BGH,
Beschl. v. 11.1.2005 - 1 StR 498/04
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
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§§ 68a, 77, 241 Abs. 2, 244 Abs. 2 bis 4 StPO
Auch im Rahmen der vorrangigen Verpflichtung zur Wahrheitsermittlung
ist auf
die Achtung der menschlichen Würde eines Zeugen Bedacht zu
nehmen. Beweiserhebungen
zu dessen Privat- und Intimleben sind nur nach sorgfältiger
Prüfung ihrer Unerläßlichkeit statthaft.
Dies ist bei der Leitung eines Sachverständigen
ebenso zu berücksichtigen wie bei der Zulassung von Fragen und
bei der Entscheidung über den Umfang der Beweisaufnahme.
BGH, Beschluß vom 11.01.2005 - 1 StR 498/04 - LG Baden-Baden
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 498/04
vom
11.01.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11.01.2005 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Baden-Baden vom 16. Februar 2004 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen
Auslagen zu tragen.
Gründe:
I.
1. Der Angeklagte gab der im selben Haus wie er wohnhaften
Nebenklägerin
im Oktober 2001 einen Zettel, auf den er "Ich liebe Sie von ganzem
Herzen,
wollen Sie mit mir gehen?" geschrieben hatte. Die gleichgeschlechtlich
orientierte
Nebenklägerin, die seit Jahren keine sexuellen Kontakte zu
einem Mann
gehabt hatte, hatte nicht reagiert und auch der Angeklagte war hierauf
zunächst
nicht zurückgekommen. Am 7. Dezember 2001 ließ ihn
die Nebenklägerin in ihre
Wohnung, weil er angeblich mit ihr reden wollte und sie glaubte, die
ganze Angelegenheit
ausräumen zu können. In der Wohnung bedrohte er sie
mit einem
Messer, schlug sie und vergewaltigte sie.
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2. Noch am Tattag wurden Spermaspuren des Angeklagten in der Scheide
der Nebenklägerin gesichert. Der Angeklagte wollte zwar
"glauben machen",
diese Spur stamme von einem anderen Mann, räumte aber doch
Geschlechtsverkehr
ein und gab an, er hätte seit Monaten ein Verhältnis
mit der Nebenklägerin
gehabt. Mit der Anzeige räche sie sich dafür,
daß er nicht für sie seine
Familie verlasse.
Die Strafkammer hat die Behauptung eines schon länger
bestehenden
Verhältnisses als Erfindung bewertet, wegen des Zettels ebenso
wie deshalb,
weil ihm weder ihr Vorname noch die über 20 cm langen Narben
unter ihren
Brüsten bekannt waren.
3. Sie hat ihn wegen Vergewaltigung zu drei Jahren Freiheitsstrafe und
zur Zahlung eines der Höhe nach noch nicht festgesetztes
Schmerzensgeldes
verurteilt.
Die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge
gestützte Revision des Angeklagten
ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
II.
Über die, durch die Erwiderung der Revision nicht
entkräfteten Darlegungen
des Generalbundesanwalts hinaus bemerkt der Senat:
1. Da die Nebenklägerin es abgelehnt hat, sich (nochmals)
begutachten
zu lassen, geht das hierauf bezogene Revisionsvorbringen ins Leere; die
beantragte
Begutachtung wäre unzulässig gewesen (st. Rspr. vgl.
BGHSt 13, 394,
398; 14, 21, 23; w. Nachw. bei Senge in KK 5. Aufl. § 81c Rdn.
9).
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2. Die Revision rügt eine Verletzung von "§§
406e, 337 StPO", weil die
Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren dem Rechtsanwalt der
Nebenklägerin
Akteneinsicht gewährt hat. Später hat sich
herausgestellt, daß die Nebenklägerin
einigen auch als Zeugen gehörten Mitbewohnern Einsicht
zumindest in
Teile dieser Akten verschafft hat.
a) Hätte (erst) der Strafkammervorsitzende die Akteneinsicht
gewährt
(§ 406e Abs. 4 Satz 1, 2. Halbsatz StPO), wäre eine
hierauf gestützte Verfahrensrüge
unstatthaft, ohne daß es auf weiteres ankäme
(§ 406e Abs. 4 Satz 2,
2. Halbsatz StPO i. V. m. § 336 Satz 2 StPO; vgl. Hilger in
Löwe/Rosenberg
StPO 25. Aufl. § 406e Rdn. 17; anders wohl Velten in SK-StPO
§ 406e Rdn. 20).
Hier hat gemäß § 406e Abs. 4 Satz 1, 1.
Halbsatz StPO die Staatsanwaltschaft
entschieden. Der Beschuldigte hat (offenbar), aus welchen
Gründen auch
immer (etwa zunächst versagtes rechtliches Gehör kann
nachgeholt werden, vgl.
BGH NStZ 1991, 95), den zulässigen Rechtsbehelf nicht
ergriffen. Dieser hätte
zu einer nicht anfechtbaren richterlichen Entscheidung
geführt, § 406 Abs. 4
Satz 2 StPO i. V. m. § 161a Abs. 3 Sätze 2 bis 4 StPO.
Es kann aber offen bleiben, welchen Einfluß dieser
Verfahrensgang auf
die Statthaftigkeit der Rüge hat, da sie hier auf keinen Fall
Erfolg haben kann.
b) Wenn überhaupt, hätte hier Akteneinsicht
gemäß § 406e Abs. 2 Satz 2
StPO versagt werden können. Hinsichtlich der Frage nach einer
etwaigen Gefährdung
des Untersuchungszwecks besteht ein weiter Entscheidungsspielraum
(Hilger aaO Rdn. 12). Die danach gebotene (§ 344 Abs. 2 Satz 2
StPO) Mitteilung,
ob und gegebenenfalls wie der Staatsanwalt seine Entscheidung
begründet
hat (vgl. § 406e Abs. 4 Satz 4 StPO) fehlt aber ebenso wie die
Mitteilung des
konkreten Ermittlungsstands bei Erteilung der Akteneinsicht. Nur dann
könnte
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beurteilt werden, ob eine Gefährdung des Untersuchungszwecks
überhaupt in
Betracht zu ziehen gewesen wäre. Auch zu der Frage, ob und
warum zu diesem
Zeitpunkt schon mit einer Weitergabe von Akten zu rechnen war (vgl. LG
Bielefeld
wistra 1995, 118, 120 m. w. N.), äußert sich die
Revision nicht.
c) Unabhängig davon würde selbst ein in diesem
Zusammenhang unterlaufener
Verfahrensverstoß zu keinem Beweisverwertungsverbot
führen (so aber
Velten aaO Rdn. 13; offen gelassen bei Hilger aaO Rdn. 18), da ein
Beweisverwertungsverbot
regelmäßig einen rechtswidrigen Beweiserhebungsakt
voraussetzt.
Die Gewährung von Akteneinsicht stellt aber keine
Beweiserhebung dar
(vgl. Stöckel in KMR § 406e Rdn. 18). Aktenkenntnis,
im übrigen auch wenn sie
auf zu Recht gewährte Akteneinsicht zurückgeht, ist
erforderlichenfalls bei der
Beweiswürdigung zu berücksichtigen (vgl.
Stöckel aaO). Dabei spricht es offensichtlich
nicht für die inhaltliche Unrichtigkeit einer Aussage, wenn
der Zeuge
nach Akteneinsicht seine bereits aktenkundige Aussage wiederholt. Die
Aussagen
der übrigen in Rede stehenden Zeugen haben für die
zentrale Frage nach
Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit des Geschlechtsverkehrs ohnehin
eine allenfalls
sehr untergeordnete Bedeutung. Sie sollten zahlreiche vom Angeklagten
behauptete Details zum Zustandekommen seines näheren Kontaktes
mit der
Nebenklägerin bestätigen, haben aber keine seiner
Behauptungen auch nur ansatzweise
bestätigt. So hatte er behauptet, die Nebenklägerin
habe ihm etwa
sieben Monate vor der Tat im April 2001 im Hof angesprochen; sie habe
damals
im Hof mit ihrem Sohn Federball gespielt, er (der Angeklagte) habe dort
zur gleichen
Zeit mit dem Hausmeister Holz gehackt. All dies erwies sich als
zweifelsfrei
falsch, weil der Sohn zu jener Zeit Soldat in M. war und der Hausmeister
im ganzen ersten Halbjahr 2001 schwer erkrankt war. Soweit für
all dies
das genannte Geschehen im Zusammenhang mit der Akteneinsicht
überhaupt
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von Bedeutung sein kann, hat es die Strafkammer in gebotenem Umfang
gewürdigt.
d) Soweit die Revision schließlich bemängelt, der
Vorsitzende habe in der
Hauptverhandlung namens des Gerichts später nicht eingehaltene
Zusagen zur
Würdigung der genannten Aussagen gemacht, ist diesem
Vorbringen schon
deshalb nicht näher nachzugehen, weil es ausweislich der
dienstlichen Erklärung
des Vorsitzenden in tatsächlicher Hinsicht ins Leere geht.
3. Soweit die Revision zur Sachrüge ausführt, die
Beweiswürdigung werde
den Anforderungen bei "Aussage gegen Aussage" nicht gerecht, ist
verkannt,
daß diese vom Fehlen sonstiger Erkenntnisse gekennzeichnete
Konstellation
(st. Rspr., vgl. zuletzt BGH NStZ 2004, 635, 636) nicht vorliegt. Es
gibt
nämlich, z. B. mit dem Zettel, den Spermaspuren und den Narben
eine Reihe
von Indizien, die die Strafkammer in die Würdigung der
zentralen Aussagen des
Angeklagten einbeziehen konnte. Rechtsfehler sind dabei nicht
ersichtlich; praktisch
jede Behauptung des Angeklagten hat sich als falsch erwiesen.
4. Die Strafkammer ist von einem minder schweren Fall i. S. d.
§ 177
Abs. 5 StGB ausgegangen. Diese Annahme, die sich zumindest nicht
aufdrängt,
ist nicht fallbezogen konkret begründet. Es wäre auch
zulässig gewesen, bei
der Strafzumessung die ebenso ehrenrührige wie haltlose
Behauptung des Angeklagten
zu berücksichtigen, die Nebenklägerin sei eine
Gelegenheitsprostituierte,
(vgl. nur BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 14, 19
jew. m. w.
N.), zumal sie mit seinem Verteidigungsvorbringen - Geschlechtsverkehr
im
Rahmen einer Beziehung; Anzeige weil er seine Familie nicht verlassen
wollte -
in keinem erkennbaren Zusammenhang steht. Zumindest wäre dies
zu erörtern
gewesen. All dies hat den Angeklagten aber nur begünstigt.
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5. Das Vorbringen, der Adhäsionsantrag sei wegen
Pfandlosigkeit des
Angeklagten eine i. S. d. § 114 ZPO mutwillige
Rechtsverfolgung, Prozeßkostenhilfe
hätte daher (gemäß § 404 Abs. 5
Satz 1 StPO) nicht gewährt werden
dürfen, geht ins Leere. Die gemäß
§ 404 Abs. 5 Satz 3, 2. Halbsatz StPO unanfechtbare
Entscheidung hierüber ist gemäß §
406a Abs. 2 Satz 1 StPO i. V. m.
§ 336 Satz 2 StPO im Revisionsverfahren nicht zu
überprüfen. So wäre es im
Ergebnis auch in einem Zivilprozess, § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
6. Die Revision bemängelt die Kostenentscheidung, (wohl nur)
hinsichtlich
der Adhäsionsentscheidung. Diese erstmals in der
Revisionsbegründung
vom 7. Mai 2004 (dort S. 87) enthaltenen, wenig spezifizierten
Ausführungen
können auf sich beruhen, weil sie verspätet sind.
Einwände gegen die Kostenentscheidung
wären im Rahmen einer zusätzlich zur Revision
einzulegenden
sofortigen Beschwerde (§ 464 Abs. 3 StPO, hier i. V. m.
§ 472a Abs. 1 StPO)
innerhalb der hierfür vorgesehenen Frist (§ 311 Abs.
2 StPO) anzubringen gewesen
(vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2003 - 1 StR 357/02 m. w. N.).
III.
Der Senat sieht Anlaß zu folgendem Hinweis:
Angesichts der Bedeutung der Aussage der Nebenklägerin
für die Erweislichkeit
eines schweren Verbrechens hat sich die Strafkammer zu Recht eingehend
mit dieser Aussage auseinandergesetzt. Auch im Rahmen seiner vorrangigen
Verpflichtung zur Wahrheitsermittlung hat das Gericht (ebenso wie auch
die
Ermittlungsbehörden) jedoch auf die Achtung der menschlichen
Würde eines
Zeugen, wie sie sich letztlich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergibt,
Bedacht zu
nehmen (vgl. nur BGHSt 48, 372 m. w. N.). "Aufgabe eines sozialen
Rechtsstaates
ist es nicht allein, darauf zu achten, daß die Straftat
aufgeklärt und Schuld
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oder Unschuld in einem rechtsstaatlichen Verfahren festgestellt werden,
sondern
auch, daß die Belange des Opfers gewahrt werden" (so die
Materialien zum
OpferRRG vom 24. Juni 2004, BGBl. I 1354 ff., BTDrucks. 15/1976 S. 7
Abschnitt
A II vor 1.). Die besondere Bedeutung dieser Grundsätze wird
auch in
dem Rahmenbeschluß der Europäischen Union
über die Stellung des Opfers im
Strafverfahren vom 15. März 2001 (vgl. ABl. der
Europäischen Gemeinschaft
vom 22. März 2001, L 82/1 ff.) hervorgehoben, auf den die
Materialien zum
OpferRRG hinweisen (vgl. BTDrucks. 15/1976 und 15/2536 jeweils S. 1
Abschnitt
A). In diesem Rahmenbeschluß wird unter anderem "das Recht
auf eine
Behandlung unter Achtung der Würde des Opfers" und dessen
Recht "in den
verschiedenen Phasen des Verfahrens geschützt zu werden" (vor
Artikel 1, Abschnitt
8) betont. Dementsprechend heißt es in dem genannten
Rahmenbeschluß
weiter, daß sich die Mitgliedsstaaten "weiterhin nach
Kräften (bemühen),
um zu gewährleisten, daß das Opfer während
des Verfahrens mit der gebührenden
Achtung seiner persönlichen Würde behandelt wird"
(Art. 2 Abs. 1
Satz 2) und daß die Mitgliedsstaaten "die gebotenen
Maßnahmen (ergreifen),
damit ihre Behörden Opfer nur in dem für das
Strafverfahren erforderlichen Umfang
befragen" (Art. 3 Abs. 2). Aus alledem folgt etwa, daß
Erörterungen und
Beweiserhebungen zu Privat- und insbesondere auch Intimleben eines
Zeugen,
die zu dem Verfahrensgegenstand in keinem unmittelbaren Zusammenhang
stehen,
nur nach sorgfältiger Prüfung ihrer
Unerläßlichkeit statthaft sind. Dies ist
bei der Leitung der Tätigkeit eines Sachverständigen
(§ 77 StPO) ebenso zu
berücksichtigen, wie bei der Zulassung von Fragen
(§§ 68a, 241 Abs. 2 StPO)
und vor allem bei der Entscheidung über den Umfang der
Beweisaufnahme (§
244 Abs. 2 bis 4 StPO). Der Grundsatz, daß eine ausufernde
Aufklärung nicht
geboten ist (vgl. hierzu Meyer-Goßner StPO 47. Aufl.
§ 244 Rdn. 13 m. w. N.),
hat in dem in Rede stehenden Zusammenhang besonderes Gewicht.
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1. Die Strafkammer hat sich zur Aussagetüchtigkeit und zur
Glaubhaftigkeit
der Aussagen der Nebenklägerin psychiatrisch beraten lassen.
a) "Aussagetüchtigkeit" bedeutet die Fähigkeit eines
Menschen zu einer
richtigen und vollständigen Aussage (vgl. nur Schumacher in
StV 2003, 641).
Der Richter, der glaubt, hierüber ohne
sachverständige Hilfe nicht befinden zu
können, ist freilich in seiner Entscheidung frei, ob er einen
Psychiater oder einen
Psychologen beauftragt (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 4 Satz 1
Glaubwürdigkeitsgutachten
4 m. w. N.). Psychiatrische Beratung wird aber nur dann angezeigt
sein, wenn die Zeugentüchtigkeit dadurch in Frage gestellt
ist, daß der
Zeuge an einer geistigen Erkrankung leidet oder sonst Hinweise darauf
vorliegen,
daß die Zeugentüchtigkeit durch aktuelle
psychopathologische Ursachen
beschränkt sein kann (vgl. BGH StV 2002, 293 m. w. N.). Ob
für eine entsprechende
Überprüfung überhaupt Anhaltspunkte
bestehen, hat der Richter (im Ermittlungsverfahren
der Staatsanwalt) zu entscheiden, der dem Sachverständigen
die konkreten Gründe für die Notwendigkeit einer
Begutachtung verdeutlichen
sollte. Nur so kann vermieden werden, daß, wie hier, der
Sachverständige zwar
zum Ergebnis kommt, es gebe keinen psychisch auffälligen
Befund, er aber
gleichwohl eingehend untersucht und erörtert, ob die
Nebenklägerin psychotisch,
schwachsinnig oder sonst ernsthaft gestört sein
könnte. Ebenso wenig ist
angezeigt, im Hinblick auf eine mögliche
Einschränkung der Aussagetüchtigkeit
durch Alkoholismus, über Jahre zurück den nicht immer
unproblematischen Umgang
der Nebenklägerin mit Alkohol in allen Details und auch allen
Peinlichkeiten
- bis hin zur Frage eines Zusammenhangs zwischen Alkoholismus und dem
zwar unaufgeräumten aber doch hygienisch einwandfreien Zustand
ihrer Wohnung
- zu ermitteln und auch sachverständig bewerten zu lassen, nur
um dann
zu dem Ergebnis zu kommen, jeder Zusammenhang zwischen Alkohol und der
Aussage sei ausgeschlossen.
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b) Bei der Prüfung der Glaubhaftigkeit der Aussage im
übrigen ist letztlich
nicht zwischen allgemeiner Glaubwürdigkeit und spezieller
Glaubwürdigkeit unterschieden
(vgl. schon BGH StV 1994, 64 m. w. N.; eingehend Boetticher in
NJW Sonderheft für G. Schäfer 8, 12 m. w. N.);
dementsprechend steht weniger
die Frage nach einer allgemeinen Glaubwürdigkeit des Zeugen im
Sinne einer
dauerhaften personalen Eigenschaft (sein "Leumund") im Vordergrund,
sondern
vorrangig um die Analyse des Aussageinhalts, d. h. um eine methodische
Beurteilung,
ob auf ein bestimmtes Geschehen bezogene Angaben einem
tatsächlichen
Erleben des Zeugen entsprechen (vgl. BGHSt 45, 164; StV 2002, 639,
640). Scharfe Abgrenzungen sind nicht immer möglich, sondern
richten sich
nach den Umständen des Einzelfalles. So kann früheres
Verhalten vor allem
dann durchaus Schlußfolgerungen zulassen, wenn die
entsprechenden Lebenssituationen
mit der jetzigen vergleichbar sind. Fehlverhalten der
Nebenklägerin
bei oder nach der Beendigung privater Beziehungen könnte dann
also etwa hier
von Bedeutung sein, wenn auch hier die Beendigung einer privaten
Beziehung
im Raum stünde (vgl. etwa Maiwald in AK-StPO § 261
Rdn. 24). Dies ist jedoch,
wie die Erheblichkeit jeder anderen Hilfstatsache, vorab zu
klären. Es erscheint
nicht angezeigt, vergleichbar der Frage nach dem Alkoholismus, mit
Hilfe zahlreicher
Zeugen die Beendigung einer Reihe von privater Beziehungen genauestens
nachzuzeichnen, Fehlreaktionen und Fehlverhalten der
Nebenklägerin
dabei in allen Einzelheiten zum Gegenstand der Beweisaufnahme (und
teilweise
auch Begutachtung) zu machen, nur um dann zu dem Ergebnis zu kommen, all
dies sei gleichgültig, weil es keinerlei Anhaltspunkte
dafür gebe, daß zwischen
dem Angeklagten und der Nebenklägerin je irgendeine Beziehung
bestanden
hätte.
2. Noch weniger zu erkennen ist die Notwendigkeit, so, wie geschehen,
eingehend - ohne daß sich im übrigen irgend ein
Anhaltspunkt ergeben hätte -
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etwa darüber Beweis zu erheben, ob die Nebenklägerin
mit den für das Haus
zuständigen Briefträgern und (oder) Kaminkehrern
Geschlechtsverkehr gehabt
hat. Selbst wenn dies, sei es auch gegen Geld, so gewesen wäre
und sie nicht
bereit gewesen wäre, dies zuzugeben, hätte es vor
solchen Beweisaufnahmen
eingehender Überlegung bedurft, ob sich dies
überhaupt auf die Entscheidung
auswirken könnte. Von selbst versteht sich dies hier nicht.
Für die ähnlich intensiv
(und mit vergleichbarem Ergebnis) geprüfte Frage, ob die vor
Jahren gegen
die Nebenklägerin anonym vorgebrachte Beschuldigung einer
Frau, die Nebenklägerin
habe mit ihr eine zunehmend von Gewalt geprägte sexuelle
Beziehung
gehabt und der damals minderjährige Sohn der
Nebenklägerin sei einbezogen
gewesen, entgegen den damaligen polizeilichen Ermittlungen nicht doch
einen
wahren Kern haben könne, gilt nichts anderes.
3. Die Nebenklägerin war nicht bereit, sich nochmals
begutachten zu lassen
(vgl. oben II. 1.). Die - unbeschadet aller rechtlichen Einzelheiten
jedenfalls
nicht wünschenswerte - Weitergabe der Akten durch die
Nebenklägerin an ihr
Umfeld (vgl. oben II. 2. vor a)) nach den eingehenden Ermittlungen in
diesem
Umfeld zu ihrem Privatleben deutet in ähnliche Richtung. Es
liegt nahe, daß es
sich bei alledem um Gegenreaktionen der Nebenklägerin darauf
handelt, daß
bei ihr der Eindruck erweckt wurde, nicht die Frage, ob sie Opfer einer
Straftat
wurde, stehe im Mittelpunkt des Verfahrens, sondern Ausforschung und
Bewertung
ihres Lebens ("erste lesbische Erfahrungen ca. 1985") mit all seinen
Stärken
("Übersiedlung aus der DDR bewältigt") und
Schwächen ("episodischer Alkoholmißbrauch").
Auch wenn vorliegend weder ein Nutzen weiterer Begutachtung
noch eine Beeinträchtigung des Werts wesentlicher Aussagen
erkennbar ist,
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wird durch das aufgezeigte Verhalten der Nebenklägerin im
Verfahren doch
deutlich, daß durch Art und Umfang der sie betreffenden
Überprüfungen in der
Tendenz selbst das Ziel der Wahrheitsermittlung eher gefährdet
als gefördert
wurde.
Nack Wahl Hebenstreit
Elf Graf |