BGH,
Beschl. v. 11.12.2008 - 3 StR 21/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 21/08
vom
11. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Betrug
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 11. Dezember
2008 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Düsseldorf vom 29. Oktober 2007 mit den Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug in zwei
Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 300 Tagessätzen
zu je 300 Euro verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit
seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts
gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in vollem Umfang
Erfolg.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts belieferte der Angeklagte
als Diamantengroßhändler in der Zeit vom 16. Juni
1995 bis November 1997 die E. GmbH und in der Zeit vom 8. Februar 1996
bis 29. Januar 2001 die B. GmbH sowie die G. GmbH mit Diamanten. Das
"Geschäftsmodell" dieser Firmen bestand darin, über
besonders geschulte Telefonverkäufer Diamanten als Geldanlage
anzubieten. Diese gingen wie folgt vor: Den Kunden wurden
zunächst kleine weiße Diamanten zu angemessenen
Preisen verkauft, verbunden mit der Zusicherung,
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diese Steine innerhalb einer bestimmten Frist zu einem den Kaufpreis
übersteigenden Festpreis zurück zu kaufen, falls der
Kunde dies wünsche. Auf diese Weise sollte den Kunden eine
tatsächlich mit Diamanten nicht realisierbare Wertsteigerung
vorgetäuscht werden, um sie so zu weiteren
Diamantenkäufen zu verleiten. Bei diesen
Folgegeschäften wurden den Kunden - nunmehr ohne
Rückgabegarantie - größere Diamanten in
Gelb- und Brauntönen mit dem wahrheitswidrigen Hinweis, diese
seien seltener und deshalb werthaltiger als die weißen
Steine, zu deutlich überhöhten Preisen zum Kauf
angeboten. Die Telefonverkäufer der E. GmbH schlossen mit
insgesamt 19 Kunden, die Verkäufer der beiden anderen Firmen
mit 88 Kunden zum Teil mehrere Verträge über den Kauf
von Diamanten. Den Kunden der E. GmbH soll durch dieses
Geschäftsgebaren ein Gesamtschaden in Höhe von 65.000
Euro, den Kunden der beiden anderen Firmen ein solcher in Höhe
von mindestens 650.000 Euro entstanden sein.
Das Landgericht hat die Diamantengeschäfte der E. GmbH
einerseits und der beiden anderen Firmen andererseits als jeweils eine
einheitliche Betrugstat gewertet. Zu diesen Taten habe der Angeklagte
jeweils Beihilfe geleistet, da er die betrügerische
Geschäftspraxis der Firmen gekannt und gebilligt und "deren
Existenz" durch die Belieferung mit seinen Diamanten
unterstützt habe.
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2. Das angefochtene Urteil unterliegt insgesamt der Aufhebung. Es
genügt in mehrfacher Hinsicht nicht den Mindestanforderungen,
die an die Urteilsgründe auch dann zu stellen sind, wenn die
Entscheidung, wie hier, auf der Grundlage einer Verfahrensabsprache
ergangen ist; es weist daher Rechtsfehler auf, die sich auch zum
Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben können.
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Das deutsche Strafprozessrecht wird von dem Grundsatz beherrscht, dass
die Gerichte von Amts wegen den wahren Sachverhalt aufzuklären
haben (§ 244 Abs. 2 StPO). Auf dieser Grundlage (§
261 StPO) ist der Schuldspruch zu treffen und sind die entsprechenden
Rechtsfolgen festzusetzen. Dieser Grundsatz darf - schon wegen der
Gesetzesbindung des Richters (Art. 20 Abs. 3 GG) - nicht dem Interesse
an einer einfachen und schnellstmöglichen Erledigung des
Verfahrens geopfert werden (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 307, 309). Es ist
daher unzulässig, dem Urteil einen Sachverhalt zu Grunde zu
legen, der nicht auf einer Überzeugungsbildung unter
vollständiger Ausschöpfung des Beweismaterials
beruht. Dies gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte im Rahmen einer
Verfahrensabsprache geständig zeigt. Allein seine
Bereitschaft, wegen eines bestimmten Sachverhalts eine Strafe
hinzunehmen, die das gerichtlich zugesagte Höchstmaß
nicht überschreitet, entbindet das Gericht nicht von der
Pflicht zur Aufklärung und Darlegung des Sachverhalts, soweit
dies für den Tatbestand der dem Angeklagten vorgeworfenen
Gesetzesverletzung erforderlich ist. Es ist deshalb stets zu
untersuchen, ob das abgelegte Geständnis mit dem
Ermittlungsergebnis zu vereinbaren ist, ob es in sich stimmig ist und
ob es die getroffenen Feststellungen trägt (vgl. BGHSt 50, 40,
49 f.; BGH NStZ-RR aaO). Diese Grundsätze sind im vorliegenden
Fall missachtet worden.
