BGH,
Beschl. v. 11.12.2006 - 5 StR 457/06
5 StR 457/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
11.12.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11.12.2006 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Leipzig vom 4. Juli 2006 nach § 349 Abs. 4 StPO im
Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349
Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer
Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Die Revision des
Angeklagten hat einen Teilerfolg. Aus den Gründen der
Antragsschrift der Bundesanwaltschaft ist die Verfahrensbeschwerde
jedenfalls unbegründet, auch die insoweit nicht näher
begründete Sachrüge ist unbegründet, soweit
sie den Schuldspruch betrifft. Hingegen hält der
Strafausspruch sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
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1. Nach den Feststellungen des Schwurgerichts tötete der
Angeklagte den R. , welchen er einen Tag zuvor am Bahnhof kennengelernt
und sodann in dessen Wohnung begleitet hatte, dort in der Nacht vom 8.
auf den 9. Juli 2005. Zum Tathergang hat die Kammer nicht
ausschließen können, dass zunächst der
unter Alkoholeinfluss regelmäßig ag-
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gressive R. den Angeklagten verbal und körperlich attackierte
und dabei auch ein Messer gegen ihn richtete. Daraufhin schlug der
Angeklagte mit mehreren Glasflaschen wuchtig auf den Kopf des R. ,
wodurch dieser benommen - und nicht ausschließbar bewusstlos
- zu Boden ging. Der Angeklagte fesselte R. an Händen und
Füßen, verband die Fesselstücke miteinander
und wirkte mittels stumpfer Gewalt auf den Oberkörper seines
Opfers ein. Er knebelte es und entschloss sich spätestens in
diesem Moment zur Tötung R. s. Mit einer mindestens
fünf Zentimeter langen Klinge schnitt er ihm zweimal in den
Hals und stach ihm in das Herz. Diese Stich- und Schnittverletzungen
führten schließlich zum Tode R. s.
Sachverständig beraten, hat die Strafkammer festgestellt, dass
die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Tat aufgrund
einer hirnorganischen Persönlichkeitsstörung (ICD-10:
F07.0) in Verbindung mit einem affektiven Erregungszustand erheblich
vermindert war.
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Die Strafkammer hat die Tat des Angeklagten zwar als einen minder
schweren Fall des Totschlags im Sinne des § 213 zweite Alt.
StGB angesehen und die Strafe dieser Vorschrift entnommen. Zu der
Annahme eines sonstigen minder schweren Falles ist sie aber nur unter
Berücksichtigung der erheblich verminderten
Schuldfähigkeit des Angeklagten bei der Tat gekommen.
Dementsprechend hat sie von einer nochmaligen Verschiebung des
Strafrahmens nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgesehen.
2. Diese Strafrahmenwahl erweist sich als rechtsfehlerhaft.
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a) Nach den Feststellungen lagen die Voraussetzungen des § 213
erste Alt. StGB entgegen der tatrichterlichen, allerdings nicht
näher begründeten Wertung vor. Die unter Anwendung
des Zweifelssatzes zugrunde gelegten auch körperlichen
Attacken des Opfers unter Einsatz eines Messers stellten sich als
Misshandlung des Angeklagten dar. Anhaltspunkte dafür, dass
die tatauslösende Spannungssituation auch dem Angeklagten
zuzurechnen gewesen wäre, liegen aufgrund der getroffenen
Feststellungen nicht vor. Da-
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nach besteht kein Anlass, die Tötung nicht als eine dem Zorn
geschuldete Reaktion - hierfür spricht auch die Heftigkeit des
Vorgehens des zur Tatzeit 60 Jahre alten, noch nie mit Gewaltdelikten
strafrechtlich in Erscheinung getretenen Angeklagten - auf die vom
Opfer ausgehende Provokation anzusehen. Allein die Mehraktigkeit der
gegen das Opfer gerichteten Angriffe, die zeitlich unmittelbar
aufeinander folgten, schließt nicht aus, dass die von der
Provokation ausgelösten affektiven Vorgänge ihren
nicht nur untergeordneten Einfluss verloren haben.
b) Da die Voraussetzungen des § 213 erste Alt. StGB vorliegen,
ist die Strafmilderung nach dieser Vorschrift zwingend und
unabhängig davon geboten, ob die Steuerungsfähigkeit
des Angeklagten erheblich vermindert war (BGHR StGB § 213 Alt.
1 Misshandlung 4). Dementsprechend stünde § 50 StGB
einer weiteren Milderung nach den §§ 21, 49 Abs. 1
StGB nicht prinzi-piell entgegen. Allerdings hängt die auf
einer krankhaften seelischen Störung des Angeklagten beruhende
hochgradige affektive Erregung mit dem Ausmaß der zur
Tatbegehung eingesetzten massiven Gewalt eng zusammen. Unter diesen
Voraussetzungen wäre eine weitere im tatrichterlichen Ermessen
stehende Strafrahmenverschiebung nicht zwingend (vgl. BGHR StGB
§ 213 Alt. 1 Beleidigung 5 und 8).
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Auch die übrigen benannten mildernden Faktoren
könnten bei der Strafzumessung stärkeres Gewicht
erhalten, da sie nicht bereits für die Annahme eines sonstigen
minder schweren Falles nach § 213 zweite Alt. StGB
herangezogen worden sind.
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3. Die dem Strafausspruch zugrundeliegenden Feststellungen werden von
dem Rechtsfehler nicht berührt; der Senat kann auch
ausschließen, dass in der neuen Hauptverhandlung ein
§ 213 erste Alt. StGB entgegenstehender Sachverhalt
festgestellt werden könnte. Der neue Tatrichter wird auf der
Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen - die allenfalls durch
weitergehende widerspruchsfreie Feststellungen ergänzt werden
dürfen - eine neue Strafe zu verhängen haben.
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Basdorf Häger Gerhardt
Brause Schaal |