BGH,
Beschl. v. 11.7.2006 - 3 StR 176/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 176/06
vom
11.7.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 11.07.2006
gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel
vom 23. Januar 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue und "uneidlicher
Falschaussage" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn
Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung
ausgesetzt hat. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die
Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit
der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die
Verfahrensrüge nicht ankommt.
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I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
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1. Der Angeklagte beurkundete als Notar am 19. November 1999 einen
Kaufvertrag über ein Grundstück. Der Käufer
finanzierte den Kaufpreis in Höhe von 2,7 Mio. DM
über ein Darlehen der Rheinischen Hypothekenbank, das durch
eine erstrangige Grundschuld auf dem Grundstück gesichert
werden soll-
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te. Der Darlehensbetrag sollte über ein Notaranderkonto des
Angeklagten an die Verkäufer ausgezahlt werden. Zu diesem
Zweck schlossen der Angeklagte und die Rheinische Hypothekenbank eine
Treuhandvereinbarung, derzufolge der Angeklagte über das Geld
nur verfügen durfte, wenn die Kosten für die
Eintragung der Grundschuld in das Grundbuch durch den Darlehensnehmer
gezahlt waren, für sie Sicherheit geleistet war oder
Gebührenbefreiung vorlag.
Der Darlehensbetrag wurde am 17. Dezember 1999 dem Notaranderkonto
gutgeschrieben. Mit Schreiben vom gleichen Tag beantragte der
Angeklagte beim Grundbuchamt die Eigentumsumschreibung und die
Eintragung der Grundschuld. Am 21. Dezember 1999 zahlte er den
Darlehensbetrag an die Verkäufer aus, obwohl die vereinbarte
Voraussetzung nicht vorlag. Der Angeklagte, der wusste, dass er mangels
Gebührenbefreiung die Auszahlung der Darlehensvaluta nur
vornehmen durfte, wenn die Kosten für die Eintragung der
Grundschuld gezahlt worden waren bzw. Sicherheit geleistet worden war,
überprüfte dies vor der Verfügung
über den Darlehensbetrag nicht. Der Rheinischen Hypothekenbank
teilte er mit Schreiben vom 22. Dezember 1999 mit, er habe
über den ihm zu treuen Händen überwiesenen
Darlehensbetrag bestimmungsgemäß unter
Berücksichtigung der Treuhandauflagen verfügt. Durch
Auszahlung des ungesicherten Darlehens kam es zu einer konkreten
Gefährdung des Vermögens der Rheinischen
Hypothekenbank.
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2. Am 15. Januar 2003 wurde der Angeklagte vor dem Amtsgericht Kiel im
Wege der Rechtshilfe als Zeuge in einem vor dem Familiengericht
Walsrode geführten Rechtsstreit vernommen. Die Parteien dieses
Rechtsstreits stritten darüber, ob in einem Ehevertrag, den
der Angeklagte im Jahre 1993 als Notar beurkundet hatte, eine
Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung erfolgt war. Als
Zeuge bekundete der Angeklagte bewusst wahrheitswidrig, er
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erinnere sich daran, dass der Ehevertrag, als er vorgelesen und von den
Parteien unterzeichnet worden sei, eine
Vollstreckungsunterwerfungsklausel enthalten habe. Diese sei auch
vollständig gewesen und vorgelesen worden.
Tatsächlich fehlte dem Angeklagten die bekundete Erinnerung.
II.
Die Verurteilung des Angeklagten hält rechtlicher
Nachprüfung nicht stand.
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1. Der Schuldspruch wegen Untreue im Fall 1 der Urteilsgründe
kann nicht bestehen bleiben, da das Landgericht den Vorsatz des
Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat. Für die
Annahme vorsätzlichen Handelns i. S. v. § 266 Abs. 1
StGB genügt es nicht, dass der Angeklagte in Kenntnis der
Treuhandvereinbarung über den Darlehensbetrag verfügt
und zuvor die Einzahlung der Kosten bzw. die Stellung einer Sicherheit
nicht überprüft hat.
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Eine Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266
Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter auch hinsichtlich
Verletzung seiner Vermögensbetreuungspflicht
vorsätzlich gehandelt hat. Die Strafkammer hat nicht
festgestellt, dass der Angeklagte wusste oder es zumindest billigend in
Kauf nahm, dass die Kosten für die Eintragung der Grundschuld
noch nicht bezahlt waren. In diesem Zusammenhang fehlt es auch an einer
Würdigung des Schreibens des Angeklagten an die Rheinische
Hypothekenbank vom 22. Dezember 1999, das ein Indiz dafür sein
könnte, dass der Angeklagte von der Nichtzahlung der Kosten
tatsächlich keine Kenntnis hatte und ihm daher
möglicherweise nur fahrlässiges Handeln vorzuwerfen
ist.
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2. Hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten wegen falscher
uneidlicher Aussage im Fall 2 der Urteilsgründe bestehen gegen
die Beweiswürdigung durchgreifende rechtliche Bedenken.
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Die Beweiswürdigung ist unklar, weil aus ihr nicht hinreichend
deutlich wird, worauf sich die vom Angeklagten bei seiner Vernehmung am
15. Januar 2003 bekundete "tatsächliche" bzw. "aktuelle"
Erinnerung bezog.
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Sie kann sich entweder - wovon offensichtlich die Strafkammer
ausgegangen ist - darauf bezogen haben, dass der Ehevertrag die Klausel
über die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung
enthielt, als er verlesen und von den Parteien unterzeichnet wurde. In
diesem Fall liegt es nahe, dass der Angeklagte hinsichtlich seiner
Erinnerung bewusst unwahr ausgesagt hat, da er nach den Feststellungen
bei einer früheren Zeugenvernehmung vom 27.08.2002
erklärt hatte, er habe nach über acht Jahren
logischerweise keine konkrete Erinnerung mehr an die Herstellung der
Urkundenausfertigung.
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Denkbar ist aber auch, dass sich die auf einen Vorhalt des
Klägers gemachte Aussage des Angeklagten "Ich verwahre mich
gegen Ihre Ausdrucksweise 'ich wolle mich erinnern' - ich will mich an
gar nichts erinnern, sondern ich teile hier heute dem Gericht lediglich
mit dasjenige, an das ich mich tatsächlich erinnere ..." auf
seine unmittelbar vorangegangene Erklärung zu dem von dem
Kläger behaupteten Wunsch bezog, keine Unterwerfungsklausel in
den Ehevertrag aufzunehmen. Insoweit hat der Angeklagte - wie sich aus
dem Gesamtzusammenhang der Beweiswürdigung ergibt - deutlich
gemacht, dass er über keine sichere Erinnerung
verfüge, sondern nur Rückschlüsse aus dem
Inhalt der Urkunde und deren Unterzeichnung ziehe ("Ich gehe davon aus,
....."). In diesem Fall hätte der Angeklagte hinsichtlich
seiner Erinnerung an die Voll-
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streckungsklausel nicht vorsätzlich falsch ausgesagt und sich
daher nicht wegen falscher uneidlicher Aussage strafbar gemacht.
3. In einer neuen Hauptverhandlung wird gegebenenfalls Gelegenheit
bestehen, auch den Richter als Zeugen zu vernehmen, der den Angeklagten
am 15. Januar 2003 vernommen hat.
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Tolksdorf Miebach RiBGH Winkler ist urlaubs- bedingt an der Unterzeich-
nung gehindert.
Tolksdorf
von Lienen RiBGH Becker ist urlaubs- bedingt an der Unterzeich- nung
gehindert.
Tolksdorf |