BGH,
Beschl. v. 11.7.2006 - 3 StR 183/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 183/06
vom
11.7.2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer Körperverletzung u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 11.07.2006 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Düsseldorf vom 21.10.2005
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der
versuchten beabsichtigten schweren Körperverletzung in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig
ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen - beabsichtigter - schwerer
Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und
sechs Monaten verurteilt. Mit seiner auf die Verletzung materiellen
Rechts gestützten Revision wendet sich der Angeklagte
insbesondere gegen die Anwendung des
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§ 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Das Rechtsmittel hat in dem aus der
Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts schlug der Angeklagte der
Nebenklägerin in der Absicht "sie in den Rollstuhl zu bringen"
mit einem Hammer mehrfach auf beide Schienbeine und fügte ihr
zudem mit einem Messer einen tiefen Schnitt in die rechte Kniekehle zu.
Die Nebenklägerin erlitt hierdurch offene
Tibiaschaftbrüche beidseits, rechteckige, stark gequetschte,
teils "matschige" Wunden an den Beinen sowie multiple, tiefe
Schnittverletzungen; im Bereich der rechten Kniekehle entstand eine
große, quer verlaufende klaffende Wunde mit teilweiser
Durchtrennung der Unterschenkelsehne. Nach Ausheilen der
Brüche und Wunden sind bei der Nebenklägerin eine
Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenks sowie
zahlreiche Narben an den Unterschenkeln und in der rechten Kniekehle
zurückgeblieben. Die größte Narbe zieht
sich bogenförmig von der rechten Kniekehle bis zur Vorderseite
des rechten Oberschenkels und ist 20 cm lang. Diese Narbe ist durch die
Spannung in der Kniekehle deutlich verbreitert. Sie kann auch durch
kosmetische Operationen nicht Erfolg versprechend verkleinert werden.
Sowohl hinsichtlich der erlittenen Verletzungen als auch zur Frage der
verbliebenen Narben hat das Landgericht im Urteil
gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf
Lichtbilder Bezug genommen, die der Senat in Augenschein genommen hat.
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Eine - im tatbestandsmäßigen Sinne - dauernde
Entstellung in erheblicher Weise ist den getroffenen Feststellungen
nicht zu entnehmen. Zwar sind - wie sich insbesondere aus den
Lichtbildern ergibt - die an den Beinen der Nebenklägerin
verbliebenen Narben nicht zu übersehen. Die Verunstaltung
ihrer äußeren Gesamterscheinung erreicht jedoch
nicht das zur Verwirklichung des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB
vorausgesetzte Maß. Dieses ist auch mit Blick auf
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die übrigen in § 226 Abs. 1 StGB genannten Folgen zu
bestimmen. Wenigstens der in ihrem Gewicht geringsten dieser Folgen
muss die dauernde Entstellung im Maß ihrer
beeinträchtigenden Wirkung in etwa gleichkommen (vgl. BGH StV
1991, 115; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 226 Rdn.
9). Das kann für die Narben an den Beinen der
Nebenklägerin nicht angenommen werden, zumal diese ihr
Gesamterscheinungsbild weniger stark prägen als etwa
vergleichbare Narben im Gesicht (vgl. auch BGH aaO für den
Fall von durch zahlreiche Narben und Verfärbungen entstellten
Händen).
Durch sein Verhalten hat sich der Angeklagte indessen der versuchten
beabsichtigten schweren Körperverletzung
gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2,
§ 22 StGB schuldig gemacht, da er als Folge seiner
Misshandlungen ein Verfallen der Nebenklägerin in
Lähmung erstrebte. Die von der Kammer ohne Rechtsfehler als
ebenfalls verwirklicht erkannte gefährliche
Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB
steht zu der versuchten schweren Körperverletzung im
Verhältnis der Tateinheit (vgl. BGHSt 21, 194, 195 f.).
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Da sich der Angeklagte nicht der vollendeten schweren
Körperverletzung gemäß § 226 Abs.
1 Nr. 3 StGB (dauernde Entstellung in erheblicher Weise) schuldig
gemacht hat, braucht nicht entschieden zu werden, ob dem Landgericht in
der Auffassung gefolgt werden könnte, dass die Tat als
vollendete beabsichtigte schwere Körperverletzung zu werten
ist, weil der Täter eine schwere Folge ("Lähmung")
beabsichtigt hat und - so das Landgericht - die tatsächlich
eingetretene schwere Folge ("dauernde erhebliche Entstellung") in der
beabsichtigten typischerweise enthalten ist. Dies erscheint aber
zumindest zweifelhaft.
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Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert;
§ 265 StPO steht dem nicht entgegen. Der im Wesentlichen
geständige Angeklagte hätte sich nicht anders als
geschehen verteidigen können.
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Die Änderung des Schuldspruchs hat die Aufhebung des
Strafausspruchs zur Folge. Von der Möglichkeit des §
354 Abs. 1 a Satz 1 StPO macht der Senat keinen Gebrauch. Zwar
könnte sich die Angemessenheit der erkannten Strafe auch nach
Änderung des Schuldspruchs aus der Erwägung ergeben,
dass eine Strafmilderung gemäß § 23 Abs. 2
StGB mit Blick auf die beinahe das Ausmaß einer vollendeten
Tat erreichenden Tatfolgen fern liegt. Diese für die
Strafzumessung grundlegende Weichenstellung muss aber, zumal die
abgeurteilte Tat durch die Änderung ein anderes
Gepräge erfährt, dem Tatrichter vorbehalten bleiben.
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Tolksdorf Miebach Winkler von Lienen Becker |