BGH,
Beschl. v. 11.8.2000 - 3 StR 235/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 235/00
vom
11. August 2000
in der Strafsache gegen
wegen versuchten schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwaltes, zu Ziffer 1.
und 4. auf dessen Antrag, am 11. August 2000 gemäß
§§ 154 Abs. 2, 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig
beschlossen:
1. Das Verfahren wird bezüglich des Diebstahls vom 3. Juli
1999 (Ziffer II. 4. der Urteilsgründe)
gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
Insoweit werden die Kosten des Verfahrens und die hierdurch erwachsenen
notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Verden vom 23. Februar 2000
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, daß der
Angeklagte des Diebstahls in fünf Fällen, des
versuchten Diebstahls, des vorsätzlichen unerlaubten
Ausübens der tatsächlichen Gewalt über ein
Springmesser und des versuchten schweren Raubes schuldig ist;
b) hinsichtlich der Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, die
das Landgericht wegen Besitzes eines Springmessers in Tateinheit mit
Diebstahl in sechs Fällen, davon in einem Fall versucht,
verhängt hat, sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes eines Springmessers
in Tateinheit mit Diebstahl in sechs Fällen, davon in einem
Fall versucht, sowie wegen versuchten schweren Raubes zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und
seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit seiner
Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
1. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Entscheidungsformel
ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs. Das Landgericht hat
angenommen, daß das Waffendelikt und sämtliche
Diebstahlstaten zueinander im Verhältnis der Tateinheit
stehen. Idealkonkurrenz zwischen dem Ausüben der
tatsächlichen Gewalt über das Springmesser und den
jeweiligen Diebstahlstaten liegt jedoch nicht vor, weil es an der
erforderlichen - zumindest teilweisen - Identität der
objektiven Tathandlungen fehlt (vgl. BGHSt 43, 317, 319; Rissing-van
Saan in LK 11. Aufl. § 52 Rdn. 19). Es läßt
sich allein eine zeitliche Überschneidung der
Deliktsverwirklichungen feststellen, weil der Angeklagte die
Diebstähle bzw. den versuchten Diebstahl aus Kraftfahrzeugen
beging, als er in seiner Wohnung das Springmesser verwahrte. Dies
allein begründet Tateinheit indessen nicht (Rissing-van Saan
aaO m.w.Nachw.). Schon aus diesem Grunde kann das Waffendelikt die
einzelnen Diebstahlstaten auch untereinander nicht zur Tateinheit
verklammern.
Durch die rechtsfehlerhafte Beurteilung des
Konkurrenzverhältnisses ist der Angeklagte hier beschwert. Die
Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, die das Landgericht auf
der Grundlage der von ihm angenommenen Tateinheit der Diebstahlstaten
und des Waffendelikts ausgesprochen hat, kann für den
Angeklagten in einem möglichen späteren
Strafverfahren im Hinblick auf § 66 Abs. 2 StGB nachteilige
Bedeutung erlangen. Dagegen liegt es angesichts der
Strafzumessungserwägungen des Landgerichts nicht fern,
daß dieses bei tatmehrheitlicher Aburteilung der genannten
Taten Einzelstrafen von weniger als einem Jahr festgesetzt
hätte. Auch kann nicht mit der gebotenen Sicherheit
ausgeschlossen werden, daß in diesem Falle die
Gesamtfreiheitsstrafe insgesamt niedriger ausgefallen wäre.
Der Schuldspruch ist daher entsprechend zu berichtigen, wobei der Senat
das Waffendelikt in der durch § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO
gebotenen Form umschreibt.
Infolge der Richtigstellung des Konkurrenzverhältnisses durch
den Senat entfällt die Einzelstrafe von einem Jahr und sechs
Monaten. Dies führt zur Aufhebung auch der Gesamtstrafe. Da
von dem aufgezeigten Rechtsfehler die bisherigen Feststellungen zum
Strafausspruch nicht berührt werden, können sie
aufrechterhalten bleiben. Dies hindert den neuen Tatrichter nicht,
für die nunmehr notwendige Festsetzung von Einzelstrafen
für die Diebstahlstaten und das Waffendelikt bzw. für
die Neubemessung der Gesamtstrafe ergänzende Feststellungen zu
treffen, soweit sie zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch
stehen.
2. Auch der Diebstahl vom 3. Juli 1999 (Ziffer II. 4. der
Urteilsgründe), an dessen - tateinheitlicher - Aburteilung
sich das Landgericht wegen des vermeintlichen Fehlens einer
Verfahrenvoraussetzung gehindert gesehen hat, steht bei zutreffender
rechtlicher Bewertung des Konkurrenzverhältnisses (s. oben 1.)
in Tatmehrheit zu den weiteren Taten des Angeklagten.
Bezüglich dieser Tat stellt der Senat nunmehr das Verfahren
auf Antrag des Generalbundesanwaltes gemäß
§ 154 Abs. 2 StPO ein. Auf dessen Ausführungen in der
Antragsschrift vom 5. Juni 2000 wird verwiesen.
3. Im übrigen hat die Überprüfung des
Urteils keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben
(§ 349 Abs. 2 StPO). Der Schuld- und Strafausspruch wegen
versuchten schweren Raubes sowie die Anordnung der Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt werden durch den aufgezeigten
Rechtsfehler nicht berührt.
Rissing-van Saan Miebach Winkler Pfister Becker |