BGH,
Beschl. v. 10.10.2001 - 3 StR 305/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 305/01
vom
10. Oktober 2001
in dem Sicherungsverfahren gegen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 10. Oktober 2001 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts
Hildesheim vom 9. Mai 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des
Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, weil er
im Zustand der Schuldunfähigkeit zwei versuchte schwere
Brandstiftungen nach § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB, eine davon in
Tateinheit mit zwei rechtlich zusammentreffenden
Körperverletzungen nach § 223 StGB, begangen habe.
Die hiergegen gerichtete Revision des Beschuldigten hat mit der
Sachrüge Erfolg, so daß es auf die
Verfahrensrügen nicht mehr ankommt.
Nach den Feststellungen hat der Beschuldigte in der Pflegestation des
Klinikums W. eine Wolldecke mit Bettbezug in den
Gemeinschaftstoilettenraum verbracht und dort angezündet, weil
er sich ungerecht behandelt gefühlt habe und dabei von ihm
gehörten Stimmen gefolgt sei. Das Feuer konnte
gelöscht werden, bevor es auf Einrichtungsgegenstände
oder Bestandteile des Gebäudes übergreifen konnte.
Dabei erlitten zwei Personen Rauchvergiftungen. Im zweiten Fall setzte
der Beschuldigte im Zimmer eines Mitpatienten ebenfalls eine Bettdecke
in Brand. Das Feuer griff auf die Matratze und hölzerne Teile
des Bettes über, konnte jedoch wiederum gelöscht
werden, bevor Bestandteile des Gebäudes erfaßt
wurden. Die Strafkammer ist nach Anhörung einer
Oberärztin dieses Klinikums zum Ergebnis gekommen,
daß der Beschuldigte wegen einer Intelligenzminderung und
einer "kombinierten Störung des Sozialverhaltens und der
Emotionalität" nicht in der Lage sei, sein Verhalten nach der
noch vorhandenen Einsicht in das Unrecht seines Tuns zu steuern
(§ 20 StGB).
Die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB setzt die
Begehung einer rechtswidrigen Tat voraus, zu der grundsätzlich
auch die inneren Merkmale des durch die Tat verwirklichten
Straftatbestandes gehören. Dies gilt insbesondere bei solchen
Taten, bei denen die innere Willensrichtung dafür entscheidend
ist, ob sie - wie hier - als Versuch eines Verbrechens der schweren
Brandstiftung nach § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB oder lediglich
als Vergehen einer Sachbeschädigung nach § 303 StGB
zu werten sind (vgl. BGHR StGB § 63 Tat 2 m.w.Nachw.).
Zur inneren Tatseite enthält das Urteil jedoch keine
ausreichenden Feststellungen. Bei der Darstellung des Sachverhalts
fehlt es an Angaben dazu, welche Vorstellungen der Beschuldigte beim
Anzünden der Bettdecken hatte, insbesondere ob er das
Gebäude selbst in Brand setzen wollte oder wenigstens
wußte, daß das Feuer auf das Gebäude
übergreifen konnte, und ob er einen solchen Erfolg im Sinne
eines bedingten Vorsatzes gebilligt hat. Bei der rechtlichen
Würdigung führt die Strafkammer zwar aus,
daß der Beschuldigte mit natürlichem Vorsatz die
"Taten" in der Erkenntnis, Unrecht zu tun, begangen habe, was sich in
seiner Äußerung, er habe nicht gewollt,
daß etwas Schlimmes passiere, wiederspiegele. Diese
Äußerung belegt zwar das
Unrechtsbewußtsein des Beschuldigten im Hinblick auf das
Anzünden der Bettdecken, nicht jedoch einen auf die
Inbrandsetzung des Gebäudes gerichteten Vorsatz. Dieser
versteht sich nach dem äußeren Tathergang und dem
geistigen Zustand des Beschuldigten auch nicht von selbst, zumal die
festgestellte Motivation (Befolgen von inneren Stimmen, Reaktion auf
ungerechte Behandlung) nicht darauf hindeutet.
Der gleiche Rechtsfehler betrifft auch die Annahme zweier in Tateinheit
begangener Vergehen der vorsätzlichen
Körperverletzung im ersten Fall. Den Urteilsfeststellungen ist
nicht zu entnehmen, daß der Beschuldigte mit solchen Folgen
gerechnet und diese auch billigend in Kauf genommen hätte.
Im übrigen verweist der Senat für die neuerliche
Hauptverhandlung wegen der bislang unzureichenden Feststellung eines
Zustandes im Sinne der §§ 63, 20, 21 StGB auf die
zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner
Antragsschrift vom 17. September 2001. Es dürfte sich
empfehlen, mit der Begutachtung des Beschuldigten nicht wiederum einen
Sachverständigen zu beauftragen, der bei der durch die
rechtswidrigen Taten geschädigten Klinik beschäftigt
ist, die an dem Ausgang des Verfahrens auch deswegen ein gesteigertes
Interesse haben könnte, weil es sich bei dem Beschuldigten um
einen "sehr schwierigen Patienten handelt, der aufgrund seiner
Impulsdurchbrüche und aggressiven Verhaltensweisen
häufig die Betreuungseinrichtung habe wechseln müssen
" (UA S. 6).
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