BGH,
Beschl. v. 11.7.2002 - 4 StR 189/02
4 StR 189/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
11. Juli 2002
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine
Minderjährige
u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 11. Juli 2002 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Münster vom 22. Oktober 2001 mit den Feststellungen
aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen unerlaubter Abgabe von
Betäubungsmitteln an eine Minderjährige und wegen
Überlassens von Betäubungsmitteln an
Minderjährige (Fälle IV.1. und IV.2. der
Urteilsgründe) verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
c) soweit der Verfall eines Geldbetrages von 17.250.-DM angeordnet
worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges,
Körperverletzungsdelikten und Verstößen
gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Es
hat zudem den Verfall eines Geldbetrages von 17.250.- DM aus dem
Vermögen des Angeklagten angeordnet. Gegen dieses Urteil
wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er allgemein
die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat
in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im
übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
1. Das Urteil unterliegt auf die Sachrüge in den
Fällen IV.1. und IV.2. der Urteilsgründe der
Aufhebung, weil es insoweit - wie der Generalbundesanwalt in seiner
Antragsschrift im einzelnen zutreffend ausgeführt hat -
Beweisgründe und Beweiswürdigung vermissen
läßt (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 45). Zu den betroffenen
Taten enthält das angefochtene Urteil nämlich nur den
allgemeinen - die Beweiswürdigung einleitenden - Hinweis,
daß die getroffenen Feststellungen "auf der Einlassung des
Angeklagten, soweit die Kammer ihr gefolgt ist" sowie "auf dem Ergebnis
der in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme"
beruhen. Weder wird die Einlassung des Angeklagten mitgeteilt noch
werden diesbezüglich sonstige Beweismittel konkret
angeführt, aufgrund derer das Landgericht den Angeklagten als
überführt angesehen hat, so daß der Senat
nicht nachprüfen kann, ob die Überzeugung des
Tatrichters auf tragfähigen Erwägungen beruht. Der
Schuldspruch kann daher in den bezeichneten Fällen keinen
Bestand haben. Dies führt zur Aufhebung der betroffenen
Einzelstrafaussprüche sowie des Ausspruchs über die
Gesamtstrafe.
2. Auch die Anordnung des Wertersatzverfalls (§ 73 a StGB)
hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den
Feststellungen erzielte der Angeklagte seit Februar 2000 im
wesentlichen kein Einkommen mehr. Bis zu seiner Festnahme am 28.
März 2001 verschlechterten sich seine finanziellen
Verhältnisse zusehends. Sein Bankkonto war mit etwa 40.000 DM
überzogen. Seine Schulden betrugen ca. 80.000 DM.
Zwischenzeitlich hatte er auch die eidesstattliche Versicherung abgeben
müssen. Vor diesem Hintergrund hätte das Landgericht
prüfen müssen, ob von der Anordnung des Verfalls
gemäß § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB ganz oder
teilweise abgesehen werden kann (vgl. BGHR StGB § 73 c
Härte 2, 3 und 5). Hierzu verhält sich das Urteil
jedoch nicht. Der Senat kann nicht ausschließen,
daß sich der aufgezeigte Erörterungsmangel zum
Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat und hebt auch die
Verfallsanordnung auf.
3. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung der erneuten
Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird dabei - worauf
bereits der Generalbundesanwalt hingewiesen hat - auch zu
prüfen haben, ob eine nachträgliche
Gesamtstrafenbildung mit der durch Urteil des Amtsgerichtes
Münster vom 27. September 2000 verhängten Geldstrafe
in Betracht kommt, da die Tat zu Fall I. der Urteilsgründe
(Tatzeit wohl: Juli 1999) vor dessen Erlaß begangen worden
ist. Dies gilt auch hinsichtlich der Tat zu IV.1. der
Urteilsgründe (Tatzeit: 30. Januar 2000), sofern die neu
erkennende Strafkammer insoweit zu einer Verurteilung gelangt.
Maatz Athing Solin-Stojanovic Ernemann Sost-Scheible |