BGH,
Beschl. v. 11.5.2000 - 5 StR 114/00
5 StR 114/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 11. Mai 2000
in der Strafsache gegen
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2000
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 15. November 1999 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht Berlin hat den Angeklagten wegen gefährlicher
Körperverletzung und Mordes zu einer lebenslangen
Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision
hat mit der Sachrüge Erfolg und führt zur
vollumfänglichen Aufhebung des Urteils mit den
zugehörigen Feststellungen.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat die
Lebensgefährtin des Angeklagten, die am 20. März 1999
gegen 22.00 Uhr stark alkoholisiert nach Hause in die gemeinsame
Wohnung kam, im Zuge einer Unterredung im Wohnzimmer dem Angeklagten
mitgeteilt, daß sie ihn verlassen werde. Nachdem sie sich den
Mantel bereits wieder angezogen hatte und im Begriff war, sich aus der
Wohnung zu entfernen, holte sie der Angeklagte im Flur ein und schlug
ihr mit derartiger Wucht ins Gesicht, daß das Blut aus den
dabei zugefügten Verletzungen bis an die Flurwände
spritzte. Weiterhin schlug und trat er auf die nunmehr
stürzende und taumelnde Geschädigte ein. "Zu seinen
Gunsten" hat die Kammer angenommen, daß er die
Schläge nicht mit Tötungsvorsatz ausgeführt
hat. Die Geschädigte, die durch die Gewalteinwirkung
bewußtlos im Flur vor der Badezimmertür liegenblieb,
erlitt unter anderem ausgedehnte Blutungen vor allem im Bereich der
linken Gesichtshälfte und der rechten Rumpfseite, eine
Einblutung des rechten Nierenlagers sowie eine Fraktur der zehnten
Rippe rechtsseitig. Weiterhin entstand durch die Mißhandlung
eine Einblutung unter der rechten Hirnhaut über der rechten
Großhirnhemisphäre, die ohne lebensrettende
Maßnahmen innerhalb weniger Stunden, aber auch bei sofortiger
ärztlicher Versorgung mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode
geführt hätte.
Nachdem der Angeklagte sein Opfer erheblich verletzt und
bewußtlos liegen sah, entschloß er sich nach den
Feststellungen des Landgerichts, seine Tat zu vertuschen, indem er
vortäuschte, ihr Tod sei durch Ertrinken in der Badewanne
verursacht worden. Zu diesem Zweck ließ er Wasser in die
Wanne, legte die mittlerweile bis auf die Hose und Unterhose
entkleidete Geschädigte in die Wanne und drückte
ihren Kopf solange unter Wasser, bis sie durch Ertrinken starb.
II.
Die vom Landgericht vorgenommene rechtliche Bewertung des Tatgeschehens
als gefährliche Körperverletzung in Tatmehrheit mit
Mord durch Verdecken einer Straftat hält rechtlicher
Überprüfung nicht stand. Das Urteil des Landgerichts
läßt die notwendige Auseinandersetzung mit anderen
sich aufdrängenden Sachverhaltsvarianten vermissen. Eine
solche Auseinandersetzung war hier insbesondere deshalb geboten, weil
angesichts des Schweigens des Angeklagten in der Hauptverhandlung
allein das objektive Spurenbild als Grundlage zur Verfügung
stand.
Das Landgericht hätte darlegen müssen, warum die
massiven Verletzungshandlungen, die nach seinen Feststellungen selbst
bei sofortiger ärztlicher Versorgung mit hoher
Wahrscheinlichkeit bereits zum Tode geführt hätten,
vom Angeklagten nicht bereits mit (zumindest bedingtem)
Tötungsvorsatz vorgenommen wurden. Hierfür
spräche nicht nur das erhebliche Maß an
Gewalteinwirkung gegen den Kopf der Geschädigten, sondern auch
die - vom Landgericht festgestellten - vorherigen Todesdrohungen des
Angeklagten gegen die Geschädigte, falls sie ihn verlassen
werde.
Selbst wenn das Landgericht letzte Zweifel an einem
Tötungsvorsatz des Angeklagten im Zeitpunkt des Einschlagens
auf die Geschädigte nicht überwinden konnte, durfte
es hier nicht in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" von einem
Körperverletzungsvorsatz mit nachfolgender Verdeckungsabsicht
ausgehen. Für die Annahme eines Verdeckungsmordes ist
nämlich dann kein Raum, wenn der Täter mit einem
durchgängigen (sei es auch zunächst nur bedingtem)
Tötungsvorsatz gehandelt hat (BGHR StGB § 211 Abs. 2
- Verdeckung 5; BGH NStZ-RR 1998, 67).
Zwar kann zur Verdeckung einer vorherigen (erfolglosen)
Tötungshandlung auch die spätere
tatsächliche Tötung des Opfers den Tatbestand des
Verdeckungsmordes begründen. Dies setzt jedoch zwischen den
Tötungshandlungen eine entsprechende zeitliche Zäsur
und das Fassen eines neuen Tatentschlusses voraus (vgl. BGHR StGB
§ 211 Abs. 2
- Verdeckung 11). Von einem neuen Tatentschluß geht das
Landgericht aus, ohne allerdings eine entsprechende Tatsachengrundlage
hierfür zu benennen. Allein der Umstand, daß der
Angeklagte der Geschädigten Teile der Kleidung vom Leib
gerissen hat, belegt das nicht. Insoweit lassen die
Urteilsgründe besorgen, daß es sich hierbei nur um
eine bloße Vermutung oder Annahme handelt (BGHR StPO
§ 261 - Überzeugungsbildung 26). Gleichfalls fehlt
auch die Darlegung einer zeitlichen Zäsur zwischen den
Tötungshandlungen. Anders als in dem vom Senat entschiedenen
Fall (BGHR StGB § 211 Abs. 2 - Verdeckung 11), in dem der
Angeklagte zunächst den Tatort verlassen und dann in
Verdeckungsabsicht wieder zum Zwecke der endgültigen
Tötung zurückgekehrt ist, sind nach den
Feststellungen keine Umstände erkennbar, die eine zeitliche
Zäsur begründen könnten.
Schließlich hätte auch die nicht fernliegende
Möglichkeit der Erörterung bedurft, ob der Angeklagte
sein Opfer nach der Gewalteinwirkung im Flur bereits für tot
hielt und mit dem Verbringen in die Badewanne einen Badeunfall
vortäuschen wollte.
Harms Häger Tepperwien
Gerhardt Raum |