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a) Der Schuldspruch hält aus folgenden Gründen
rechtlicher Überprüfung nicht stand:
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aa) Das Urteil lässt schon nicht erkennen, dass der Angeklagte
die betrügerischen Handlungen der von ihm belieferten Firmen
tatsächlich gefördert hat. Es fehlt an der
Feststellung, dass sich die verfahrensgegenständlichen
Diamantenverkäufe auf Steine bezogen, die aus Lieferungen des
Angeklagten stammten. Dies versteht sich nicht von selbst, da die
Urteilsgründe nicht erge-
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ben, dass die die Endverkäufe tätigenden Firmen im
Tatzeitraum ausschließlich vom Angeklagten mit Diamanten
beliefert wurden.
bb) Darüber hinaus sind die vom Landgericht festgestellten
Betrugstaten, die der Angeklagte gefördert haben soll, nicht
mit Tatsachen belegt. Das Landgericht stützt zwar seine
Überzeugungsbildung auf das vom Angeklagten in der
Hauptverhandlung abgelegte Geständnis. Dem Urteil kann aber
nicht in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren
Weise entnommen werden, dass das Geständnis diese
Feststellungen trägt (vgl. BGHSt 50, 40, 49 f.). Die
Strafkammer hat lediglich pauschal auf das vom Angeklagten nach der
Verfahrensabsprache abgegebene Geständnis verwiesen, ohne
dessen Inhalt wiederzugeben. Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass der
Angeklagte, der nach den Feststellungen des Landgerichts nur als
Zulieferer der betrügerisch handelnden Firmen tätig
wurde, jedoch in deren Geschäftstätigkeit mit den
Endkunden nicht eingebunden war, aus eigener Wahrnehmung und aus
eigenem Wissen zu den Einzelheiten der festgestellten
Diamantenverkäufe an insgesamt 107 Kunden Angaben machen
konnte.
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Ob einer der vom Landgericht vernommenen Zeugen, auf die in der
Beweiswürdigung gleichfalls nur pauschal hingewiesen wird, die
Feststellungen zu den Verkaufsgeschäften bestätigt
hat, ist ebenso nicht zu ersehen. Eine darüber hinausgehende
Beweiswürdigung hat das Landgericht nicht vorgenommen.
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b) Desweiteren lassen die Feststellungen besorgen, dass das Landgericht
bei den Betrugstaten von einem zu großen Schuldumfang
ausgegangen ist und sich dies jedenfalls bei der Strafzumessung zu
Lasten des Angeklagten ausgewirkt hat.
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aa) Bei einem Teil der tabellarisch aufgelisteten
Diamantenverkäufe ist nicht nachzuvollziehen, dass die
Käufer über die Werthaltigkeit der Steine
getäuscht wurden und ihnen durch den Ankauf ein
Vermögensschaden entstand. Nach den Feststellungen kauften
zehn von 19 Kunden der E. GmbH (Fälle A. , Be. , Gr. , H. ,
Ke. , Kr. , K. , M. , S. und St. ) ausschließlich
weiße Diamanten der Qualitätsstufe "Wesselton" oder
"River", bei denen nach der Geschäftspraxis der vom
Angeklagten belieferten Firmen Preis und Wert der Diamanten in einem
für den Kunden günstigen Verhältnis standen.
