BGH,
Beschl. v. 11.5.2006 - 3 StR 136/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 136/06
vom
11.5.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 11.05.2006 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Flensburg vom 5. Dezember 2005 im Rechtsfolgenausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in vier
Fällen und wegen Körperverletzung zur Jugendstrafe
von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete,
die Verletzung materiellen Rechts rügende Revision des
Angeklagten führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. Im
Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§
349 Abs. 2 StPO).
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Der Strafausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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1. Die Anwendung von Jugendstrafrecht (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG)
und die Verhängung von Jugendstrafe wegen der Schwere der
Schuld (§ 17 Abs. 2 2. Alt. JGG) lassen allerdings keinen
Rechtsfehler erkennen.
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2. Dagegen hält die Zumessung der ausgesprochenen Jugendstrafe
rechtlicher Nachprüfung nicht Stand. Die Jugendkammer hat es
hierbei versäumt, sich mit dem Umstand, dass die Taten zum
Teil mehr als sechs Jahre zurückliegen, und mit der Bedeutung
des Urteils des Amtsgerichts Hagenow vom 17. Juni 2001 in der gebotenen
Weise auseinanderzusetzen.
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Der Angeklagte hat drei der abgeurteilten Vergewaltigungen (Taten im
Rahmen einer Intimbeziehung, dabei das Maß der
ausgeübten Gewalt im unteren Bereich) im Jahre 1999 und damit
vor dem genannten Urteil begangen, durch das er - unter Einbeziehung
früherer jugendgerichtlicher Verurteilungen - zu einer
Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt worden ist. Die beiden anderen
abgeurteilten Taten (eine Körperverletzung und eine
Vergewaltigung, ebenfalls Taten im Rahmen einer Beziehung, die
Vergewaltigung mit einer Gewaltanwendung im unteren Bereich) hat er im
Sommer 2001 begangen, bevor im Januar 2002 die Aussetzung der im Juni
2001 verhängten Strafe widerrufen und diese (bis März
2003) vollstreckt wurde.
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Bei diesem Sachverhalt durfte sich das Landgericht nicht damit
begnügen, bei der angenommenen strafschärfenden
Berücksichtigung der Vorstrafen sowie der
Haftverbüßung zu bedenken, "dass die letzte und
vorletzte Vorverurteilung erst nach den Taten zum Nachteil B. (der
ersten Geschädigten) und der Bewährungswiderruf nach
sämtlichen hier zu beurteilenden Taten erfolgt ist". Vielmehr
hätte es zusätzlich in Erwägung ziehen
müssen, dass der Ange-
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klagte mit dem Vollzug der Jugendstrafe erstmalig eine längere
Gesamterziehung und dabei eine positive erzieherische Einwirkung
erfahren hat. Gerade dies könnte dann der Grund dafür
sein, dass er nach den Feststellungen seit seiner Entlassung aus dem
Vollzug im März 2003 bis zur erstinstanzlichen
Hauptverhandlung rund zwei Jahre und neun Monate lang keine weiteren
Straftaten begangen hat und nunmehr erstmals in stabilen
Verhältnissen lebt. Ein derartiger Erziehungserfolg
hätte mit Blick auf den Erziehungsgedanken als beherrschenden
Zweck des Jugendstrafrechts (vgl. BGH NStZ 2005, 219) einen
für den Angeklagten vorteilhaften Einfluss auf die Dauer
seiner erforderlichen weiteren Erziehung und damit auf die
Strafhöhe (§ 18 Abs. 2 JGG). Zudem stellt der
Umstand, dass die an sich rechtlich gebotene Einbeziehung des
amtsgerichtlichen Urteils wegen der vollständigen
Verbüßung der dort erkannten Jugendstrafe nicht
(mehr) zulässig war (§ 31 Abs. 2 Satz 1 JGG),
für den Angeklagten einen Nachteil dar, der angesichts der bei
der Festsetzung der Höhe der Jugendstrafe - namentlich bei
schweren Straftaten und der Verhängung von Jugendstrafe wegen
Schwere der Schuld - jedenfalls nicht ausgeschlossenen Belange des
Schuldausgleichs zu Gunsten des Angeklagten hätte
Berücksichtigung finden müssen.
Die schwer einzuordnende Erwägung der Jugendkammer, dass "im
Jugendstrafrecht … zwar der Gedanke einer allgemeinen
Generalprävention keine Anwendung" finde, gibt Anlass zu dem
Hinweis, dass die Voraussetzungen für eine
strafschärfende Berücksichtigung der
Generalprävention (vgl. Tröndle/ Fischer, StGB 53.
Aufl. § 46 Rdn. 11 m. w. N.) hier auch bei der Anwendung von
Erwachsenenstrafrecht nicht vorgelegen hätten.
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Der Senat hat auch die dem Angeklagten im angefochtenen Urteil erteilte
Weisung, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen (§ 8
Abs. 2, § 10
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Abs. 1 Nr. 6, § 11 Abs. 1 JGG), aufgehoben, um dem neuen
Tatrichter eine seinen Feststellungen entsprechende einheitliche
Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen.
Tolksdorf Winkler Pfister
von Lienen Hubert |