BGH,
Beschl. v. 11.1.2001 - 5 StR 580/00
5 StR 580/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 11. Januar 2001
in der Strafsache gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2001
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Nürnberg-Fürth vom 6. September 2000 nach §
349 Abs. 4 StPO aufgehoben, soweit die Strafaussetzung zur
Bewährung versagt worden ist. Die Vollstreckung der
verhängten Freiheitsstrafe wird zur Bewährung
ausgesetzt (§ 56 Abs. 1 StGB).
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen; es wird jedoch die Gebühr um ein Fünftel
ermäßigt. Von den durch dieses Rechtsmittel
entstandenen gerichtlichen Auslagen und notwendigen Auslagen des
Angeklagten fällt der Staatskasse ein Fünftel zur
Last.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in
Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von
einem Jahr verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat insoweit
Erfolg, als die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe
zur Bewährung ausgesetzt wird. Im übrigen ist das
Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2
StPO.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte am 3.
Februar 1997 24.200 Liter eines 96-prozentigen Alkohols, den er im
Rahmen eines Steueraussetzungsverfahrens aus Italien über
Deutschland zur Ausfuhr aus der Europäischen Union nach
Tschechien beförderte, etwa einen Kilometer vor dem
deutsch/tschechischen Grenzübergang Waidhaus der zollamtlichen
Überwachung entzogen, indem er mit einem unbekannten
Mittäter die von den Zollbehörden in Italien
angelegten Zollschnüre und Zollplomben entfernte und die
begleitenden Zolldokumente durch gefälschte Zollpapiere
für die angebliche Ausfuhr von Fliesen nach Tschechien
ersetzte. Durch die Entziehung des Alkohols aus dem
Steueraussetzungsverfahren ist Branntweinsteuer in Höhe von
mehr als 592.000 DM entstanden (vgl. § 143 BranntwMonG).
Nach Abfertigung an der deutschen Grenzkontrollstelle wurde der Alkohol
bei der Einfuhr nach Tschechien entdeckt und beschlagnahmt. Der
Angeklagte wurde in der Tschechischen Republik wegen versuchter Einfuhr
nichtdeklarierten Alkohols zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr mit
Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt, die ihm im Jahr 1999
erlassen wurde.
2. Die Nachprüfung des Urteils hat weder im Schuldspruch noch
im Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
ergeben. Die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung
hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Das Landgericht hat dem Angeklagten eine günstige
Sozialprognose gestellt (§ 56 Abs. 1 StGB), eine
Strafaussetzung zur Bewährung indes nach § 56 Abs. 3
StGB versagt. Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten
bis zu einem Jahr ist zur Verteidigung der Rechtsordnung allerdings nur
dann geboten, wenn eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung im
Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalls für
das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen
müßte und dadurch das Vertrauen der
Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts
erschüttert werden könnte (vgl. BGHSt 24, 40, 46;
BGHR StGB § 56 Abs. 3 - Verteidigung 15; BGH wistra 2000, 96,
97). Generalpräventive Erwägungen dürfen
demgemäß nicht dazu führen, bestimmte
Tatbestände oder Tatbestandsgruppen unter diesem Gesichtspunkt
von der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur
Bewährung auszuschließen. Erforderlich ist vielmehr
stets eine dem Einzelfall gerecht werdende Abwägung, bei der
Tat und Täter umfassend zu würdigen sind (BGHSt 24,
40, 46; BGHR StGB § 56 Abs. 3 - Verteidigung 5, 6 und 16;
NStZ-RR 1998, 7, 8).
Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des Landgerichts
zu § 56 Abs. 3 StGB nicht gerecht. Bei der
Gesamtwürdigung hat das Landgericht nicht ausreichend
berücksichtigt, daß der nicht vorbestrafte,
geständige Angeklagte nur wegen einer einzigen Tat verurteilt
wurde, die in zeitlichem, örtlichem und situativem
Zusammenhang mit dem Einfuhrschmuggel nach Tschechien stand und
ausschließlich der Vorbereitung der in Tschechien begangenen
Tat diente. Für die dort begangene Tat wurde der Angeklagte
bereits zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur
Bewährung verurteilt. Zudem hat das Landgericht nicht bedacht,
daß der Alkohol nicht im Verbrauchsteuergebiet der
Europäischen Union verblieben und damit dem Fiskus im
Vergleich mit der vorgesehenen Ausfuhr im Versandverfahren im Ergebnis
kein Nachteil entstanden ist. Denn die dem Steueraussetzungsverfahren
entzogenen Waren wurden alsbald nach Tschechien ausgeführt.
Bei legaler Ausfuhr in diesem Verfahren wären die
Eingangsabgaben nicht entstanden (§ 142 BranntwMonG).
Schließlich hat der Tatrichter nicht in die Erwägung
eingestellt, daß der Angeklagte zum Urteilszeitpunkt bereits
fünf Monate - also fast die Hälfte der
verhängten Freiheitsstrafe - durch die erlittene
Untersuchungshaft verbüßt hat. Nach der
Rechtsprechung ist aber die in der Sache erlittene Untersuchungshaft
bei einer Entscheidung nach § 56 Abs. 3 StGB stets zu
berücksichtigen (vgl. BGHR § 56 Abs. 3 - Verteidigung
7 m.w.N.; BGH wistra 1989, 305, 306).
Da die verhängte Freiheitsstrafe ein Jahr nicht
übersteigt und das Landgericht dem Angeklagten bereits eine
günstige Sozialprognose gestellt hat, ist die Strafaussetzung
zur Bewährung geboten. Diese kann der Senat selbst vornehmen,
weil aufgrund der ansonsten umfassenden Ausführungen des
Landgerichts zu § 56 Abs. 3 StGB ausgeschlossen werden kann,
daß das Landgericht bei einer neuen Würdigung der
Umstände unter Berücksichtigung der aufgezeigten
Erwägungen zu einer abweichenden Entscheidung gelangen
könnte. Die nach § 268a StPO noch erforderlichen
Nebenentscheidungen hat allerdings das Landgericht zu treffen.
Harms Häger Tepperwien
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