BGH,
Beschl. v. 11.6.2002 - 1 StR 178/02
1 StR 178/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
11. Juni 2002
in der Strafsache gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat am 11. Juni 2002
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Heilbronn vom 11. Juni 2002
a) in den Fällen II 1 bis 4 der Urteilsgründe dahin
abgeändert, daß der Schuldspruch wegen sexuellen
Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen entfällt;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den vorbezeichneten
Fällen sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe
aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
I.
1. Der Angeklagte wurde wie folgt verurteilt:
a) Wegen sieben Fällen des sexuellen Mißbrauchs
eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer
Schutzbefohlenen zu je zwei Jahren Freiheitsstrafe (Fälle II 1
bis 7 der Urteilsgründe).
b) Wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch
einer Schutzbefohlenen zu drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe
(Fall II 9 der Urteilsgründe).
- Opfer jeweils die Nebenklägerin, die 1985 geborene
Stieftochter des Angeklagten -
c) Wegen vorsätzlicher Körperverletzung (z.N. seiner
Ehefrau) zu sechs Monaten Freiheitsstrafe (Fall II 8 der
Urteilsgründe).
Aus den genannten Strafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs
Jahren und sechs Monaten gebildet. Zugleich wurde der
Nebenklägerin dem Grunde nach ein Schmerzensgeld zuerkannt
(§ 406 Abs. 1 Satz 2 StPO).
2. Die Revision des Angeklagten hat insoweit Erfolg, als der Vorwurf
des sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen in den
Fällen II 1 bis 4 der Urteilsgründe verjährt
ist. Die damit verbundene Änderung des Schuldspruchs
führt hier zur Aufhebung der in diesen Fällen
verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe.
II.
1. Die Taten in den Fällen II 1 bis 4 der
Urteilsgründe hat der Angeklagte jeweils zwischen Juli 1995
und Dezember 1996 begangen. Ebenso wie alle anderen Sexualstraftaten
wurden sie den Ermittlungsbehörden erstmals am 29. Oktober
2000 bekannt.
2. Die Möglichkeit zusätzlicher Feststellungen, die
den Tatzeitraum weiter eingrenzen, kann der Senat
ausschließen. In Anwendung des Zweifelssatzes (vgl. BGHSt 18,
274; 43, 381, 394 m.w.N.) ist daher davon auszugehen, daß am
29. Oktober 2000 die für Vergehen gemäß
§ 174 StGB geltende Verjährungsfrist von
fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) bereits
abgelaufen war. Daß zugleich jeweils ein im Hinblick auf
§ 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht verjährtes Vergehen
gemäß § 176 StGB vorliegt, ändert
an alledem nichts. Auch bei Tateinheit unterliegt jede
Gesetzesverletzung einer eigenen Verjährung (st. Rspr., vgl.
nur BGH NStZ 1990, 80, 81).
3. Die danach gebotene Änderung des Schuldspruchs in den
genannten Fällen führt hier zur Aufhebung der
jeweiligen Einzelstrafen.
Die Jugendkammer stellt ausdrücklich darauf ab, daß
der Angeklagte zwei Straftatbestände erfüllt hat
(speziell zu dieser Fallgestaltung ebenso Senatsbeschluß vom
27. August 2001 - 1 StR 333/01, insoweit in NStZ 2002, 29 nicht
abgedruckt). Damit entfällt zugleich der Ausspruch
über die Gesamtstrafe (§ 349 Abs. 4 StPO).
4. Im übrigen hat die auf Grund der Revisionsrechtfertigung
gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler
zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen des
Generalbundesanwalts.
5. Der Rechtsfehler, der hier zur teilweisen Aufhebung des Urteils
führt, berührt die tatsächlichen
Feststellungen des Urteils nicht, so daß diese insgesamt
bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die zu den
bisherigen nicht in Widerspruch stehen, bleiben jedoch
zulässig.
Schäfer Wahl Schluckebier Herr RiBGH Hebenstreit
ist wegen Krankheit an der Unterschrift verhindert.
Kolz Schäfer
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