BGH,
Beschl. v. 10.9.2008 - 2 StR 291/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 291/08
vom
10. September 2008
in dem Sicherungsverfahren
gegen
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 10. September 2008
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 5. März 2008 mit den Feststellungen
aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des
Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die
Revision des Beschuldigten führt mit der Sachrüge zur
Aufhebung des Urteils.
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I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der nicht vorbestrafte
Beschuldigte, ein 53-jähriger alleinstehender
Frührentner, seit 1983 an einer ausgeprägten,
schweren chronischen paranoiden Schizophrenie mit deutlichen formalen
Denkstörungen nach Art eines Springens von Thema zu Thema
sowie mit massiven inhaltlichen Denkbeeinträchtigungen im
Sinne eines Größenwahns. Im Februar 1984 war er
für die Dauer von drei Wochen nach dem Hessischen
Freiheitsentziehungsgesetz wegen Eigen- und Fremdgefährdung
untergebracht.
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Der Aufenthalt in der Psychiatrie mündete indes nicht in eine
regelmäßige Behandlung, da der
krankheitsuneinsichtige Beschuldigte die Einnahme von Medikamenten
ablehnt und stattdessen wiederkehrende Symptome und akute
Zustände der Schizophrenie mit Cannabisprodukten und Alkohol
selbst therapiert.
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Seit 1977 bewohnte der Beschuldigte, der sich für ein
gottähnliches Wesen, zuweilen auch für Michelangelo,
Napoleon, Hitler oder eine andere Person der Zeitgeschichte
hält, ein Ein-Zimmer-Appartement in einem Anwesen, in dessen
Erdgeschoss sich ein Eiscafe befindet. Diese Wohnung musste der
Beschuldigte nach einer verhaltensbedingten Kündigung zum 1.
September 2007 räumen. Kündigungsgrund war, dass sich
die gesamte Wohnung - wie auch der Beschuldigte selbst - in einem
völlig verwahrlosten Zustand befand. Um sich für den
"erzwungenen" Auszug, für den er den Betreiber des Eissalons
verantwortlich machte, zu rächen, zündete der
Beschuldigte mittels Brandbeschleuniger in der Nacht vom 2. auf den 3.
September 2007 das vor dem Eiscafe gestapelte Mobiliar bestehend aus
Tischen, Stühlen und Sonnenschirmen an, wodurch ein
Sachschaden in Höhe von ca. 14.000 Euro entstand.
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II.
Das sachverständig beratene Landgericht hat hinsichtlich der
festgestellten Sachbeschädigung die Schuldfähigkeit
des Beschuldigten rechtsfehlerfrei verneint, weil eine krankhafte
seelische Störung im Sinne des § 20 StGB zum
Ausschluss der Einsichtsfähigkeit geführt hatte.
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Auch die Voraussetzungen des § 63 StGB für eine
Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus
hat das Landgericht - was die Erfordernisse eines Hanges und einer
psychotisch motivierten Tat anbelangt - zutreffend bejaht. Gleichwohl
hat der Maßregelausspruch keinen
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Bestand, weil die für eine Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus weiter vorausgesetzte
Gefährlichkeitsprognose nicht hinreichend belegt ist.
Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich
belastende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden,
wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der
Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft
erhebliche rechtswidrige Taten begehen (BGHR StGB § 63
Gefährlichkeit 11 und 26). Eine lediglich latente Gefahr und
die bloße Möglichkeit zukünftiger
Straftaten reichen nicht aus.
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In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen hat die
Strafkammer die Gefährlichkeitsprognose auf die
Befürchtung gestützt, dass zum einen wegen der
leichten Erregbarkeit und Gereiztheit des Beschuldigten bereits im
alltäglichen Leben erhebliches Konfliktpotential
bestünde und dass zum anderen infolge der Verwahrlosung des
Beschuldigten eine Kündigung auch des neuen
Mietverhältnisses aufgrund Beschwerden der Nachbarschaft zu
erwarten sei.
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Diese Erwägungen des Landgerichts berücksichtigen
jedoch nicht ausreichend, dass die für die
Schuldunfähigkeit maßgebende Schizophrenie bei dem
Beschuldigten bereits seit mindestens 1983 besteht und er bisher mit
Aggressions- und Gewaltdelikten nicht in Erscheinung getreten ist. Dass
ein Täter trotz bestehenden Defekts in 25 Jahren keine
Straftaten begangen hat, ist ein gewichtiges Indiz gegen die
Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten
(vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). Vor diesem
Hintergrund genügt der Hinweis auf die leichte Gereiztheit und
Erregbarkeit des Beschuldigten nicht, um eine aktuelle Steigerung des
Aggressionspotentials darzutun. Unberücksichtigt bleibt auch,
dass Ursache für die Anlasstat die Kündigung der
Wohnung war, die der Beschuldigte seit über 30 Jahren bewohnte
und nunmehr zwangs-
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weise verlassen musste, eine Ausnahmesituation, die nicht nur
für Personen, die an krankhaften seelischen Störungen
leiden, außerordentlich belastend sein kann.
Schließlich vermögen auch die von der Strafkammer
prognostizierten Konfliktsituationen des Beschuldigten in Bezug auf das
neue Mietverhältnis keine Wahrscheinlichkeit höheren
Grads für die Begehung künftiger Straftaten zu
begründen. Vielmehr handelt es sich insoweit lediglich um eine
latente Gefahr verbunden mit der bloßen Möglichkeit
zukünftigen gefährlichen Verhaltens.
Die Frage der Unterbringung des Beschuldigten bedarf daher umfassender
neuer Prüfung, wobei die neu entscheidende Strafkammer die
bisher nicht erörterte Entwicklung des Beschuldigten in der
einstweiligen Unterbringung in ihre Bewertung einzubeziehen und auch
die Möglichkeit einer Betreuerbestellung nach
§§ 1896 ff. BGB zu erwägen haben wird.
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Rissing-van Saan Rothfuß Roggenbuck
Appl Cierniak |