BGH,
Beschl. v. 11.2.2003 - 4 StR 25/03
4 StR 25/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
11. Februar 2003
in der Strafsache gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 11.
Februar 2003 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Stralsund vom 27. September 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als
Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der
Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet
und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel
hat mit der Sachrüge Erfolg, so daß es keines
Eingehens auf die Verfahrensrügen bedarf.
Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den Angeklagten der zum Nachteil
seines Stiefsohns Sven St. begangenen gefährlichen
Körperverletzung für schuldig befunden. Dagegen
hält die Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichten
versuchten Totschlags der rechtlichen Nachprüfung schon
deshalb nicht stand, weil die Begründung, mit der das
Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch
gemäß § 24 Abs. 1 StGB verneint hat,
durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Das Landgericht meint,
es liege ein fehlgeschlagener Versuch vor. Hierzu hat es
ausgeführt:
"Nachdem der Weihnachtsbaumständer zwischen Bett und
Heizkörper gefallen war, war es dem Angeklagten nicht mehr
möglich, die Tat ohne eine zeitliche Zäsur zu
beenden. Eine Vollendung der Tat hätte durch weitere
Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten allenfalls mit
zeitlicher Verzögerung nach dem Ingangsetzen einer neuen
Kausalkette herbeigeführt werden können. Eine solche
neue Kausalkette kann allenfalls der nachfolgende Schlag mit der Vase
darstellen, jedoch beruhte dieser Schlag auf einem neu
gefaßten Entschluß, durch welchen eine neue
Kausalkette in Gang gesetzt wurde. Hierfür spricht,
daß der Angeklagte zwischen dem Schlag mit dem
Tannenbaumständer und dem Schlag mit der Vase
zunächst den Zeugen Sven St. mit Fäusten angriff.
Zumindest standen dem Angeklagten nach Ausführung des Schlages
mit der Vase keine anderen gleichwertigen Mittel zur
Verfügung, mit denen die Tat ohne eine zeitliche
Zäsur hätte vollendet werden können" (UA 25).
Diese Begründung trägt den Ausschluß
strafbefreienden Rücktritts nicht. Ausgehend von den
Feststellungen des Landgerichts, der Angeklagte habe mit zumindest
bedingtem Tötungsvorsatz mit dem Tannenbaumständer
"in Richtung des Kopfes" des Sven St. geschlagen, dem es gelungen sei,
durch eine Kopfdrehung dem Schlag auszuweichen, war der Versuch des
Totschlags unbeendet und konnte der Angeklagte Strafbefreiung
grundsätzlich durch bloßes Aufgeben des
Tötungsvorsatzes erlangen. Ein strafbarer fehlgeschlagener
Versuch hätte nur dann vorgelegen, wenn der Angeklagte die
versuchte Tat als endgültig gescheitert angesehen
hätte, weil er sie, wie er wußte, mit dem bereits
eingesetzten oder anderen ihm zur Hand liegenden Mitteln nicht
vollenden konnte (BGHSt 35, 90, 94). Die Frage ist unter Beachtung des
Zweifelsgrundsatzes zu beantworten. Insoweit fehlt es aber an den
erforderlichen Feststellungen. Denn auch wenn der Angeklagte den
Tannenbaumständer, den er bei dem Schlag aus der Hand verloren
hatte, - wie das Landgericht zum engeren Tatgeschehen festgestellt hat
- "nur noch mit großem Aufwand hätte
wiedererlang(en)" können (UA 7), so belegt dies noch nicht,
daß ihm dies objektiv oder zumindest aus seiner Sicht
unmöglich war. Vielmehr hätte es dazu
näherer Feststellungen zu den räumlichen
Gegebenheiten im Schlafzimmer bedurft.
Im übrigen kann der Wertung des Landgerichts auch deshalb
nicht gefolgt werden, weil die Erwägung, die weitere
Einwirkung auf den Geschädigten mittels Fäusten und
durch den Schlag mit der Vase hätten - nach einer "zeitlichen
Zäsur" - eine "neue Kausalkette in Gang gesetzt", von den
Feststellungen nicht getragen wird. Sie steht zudem in Widerspruch zu
der Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe den versuchten
Totschlag und die gefährliche Körperverletzung, die
das Landgericht in dem Schlag mit der Vase sieht, tateinheitlich
verwirklicht. Mit welcher Vorstellung der Angeklagte dabei weiter auf
Sven St. einwirkte, teilt das Urteil nicht mit. Darauf kommt es aber
an. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der
Täter vom Versuch eines Tötungsdelikts auch nach
Scheitern seines Versuchs, das Opfer durch Verwendung des
zunächst eingesetzten Tatmittels zu töten,
strafbefreiend zurücktreten, wenn er die Möglichkeit
der Fortsetzung des Tötungsversuchs mit anderen Mitteln
erkannt, sich aber gleichwohl dazu entschlossen hat, sein Opfer nur
noch körperlich zu verletzen (BGHSt 34, 53, 58; vgl. zum
Wechsel von Tötungs- und Verletzungsvorsatz im
übrigen BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter
47). Die Sache bedarf deshalb auch unter diesem Gesichtspunkt weiterer
Aufklärung.
Im Hinblick auf die vom Landgericht angenommene tateinheitliche
Verwirklichung von versuchtem Totschlag und - für sich selbst
rechtsfehlerfrei festgestellter - gefährlicher
Körperverletzung hat der aufgezeigte Rechtsfehler die
Aufhebung des Urteils insgesamt zur Folge (vgl. BGHR StPO §
353 Aufhebung 1). Über die Sache ist deshalb insgesamt neu zu
verhandeln und zu entscheiden.
Tepperwien Maatz Athing Solin-Stojanovic Sost-Scheible |