblick auf die
Tatumstände den ... Geldbetrag von über 600.000 DM
als Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB angesehen
... hat" (BGH, Beschl. vom 9. Dezember 1999 - 1 StR 543/99). In der
Literatur besteht Einigkeit insoweit, daß wegen §
263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 StGB die Grenze objektiv zu bestimmen ist.
Darüber hinaus ist die Frage umstritten: Einerseits wird
darauf abgestellt, daß der beim Opfer eingetretene
Vermögensverlust das für § 263 StGB
durchschnittliche Maß deutlich übersteigen
müsse, weswegen die Grenze nicht unter 20.000 DM anzusetzen
sei (Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 263 Rdn. 49);
andererseits soll die Faustregel gelten, daß erst
Schäden ab einer Größenordnung von etwa
100.000 DM einschlägig sind (Tiedemann in LK 11. Aufl.
§ 263 Rdn. 298; Stree-Cramer in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 263 Rdn.
188 c). Für letztere Meinung könnte die
Gesetzgebungsgeschichte sprechen. Der Regierungsentwurf sah in
§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB ein Regelbeispiel des Inhalts
vor, daß der Täter "aus grobem Eigennutz
für sich oder eine dritte Person Vermögensvorteile
großen Ausmaßes erlangt"; auch der neue
Qualifikationstatbestand des Bandenbetrugs (§ 263 Abs. 5 StGB)
setzte u.a. voraus, daß der Täter "für sich
oder eine dritte Person Vermögensvorteile großen
Ausmaßes erlangt". Die Formulierung griff in beiden
Fällen auf das tatbestandsähnliche Regelbeispiel in
§ 264 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB zurück. Der
Bundesgerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß eine
Subvention unter 100.000 DM nicht großen Ausmaßes
im Sinne dieses Regelbeispiels ist (BGHR StGB § 264 III
Strafrahmenwahl 1). Der Entwurf ging deshalb unter Bezugnahme auf die
Kommentierung (Dreher/Tröndle, StGB 47. Aufl. § 264
Rdn. 31) von einem Betrag von etwa 100.000 DM aus (BegrRE BTDrucks.
13/8587 S. 43). Im Gesetzgebungsverfahren ist an die Stelle der
Vermögensvorteile großen Ausmaßes der
Vermögensverlust großen Ausmaßes getreten.
Der Anregung des Bundesrats, schon allein das Erstreben eines
Vermögensvorteils großen Ausmaßes
ausreichen zu lassen (BTDrucks. 13/8587 S. 64), ist der Gesetzgeber
nicht gefolgt (vgl. BTDrucks. 13/8587 S. 85 und BTDrucks. 13/9064 S.
18). Daraus folgt nicht, daß der Gesetzgeber sich von der
Bewertung, die das tatbestandliche Regelbeispiel in § 264 StGB
gefunden hat, für § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB
lösen wollte.
Für die Verwirklichung des Regelbeispiels erst bei ca. 100.000
DM könnte auch folgendes sprechen: Die neuen Regelbeispiele
knüpfen - so die Begründung des Regierungsentwurfs -
an tat- oder täterbezogene Umstände an, die nach der
Rechtsprechung oder Literatur bereits auf der Grundlage des
früheren Rechts als besonders schwere Fälle gewertet
werden konnten (BTDrucks. 13/8587 S. 42). Für § 263
Abs. 3 StGB a.F. war anerkannt, daß ein sehr hoher Schaden in
erster Linie geeignet war, die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens
geboten erscheinen zu lassen; letztlich entscheidend war jedoch das
gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und
der Täterpersönlichkeit (vgl. BGH MDR (D) 1975, 368;
BGH NStZ 1982, 465; BGHR StGB § 263 III
Gesamtwürdigung 3 und 4; BGH wistra 1995, 188). Nunmehr ist
der Vermögensverlust großen Ausmaßes
bereits für sich allein zum Regelbeispiel geworden. Es bestand
deshalb kein Anlaß, von den hohen Schadenssummen, bei denen
die Rechtsprechung früher von einem sehr hohen Schaden
gesprochen hat, abzuweichen.
Andererseits ist zu bedenken, daß es sich bei Subventionen um
wirtschaftsfördernde Leistungen aus öffentlichen
Mitteln handelt (§ 264 Abs. 6 StGB). Deren Betrag ist
regelmäßig größer als der Betrag,
der bei einer durchschnittlichen Betrugstat als
Vermögensverlust des Geschädigten bewirkt wird. Dies
spräche dafür, den Betrag, von dem an allein der
Schadenshöhe wegen das Regelbeispiel des besonders schweren
Falls des Betruges verwirklicht ist, nicht mit dem des besonders
schweren Falls des Subventionsbetruges gleichzusetzen.
Welchen Wert man auch annehmen würde, er wäre
aufgrund der Regelbeispielstechnik insoweit kein absoluter Wert, als
der Tatrichter - wie auch bei den anderen Regelbeispielen - in einer
Gesamtbetrachtung feststellen muß, ob tat- oder
täterbezogene Umstände vorliegen, die die
Indizwirkung des Regelbeispiels aufheben und trotz Verwirklichung des
Regelbeispiels zu Verneinung eines besonders schweren Falls
führen können (Tiedemann in LK 11. Aufl. §
263 Rdn. 294).
Der Senat braucht indes hier nicht zu entscheiden, ob bereits ein
Vermögensverlust von 50.000 DM das Regelbeispiel verwirklicht.
Der Tatrichter hat, da die Tatzeit vor dem Inkrafttreten des 6. StrRG
(1. April 1998) liegt, im Rahmen der Prüfung, welches Recht
anzuwenden ist (§ 2 Abs. 3 StGB), die Tat auch nach §
263 Abs. 3 StGB a.F. als besonders schweren Fall des Betrugs eingestuft
und dabei rechtsfehlerfrei auf die Schadenshöhe und darauf
abgestellt, daß die Tat von der Ausnutzung der besonderen
beruflichen Vertrauensstellung des Angeklagten (auch) zu den Kunden des
Kreditinstituts geprägt war. Wegen der durch das 6. StrRG
abgesenkten Mindeststrafe (sechs Monate anstelle von einem Jahr
Freiheitsstrafe) hat der Tatrichter sodann das neue Recht als das
mildere Recht angewendet. Der Senat gewinnt daraus die
Überzeugung, daß der Tatrichter - hätte er
sich wegen der Schadenshöhe an der An-
nahme des Regelbeispiels gehindert gesehen - wegen der
Fallbesonderheiten hier einen (unbenannten) besonders schweren Fall der
Untreue angenommen hätte (Tiedemann in LK 11. Aufl. §
263 Rdn. 294 m.w.Nachw.).
Kutzer Rissing-van Saan Pfister RiBGH von Lienen ist durch Urlaub
Becker verhindert, zu unterschreiben.
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