BGH,
Beschl. v. 11.1.2007 - 3 StR 412/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 412/06
vom
11.1.2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Zuhälterei u. a.
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung der
Beschwerdeführerinnen am 11.01.2007 einstimmig beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Hildesheim vom 17. Oktober 2005 werden als unbegründet
verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der
Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jede Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu
tragen. Darüber hinaus hat die Angeklagte Carola M. die der
Nebenklägerin E. und die Angeklagte Patrizia M. die der
Nebenklägerin R. im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zu den Antragsschriften des Generalbundesanwalts
bemerkt der Senat:
Zutreffend macht die Beschwerdeführerin Carola M. geltend,
dass die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtlichen Bedenken
unterliegt, soweit dieses als "Indiz" für die Glaubhaftigkeit
der Aussage der Zeugin E. berücksichtigt, dass auch der die
Ermittlung maßgeblich führende Polizeibeamte, der
Zeuge POK Ma. , den Angaben der Zeugin im Ermittlungsverfahren geglaubt
hat; denn die Würdigung der erhobenen Beweise ist allein Sache
des Tatrichters, der zur Beurteilung des Beweiswerts einer
Zeugenaussage zwar auf die von den Ermittlungsbeamten hierzu
festgestellten - und ordnungsgemäß in die
Hauptverhandlung eingeführten - objektiven Hilfstatsachen
zurückzugrei-
- 3 -
fen, die hieraus abzuleitenden Schlüsse aber
unabhängig von den durch die Ermittlungsbeamten vorgenommenen
Wertungen zu ziehen hat. Jedoch beruht die Überzeugungsbildung
des Landgerichts von der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin E. auf
dieser bedenklichen ergänzenden Erwägung ersichtlich
nicht.
Die Verurteilung beider Angeklagten auch wegen dirigierender
Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) lässt
keinen Rechtsfehler erkennen. Die Feststellungen belegen ohne weiteres,
dass die Geschädigten E. und R. in den jeweiligen
Tatzeiträumen nicht - mehr - unbeeinflusst und freiwillig die
ihnen von den Angeklagten vorgeschriebenen Bedingungen der
Prostitutionsausübung einhielten, sondern in ein
persönliches und wirtschaftliches
Abhängigkeitsverhältnis zu diesen geraten waren, das
es ihnen unmöglich machte, Art und Umfang ihrer
Tätigkeit als Prostituierte eigenständig zu bestimmen
oder sich ohne Schwierigkeiten aus ihr zu lösen (vgl. BGHSt
48, 314, 319 f.).
Die Strafaussprüche haben Bestand. Allerdings hat die
Staatsanwaltschaft die Wochenfrist des § 347 Abs. 1 Satz 2
StPO nicht eingehalten; zwischen der Zustellung der
Revisionsbegründungen am 31. März 2006 und der
Fertigstellung der staatsanwaltschaftlichen Gegenerklärung am
31. August 2006 liegt vielmehr ein ungewöhnlich langer
Zeitraum. Dies begründet hier indessen keine rechtsstaats-
(Art. 20 Abs. 3 GG) und konventionswidrige (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK)
Verfahrensverzögerung, die eine Kompensation durch
Herabsetzung der verhängten Strafen geböte. Es
erscheint bereits zweifelhaft, ob die erhebliche
Überschreitung der Frist des § 347 Abs. 1 Satz 2 StPO
den Verfahrensabschluss in ihrem gesamten Ausmaß in nicht
mehr zu rechtfertigender Weise hinausgezögert hat; dem
könnte entgegenstehen, dass die Revisionsbegründungen
nahezu einen Leitzordner füllen und eine Vielzahl - wenn
- 4 -
auch weitgehend völlig unbehelflicher -
Verfahrensrügen oder als Verfahrensrügen bezeichneter
Sachrügen (tatsächlich reine Angriffe gegen die
Beweiswürdigung) umfassen, weswegen die Staatsanwaltschaft
gehalten war, umfangreiche Prüfungen zur
Übereinstimmung des Revisionsvorbringens mit dem jeweiligen
Verfahrensablauf vorzunehmen (vgl. Nr. 162 Abs. 2 RiStBV). Jedenfalls
sind die gegen beide Angeklagten am 24. August 2004 eingeleiteten und
mit der heutigen Revisionsentscheidung beendeten Strafverfahren aber
insgesamt in angemessener Zeit abgeschlossen worden; dass sie
während eines einzelnen Verfahrensabschnitts
verzögerlich betrieben worden sind, begründet daher
für sich keinen Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot
und Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK (Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl.
§ 6 MRK Rdn. 7 a m. w. N.). Selbst wenn man dies anders
bewerten wollte, wären die verhängten Strafen im
Hinblick auf die Dauer der Zuhältereitaten, die
Massivität des Vorgehens der Angeklagten und der erheblichen
Summen der den Geschädigten entzogenen
Prostitutionserlöse letztlich aber angemessen im Sinne des
§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO.
Tolksdorf Miebach Pfister Becker Hubert |