Diese Geschäfte dienten allein dazu, die Kunden zu den sodann
betrügerisch vorgenommenen Folgegeschäften zu
verleiten. In einem Fall (W. ) waren die verkauften drei Diamanten von
unbekannter Qualität. Damit sind in diesen Fällen
weder Täuschungshandlungen der Verkäufer noch
irrtumsbedingte Vermögensschäden auf Seiten der
Kunden zu erkennen.
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In gleicher Weise unklar sind die Feststellungen im zweiten Tatkomplex
(Verkäufe der B. GmbH und der G. GmbH) hinsichtlich der Kunden
Ba. , Em. und Z. , denen - jedenfalls zuletzt - ebenfalls
weiße Diamanten verkauft wurden.
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bb) Auch die von der Strafkammer vorgenommene "Schätzung" der
durch die Diamantenverkäufe entstandenen
"Gesamtschäden" ist in keiner Weise nachprüfbar und
revisionsrechtlich nicht mehr hinzunehmen. Das Landgericht hat die
Schadensberechnung lediglich damit begründet, der Angeklagte
sei den in der Anklageschrift bezifferten
Gesamtschadensbeträgen in Höhe von 130.000 Euro bzw.
1,3 Mio. Euro im Rahmen seiner geständigen Einlassung nicht
entgegengetreten. Hiervon ausgehend ist die Strafkammer zu seinen
Gunsten davon ausgegangen, dass Gesamtschäden zumindest in
Höhe der Hälfte der in der Anklageschrift
aufgeführten Beträge eingetreten seien. Fest-
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stellungen zu den den jeweiligen Kunden entstandenen
Einzelschäden hat das Landgericht nicht getroffen.
Damit ist nicht einmal im Ansatz eine tragfähige
Schätzgrundlage für die Schadensberechnung dargetan.
Das Geständnis des Angeklagten kann aus den oben dargelegten
Gründen auch in diesem Zusammenhang nicht nutzbar gemacht
werden. Der Senat vermag trotz des großzügigen
"Sicherheitsabschlags", den die Strafkammer vorgenommen hat, deshalb
nicht auszuschließen, dass sich die rechtsfehlerhafte
Schadensberechnung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
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3. Die in keiner Weise nachvollziehbaren und vom Landgericht auch nicht
begründeten Zusammenfassungen der einzelnen Betrugstaten zu
zwei einheitlichen Haupttaten und die Annahme lediglich zweier
Beihilfehandlungen des Angeklagten, der über Jahre hinweg die
drei Firmen mit Diamanten belieferte, stellen zwar keinen den
Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler dar. Die konkurrenzrechtliche
Beurteilung der Taten lässt jedoch besorgen, dass insoweit
eine verbotene Absprache über den Schuldspruch getroffen
worden ist.
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4. Mit Blick auf das Revisionsvorbringen des Beschwerdeführers
zur rechtlichen Beurteilung berufstypischer neutraler Handlungen (vgl.
hierzu BGHSt 46, 107, 112; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten
20, 24), weist der Senat auf Folgendes hin:
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Die von der Revision vorgenommene Differenzierung zwischen
Tatwerkzeugen und Bezugsobjekten (unter Bezugnahme auf SchweizBGE 119
(IV), 289; Wohlers NStZ 2000, 169, 172; Roxin in FS für
Miyazawa S. 501, 512) mit dem Ziel, der Lieferung von Farbdiamanten als
"neutralen" Bezugsobjekten ihren deliktischen Sinnbezug zu nehmen,
findet im Gesetz keine Stütze. Die bei
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berufstypischen neutralen Handlungen gegebenenfalls erforderliche
Beschränkung der Strafbarkeit lässt sich bei
sachgerechter Auslegung nach den herkömmlichen und allgemein
anerkannten Regeln über die objektive Zurechnung oder den
Gehilfenvorsatz in ausreichendem Maße erreichen (vgl. BGHR
StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 26).
Becker Miebach Sost-Scheible
Hubert RiBGH Dr. Schäfer
befindet sich im Urlaub
und ist daher gehindert
zu unterschreiben.
Becker |