BGH,
Beschl. v. 11.2.2009 - 5 StR 13/09
5 StR 13/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 11. Februar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Februar 2009
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 17. September 2008 gemäß § 349
Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer
räuberischer Erpressung in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die
Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen
Teilerfolg.
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1. Die eine Maßregel gemäß § 64
StGB betreffenden Erwägungen halten der sachlichrechtlichen
Prüfung nicht stand.
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Das Landgericht hat zwar der - freilich nicht im Blick auf
allfälliges Verteidigungsverhalten kritisch
überprüften - Selbsteinschätzung des
Angeklagten folgend (UA S. 8) festgestellt, dass der Angeklagte
„inzwischen seit
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einiger Zeit seine Abhängigkeit von harten Drogen
überwunden hat“, und konnte sich zudem auf das
Ergebnis einer Blutanalyse stützen, die keine Nachweise von
harten Drogen erbracht hat. Diese Umstände konnten das
Landgericht aber nicht von der Pflicht zur erschöpfenden
Beweiswürdigung entbinden (vgl. BGHSt 14, 162, 164 f.; 29, 18,
20; BGH, Beschluss vom 14. Juni 2005 - 5 StR 214/05), die sich aus den
fehlerfrei getroffenen Feststellungen ergebenden massiven Hinweise auf
eine wenigstens weiter bestehende Drogenabhängigkeit auch ohne
aktuellen Konsum harter Drogen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 2003 -
2 StR 212/03; Fischer, StGB 56. Aufl. § 64 Rdn. 7) in
Erwägung zu ziehen.
Der Lebensweg des Angeklagten, Sohn an den Folgen ihrer Sucht
mittlerweile verstorbener Drogenabhängiger, spiegelt eine
klassische Drogenkarriere. Der Angeklagte hat seit Erreichen der
Strafmündigkeit ohne Unterbrechung und ohne Beeindruckung
durch den Jugendstrafvollzug Raub- und Diebstahlstaten begangen, um -
wie es das Landgericht hinsichtlich der letzten einschlägigen
Verurteilung ausdrücklich dargelegt hat - durch Verwertung der
Beute seine Drogensucht befriedigen zu können. Noch
während seiner letzten Haftzeit hatte der Angeklagte Umgang
mit Betäubungsmitteln und wurde wegen deren unerlaubten
Besitzes verurteilt. Die auf § 35 BtMG abhebenden
Beschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin gingen Anfang
2007 noch von einer bestehenden
Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten aus, wie
auch dieser selbst nach seiner Haftentlassung am 5. Juni 2008. Anders
lässt sich die gegen den Angeklagten bei Entlassung aus dem
Jugendstrafvollzug erhobene Forderung, eine
Drogenentwöhnungstherapie zu absolvieren, nicht verstehen. Zur
Tatzeit stand der Angeklagte mit über 2 ‰ BAK unter
Alkohol und unter dem Einfluss von Cannabinoiden. All dies
hätte zu einer vertieften Prüfung des Bestehens einer
Drogenabhängigkeit genötigt.
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Es tritt hinzu, dass sich eine Bewertung der
verfahrensgegenständlichen Tat als Fortsetzung der vom
Angeklagten früher betriebenen Beschaf-
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fungskriminalität nahezu aufdrängt. Der Angeklagte
hat ein schwerwiegendes, mit einem hohen strafrechtlichen Risiko
verbundenes Verbrechen begangen, um eine nach den Tatumständen
offensichtlich nur geringe Beute erzielen zu können, die indes
ausgereicht hätte, in geringem Umfang
Betäubungsmittel zu erwerben (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni
2005 - 5 StR 214/05).
2. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafe
niedriger ausgefallen wäre, falls eine
Drogenabhängigkeit vorgelegen hätte (vgl. BGH bei
Dallinger MDR 1974, 544; BGH NStZ 1992, 381; BGH, Beschluss vom 14.
Juni 2005 - 5 StR 214/05). Die Strafe ist zumal angesichts des geringen
Umfangs der Beute und der vergleichsweise harmlosen Art des
Waffeneinsatzes trotz Anwendung des § 250 Abs. 3 StGB eher
hoch bemessen. Mit Hilfe des nach § 246a StPO zwingend zu
hörenden Sachverständigen wird das neue Tatgericht
die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 StGB neu
zu prüfen haben. Die bislang in diesem Zusammenhang
herangezogenen psychodiagnostischen Kriterien erscheinen wenig
überzeugend.
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