BGH,
Beschl. v. 11.2.2000 - 3 StR 3/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 3/00
vom
11. Februar 2000
in der Strafsache gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 11. Februar
2000 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hildesheim vom 6. Oktober 1999 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Revision des
Angeklagten hat mit einer sachlichrechtlichen Beanstandung Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte, erregt
und wütend darüber, daß er in einer
Auseinandersetzung mit dem Zeugen S. unterlegen geblieben war, den
Entschluß gefaßt, diesen zu töten. Er
ergriff in seinem Zimmer ein Messer mit einer Klingenlänge von
20,5 cm, lief in den Hof hinunter, trat unbemerkt von hinten an den
Zeugen S. heran und stach ihm das Messer einmal wuchtig und tief in die
rechte hintere Lendengegend. Das Opfer faßte sich
überrascht an den Rücken und bemerkte Blut an der
Hand. Ein unbeteiligter Dritter rannte auf den Angeklagten zu, um
weitere Attacken zu verhindern. Der Angeklagte "hatte jedoch nicht
geplant, nochmals zuzustechen und hatte sich demzufolge bereits von dem
Zeugen S. abgewandt" (UA S. 5). So erreichte der Dritte den Angeklagten
erst, als dieser sich bereits mehrere Meter von dem Opfer entfernt
hatte. Das Landgericht hat einen Rücktritt des Angeklagten vom
Versuch abgelehnt und dazu ausgeführt: "Der Angeklagte hatte
alles getan, was für ihn zur Verwirklichung seines Tatplanes
erforderlich war. Zwar hat der Angeklagte nur einen Stich gesetzt und
dann aufgehört, jedoch hatte er eigenen Bekundungen zufolge
von vornherein nicht vor, mehrmals zuzustechen. Insofern konnte er auch
nicht ´freiwillig von der weiteren
Tatausführung´ ablassen, weil der
Tötungsversuch bereits beendet war" (UA S. 9).
Mit dieser Begründung kann ein Rücktritt des
Angeklagten vom Versuch nicht rechtsfehlerfrei abgelehnt werden. Nach
der seit vielen Jahren gefestigten Rechtsprechung der Strafsenate des
Bundesgerichtshofs kommt es für die Abgrenzung des unbeendeten
vom beendeten Versuch und damit für die Voraussetzungen
strafbefreienden Rücktritts darauf an, ob der Täter
nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen
Ausführungshandlung den Eintritt des
tatbestandsmäßigen Erfolgs für
möglich hält (sog. Rücktrittshorizont; vgl.
BGHSt 31, 170, 171; 33, 295, 297; 35, 90, 93; 39, 221, 227 - GSSt; BGH
NStZ 1986, 264 f. und 312; 1990, 30; BGHR StGB § 24 I 1
Versuch, beendeter 2, 3 ,5, 6 und Versuch, unbeendeter 4, 6, 16, 17 und
Versuch, fehlgeschlagener 8; BGH, Beschl. vom 17. November 1999 - 3 StR
472/99; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 24 Rdn. 4
a). Auf einen - fest umrissenen oder nur in groben Zügen
gefaßten - Tatplan kommt es dabei entgegen der
früheren Rechtsprechung nicht an.
Den Feststellungen läßt sich auch nicht im
Zusammenhang der Urteilsgründe entnehmen, daß der
Angeklagte die tatsächlichen Umstände, die die
Möglichkeit des Eintritts des Todes nach der Lebenserfahrung
nahelegen, erkannt hat (vgl. insoweit BGHR StGB § 24 I 1
Freiwilligkeit 26). Daß die Verletzung die große
Bauchschlagader nur um ein Geringes verfehlte, war jedenfalls bei der
bislang festgestellten Reaktion des Opfers nicht ohne weiteres
erkennbar. Nach den bisherigen Feststellungen zum Zeitpunkt, zu dem dem
Angeklagten das Messer aus der Hand geschlagen worden ist, kommt auch
ein fehlgeschlagener Versuch nicht in Betracht. Auch dafür,
daß sich der Angeklagte nach der letzten
Ausführungshandlung keine Vorstellungen über die
Folgen seines Tuns gemacht hat mit der Konsequenz, daß ein
beendeter Versuch anzunehmen wäre (BGHSt 40, 304 ff.), geben
die bisherigen Feststellungen keinen Anhalt.
Die Aufklärung dieser Umstände ist Sache des neuen
Tatrichters.
Kutzer Rissing-van Saan Miebach
Pfister von Lienen |