BGH,
Beschl. v. 11.12.2007 - 4 StR 576/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 576/07
vom
11.12.2007
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
- 2 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 11.12.2007
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Saarbrücken vom 10. Juli 2007
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der
schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Diebstahl
schuldig ist,
b) im Rechtsfolgenausspruch, auch soweit eine Entscheidung nach
§ 64 StGB unterblieben ist, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer
räuberischer Erpressung in Tatmehrheit mit Diebstahl zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.
Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die
Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das
Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel
er-
1
- 3 -
sichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es aus den
Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch bedarf der Änderung, weil die Strafkammer
das Konkurrenzverhältnis zwischen der schweren
räuberischen Erpressung und dem Diebstahl unrichtig beurteilt
und insoweit Tatmehrheit angenommen hat.
2
Zwar sind mehrere natürliche Handlungen grundsätzlich
auch mehrere Taten im Rechtssinne. Eine Ausnahme besteht jedoch, wenn
mehrere an sich selbständige Betätigungen zeitlich,
räumlich und situativ derart miteinander verbunden sind, dass
sie bei natürlicher Betrachtungsweise eine einheitliche
Handlung bilden. Unter diesen Umständen ist von einer Tat im
Rechtssinne auszugehen (BGHR StGB vor § 1/natürliche
Handlungseinheit, Entschluss einheitlicher 13). So verhält es
sich hier. Die Wegnahme des Mobiltelefons erfolgte bei Gelegenheit der
zwar vollendeten, aber noch nicht beendeten schweren
räuberischen Erpressung zum Nachteil desselben Tatopfers.
3
Der Senat kann den Schuldspruch umstellen, da auszuschließen
ist, dass sich der Angeklagte gegen das geänderte
Konkurrenzverhältnis anders als geschehen hätte
verteidigen können.
4
2. Mit der Schuldspruchänderung entfallen die von der
Strafkammer festgesetzten Einzelstrafen (vier Jahre sowie sechs Monate
Freiheitsstrafe). Die Festsetzung der vom Landgericht als angemessen
erachteten Gesamtstrafe oder der höheren Einzelstrafe als
Strafe für das einheitliche Delikt in entsprechender Anwendung
des § 354 Abs. 1 StPO kommt hier nicht in Betracht, da die vom
Landgericht vorgenommene Strafzumessung nicht frei von Rechtsfehlern
ist (vgl. nachstehend a). Darüber hinaus hätte sich
das Landgericht ange-
5
- 4 -
sichts der getroffenen Feststellungen zur Prüfung der Frage,
ob eine Maßregel nach § 64 StGB anzuordnen ist,
veranlasst sehen müssen (vgl. nachstehend b). Der
Rechtsfolgenausspruch unterliegt deshalb insgesamt der Aufhebung.
a) Soweit das Landgericht bei Bemessung der Einzelstrafen
maßgeblich zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt
hat, dass er "zur Tatzeit wegen nicht weniger als vier Verurteilungen
... unter laufender Bewährung ... stand", hat es, worauf der
Generalbundesanwalt zu Recht hinweist, übersehen, dass die
Verurteilung durch das Amtsgericht St. Ingbert vom 19. September 2006
nach der verfahrensgegenständlichen Tat vom 28. August 2006
ergangen ist. Der Senat kann in Anbetracht der Höhe der
verhängten Strafen nicht ausschließen, dass sich
dieser Rechtsfehler bei der Bemessung der Einzelstrafen und der
Gesamtstrafe ausgewirkt hat. Die Strafe ist deshalb für das
einheitliche Delikt neu zuzumessen. Der neue Tatrichter wird auch zu
berücksichtigen haben, dass die Strafe aus dem Urteil des
Amtsgerichts St. Ingbert vom 19. September 2006
gesamtstrafenfähig (§ 55 StGB) ist.
6
b) Nach den Feststellungen konsumiert der vielfach wegen Gewalt- und
Eigentumsdelikten vorbestrafte Angeklagte seit vielen Jahren
regelmäßig Heroin. Die
verfahrensgegenständliche Tat spielte im Drogenmilieu. Der
Angeklagte hatte sich vor Tatbeginn nicht ausschließbar
Heroin gespritzt und wies im Tatzeitpunkt überdies eine
Blutalkoholkonzentration von 2,48 ‰ auf. Er hatte bei seiner
kurz nach der Tat erfolgten Festnahme deutliche Ausfallerscheinungen.
Deshalb hat das Landgericht nicht auszuschließen vermocht,
dass er die Tat im Zustand erheblich verminderter
Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begangen hat.
7
- 5 -
In Anbetracht dieser Umstände hätte der Tatrichter -
gemäß § 246 a StPO unter Hinzuziehung eines
Sachverständigen - über die Frage einer Unterbringung
des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB
(n.F.) befinden müssen. Zwar muss nach der Neuregelung des
§ 64 StGB die Maßregel nicht mehr zwingend
angeordnet werden. Gleichwohl soll auch weiterhin, wenn die
Voraussetzungen des § 64 StGB vorliegen, nur in besonderen
Ausnahmefällen von der Unterbringung abgesehen werden
(BTDrucks. 16/5137, S. 10, 16/1344, S. 12). Ein solcher liegt hier nach
den bisherigen Feststellungen nicht vor. Die Urteilsgründe
lassen trotz einer im Rahmen eines früheren
Maß-regelvollzugs gescheiterten Therapie auch nicht erkennen,
dass bei dem Angeklagten die erforderliche hinreichend konkrete
Aussicht auf einen Behandlungserfolg (§ 64 Satz 2 StGB n.F.)
nicht besteht. Vielmehr hat sich der Angeklagte im September 2006 aus
eigenem Antrieb um die Aufnahme in einer Therapieeinrichtung
bemüht, was auf eine bei ihm vorhandene Therapiebereitschaft
hinweist.
8
- 6 -
Der Anordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB (n.F.) steht
nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat,
§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Nichtanordnung der
Maßregel hat der Beschwerdeführer auch nicht von
seinem Revisionsangriff ausgenommen.
9
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible |