BGH,
Beschl. v. 11.1.2005 - 5 StR 510/04
5 StR 510/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
11.01.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11.01.2005
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 28. Juli 2004 nach § 349 Abs. 4 StPO mit
den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen einer einheitlichen Beihilfe
zur Steuerhinterziehung und zur gewerbsmäßigen
Steuerhinterziehung
zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die
Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur
Aufhebung des angefochtenen
Urteils.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hinterzog der anderweitig
verfolgte Geschäftsführer einer Im- und Export GmbH
für die Jahre 2000
(Abgabe der Steuererklärungen am 12. November 2001) und 2001
(Abgabe
der Steuererklärungen am 12. Dezember 2002) dadurch
Körperschaft- und
Gewerbesteuer sowie Solidaritätszuschlag, daß er
Betriebseinnahmen der
GmbH in den für die Gesellschaft abgegebenen
Steuererklärungen verschwieg.
Der Angeklagte, der in hervorgehobener Stellung als Speditionskaufmann
in diesem Unternehmen tätig war, hatte im Zusammenwirken mit
dem Haupttäter Geschäftspartner der GmbH
veranlaßt, fällige Zahlungen
nicht auf das in Deutschland geführte Geschäftskonto,
sondern auf im Ausland
geführte Tarnkonten zu überweisen. Die so
verschleierten Einnahmen
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gingen nicht in die Steuererklärungen der GmbH ein. Insgesamt
verkürzte
der Haupttäter dadurch Steuern in Höhe von rund 4,5
Mio. DM.
Das Landgericht hat einen Tatbeitrag des Angeklagten bei der Erstellung
der Steuererklärungen ausdrücklich verneint; es hat
eine tateinheitliche
Beihilfe zur Steuerhinterziehung (Steuerjahr 2000) und zur
gewerbsmäßigen
Steuerhinterziehung (Steuerjahr 2001) angenommen, da der Tatbeitrag des
Angeklagten „sich in seiner sonstigen Tätigkeit
für die GmbH, die als einheitliche
Handlung zu werten“ sei, erschöpft habe. Die Strafe
hat das Landgericht
dem nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB
gemilderten Strafrahmen
des § 370a Satz 1 AO entnommen.
2. Die Verurteilung wegen tateinheitlicher Beihilfe zur
Steuerhinterziehung
und zur gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung
hält sachlich-rechtlicher
Überprüfung nicht stand.
Das Landgericht hat nicht ausreichend bedacht, daß es
für die Strafbarkeit
des Angeklagten auf den Zeitpunkt der Begehung der Beihilfehandlung
ankommt. Der für den Bestand des Schuldspruchs wesentliche
Begehungszeitpunkt
der Beihilfehandlung bestimmt sich gemäß §
2 Abs. 1 und 2
sowie § 8 StGB nach dem Zeitpunkt der Teilnahmehandlung als
solcher und
nicht nach dem Begehungszeitpunkt der hier teilweise
(Steuererklärungen für
2001 vom 12. Dezember 2002) zweifelsfrei nach Inkrafttreten des
§ 370a AO
begangenen Haupttaten (vgl. BGHR StGB § 8 Teilnehmer 1
m.w.N.). Eine
Ausrichtung an der Haupttat, die das Landgericht ersichtlich zugrunde
gelegt
hat, widerspricht dem Grundgedanken des § 8 StGB, dem
Bestimmtheitsgebot
sowie dem Rückwirkungsverbot (vgl. BGH aaO m.w.N.).
Auf die Beihilfehandlung des Angeklagten könnte §
370a AO - jenseits
verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die Norm (vgl. BGH NJW
2004, 2990; BGH, Urt. vom 28. Oktober 2004 - 5 StR 276/04; jeweils
m.w.N.) - mithin nur dann Anwendung finden, wenn seine Handlungen erst
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nach dem 27. Dezember 2001 tatsächlich abgeschlossen und damit
im Sinne
von § 2 Abs. 2 StGB beendet waren. Eine Begehung der
Beihilfehandlung
nach Inkrafttreten der Vorschrift des § 370a AO (sei es i.d.F.
des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes
vom 19. Dezember 2001, BGBl I 3922, mit
einer Geltungsdauer vom 28. Dezember 2001 bis 27. Juli 2002 oder i.d.F.
des Fünften Gesetzes zur Änderung des Steuerbeamten-
Ausbildungsgesetzes vom 20. Februar 2002, BGBl I 2715, 2722, mit einer
Geltung ab 28. Juli 2002) hat der Tatrichter indes gerade nicht
festgestellt, so
daß die Anwendung dieser im konkreten Fall gegenüber
dem alten Recht
(§ 370 Abs. 1 AO) nicht milderen, sondern schärferen
Tatbestände bei früherer
Begehung auch nicht nach § 2 Abs. 3 StGB in Betracht kommt.
Vielmehr
fehlen gerade nähere Feststellungen dazu, innerhalb welcher
Zeiträume der
Angeklagte auf die Geschäftspartner der GmbH zur Verlagerung
der Zahlungsflüsse
einwirkte. Insbesondere bleibt offen, ob der Angeklagte - wofür
die vom Landgericht vorgenommene rechtliche Bewertung als eine
Beihilfetat
sprechen könnte - den abweichenden Zahlungsweg schon im Jahre
2000
vereinbarte und in der Folgezeit dieser Zahlungsweg ohne weitere
Tätigkeit
des Angeklagten selbständig durch die
Geschäftspartner fortgeführt wurde
oder ob der Angeklagte etwa jeweils zeitnah den abweichenden Zahlungsweg
veranlaßte.
Der Senat hebt die Feststellungen insgesamt auf. Er kann auch dem
Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe keine für eine
partielle Durchentscheidung
notwendigen, hinreichend präzisen Feststellungen entnehmen.
Auch bei einem geständigen und steuerrechtlich
verständigen Angeklagten
(vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 8)
müssen die Urteilsgründe
eine die revisionsrechtliche Sachprüfung
ermöglichende Darstellung
der einzelnen Tathandlungen im Gefüge ihrer jeweils
steuerrechtlichen Bedeutung
enthalten.
Der neue Tatrichter wird darüber hinaus zunächst zu
prüfen haben, ob
die bisherige Annahme des Landgerichts, es liege nur eine Beihilfetat
vor,
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zutreffend ist. Selbst wenn der Angeklagte „bei der
Erstellung der jeweiligen
Steuererklärungen (nicht) mitgewirkt“ hat, wird der
neue Tatrichter zu erörtern
haben, ob nicht schon im Hinblick auf eine - angesichts der bisherigen
Feststellungen möglicherweise näherliegende -
wenigstens psychische Beihilfe
des Angeklagten von jeweils einer Beihilfehandlung zu den zwei
Haupttaten
auszugehen ist. Gelangt auch der neue Tatrichter zu der Feststellung,
daß sich die Handlungen des Angeklagten
ausschließlich in der Verlagerung
der Zahlungsströme erschöpften, wird er sodann zu
prüfen haben, ob sich
die Handlungen des Angeklagten auch über den 27. Dezember 2001
hinaus
erstreckten. Sodann wird er bei alledem die gegen die
Verfassungsmäßigkeit
des § 370a AO vorgebrachten Erwägungen (vgl. BGH NJW
2004, 2990;
BGH, Urt. vom 28. Oktober 2004 - 5 StR 276/04; jeweils m.w.N.) zu
bedenken
haben. Gegebenfalls kann der neue Tatrichter die Verfolgung auf zwei
Fälle der Beihilfe zur (einfachen) Steuerhinterziehung nach
§ 154a Abs. 2
StPO beschränken.
Harms Häger Basdorf
Gerhardt Schaal |