BGH,
Beschl. v. 11.11.2003 - 3 StR 345/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 345/03
vom
11.11.2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u. a.
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der
Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts am 11.11.2003 gemäß
§ 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Itzehoe vom 13. Juni 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen schweren Raubes (in der
Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung
zu Freiheitsstrafen von jeweils sechs Jahren verurteilt. Hiergegen
richten sich die auf die Verletzung sachlichen Rechts
gestützten Revisionen
der Angeklagten.
1. Der Angeklagte R. hat seine Revision - entgegen der ersten
Stellungnahme des Generalbundesanwalts - nicht nachträglich
zurückgenommen.
Seinen Schreiben an den Vorsitzenden bzw. an die Mitglieder der
Strafkammer
vom 28. Juli und vom 3.08.2003 läßt sich nicht die
eindeutige
Erklärung entnehmen, das fristgerecht eingelegte und
begründete Rechtsmittel
solle nicht durchgeführt werden. Insbesondere das zweite
Schreiben, in dem
der Beschwerdeführer die eventuelle Rücknahme der
Revision in Aussicht
- 3 -
stellt, macht deutlich, daß seine bisherigen
Äußerungen nicht als
Rücknahmeerklärung
zu verstehen sind.
2. Die Rechtsmittel haben Erfolg. Die getroffenen Feststellungen belegen
nicht, daß die Angeklagten die Qualifikation des §
250 Abs. 2 Nr. 1 StGB
verwirklicht haben.
a) Das Landgericht begründet seine rechtliche
Würdigung damit, daß
der Angeklagte G. bei dem Überfall auf das
Tiermittelgeschäft "Futterhaus"
eine ungeladene Schreckschußpistole der Marke Walter P99
eingesetzt
hat, um die Angestellten damit einzuschüchtern. Dies
hält rechtlicher Überprüfung
nicht stand.
Durch die Bedrohung der Angestellten mit der ungeladenen
Schreckschußpistole
haben die Angeklagten nicht im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1
StGB eine Waffe verwendet. Allerdings ist eine geladene
Schreckschußpistole,
wie der Große Senat für Strafsachen in seinem
Beschluß vom 4. Februar 2003
(GSSt 2/02) klargestellt hat, stets als "Waffe" im Sinne der
strafrechtlichen Bestimmungen
einzuordnen; maßgebend dafür ist, daß die
geladene Schreckschußwaffe,
bei der beim Abfeuern der Explosionsdruck nach vorn aus dem
Lauf austritt, nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche
Verletzungen
hervorzurufen (NStZ 2003, 606 f.; in BGHSt 48, 197 zum Abdruck
vorgesehen).
Der ungeladenen Schreckschußpistole fehlt dagegen die
generelle Gefährlichkeit.
Sie unterfällt daher - wie auch die ungeladene "echte"
Schußwaffe (BGHSt
44, 103, 105) - nicht dem strafrechtlichen Waffenbegriff.
b) Einen gezielten Einsatz der Schreckschußpistole als
Schlagwerkzeug,
der sich als Verwenden eines "anderen gefährlichen Werkzeugs"
im Sin-
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ne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB darstellen könnte, hat
die Strafkammer nicht
angenommen, obwohl diese Möglichkeit nach dem festgestellten
äußeren
Sachverhalt nicht ganz fernliegt. Sie geht vielmehr davon aus,
daß der Angeklagte
G. die Pistole, mit der er den Zeugen S. an der Stirn traf,
als er dem Tatplan gemäß in das Gebäude
stürmte, nur deshalb in Kopf- bzw.
Brusthöhe vor sich hielt, um bei einem - zwar billigend in
Kauf genommenen
aber nicht planmäßig herbeigeführten -
Zusammenprall mit den Angestellten
des "Futterhauses" nicht selbst verletzt zu werden (UA S. 9).
c) Das vom Angeklagten R. mitgeführte
Elektroschockgerät ist ein
"anderes gefährliches Werkzeug" i. S. v. § 250 Abs. 2
Nr. 1 StGB. Die Strafkammer
hat aber nicht sicher feststellen können, daß R. den
Elektroschocker
tatsächlich verwendet hätte, etwa indem er -
zumindest durch schlüssiges
Verhalten - mit dem Einsatz des Geräts gedroht hätte
(UA S. 26). Da die
Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB einen
zweckgerichteten Einsatz des
gefährlichen Werkzeugs voraussetzt, reicht es nicht aus,
daß der Zeuge S.
seinen Angaben zufolge unter anderem deshalb auf weiteren Widerstand
verzichtete,
weil er das Elektroschockgerät in der Hand des Angeklagten R.
sah.
d) Jedenfalls auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen scheidet
auch ein zweckgerichteter Einsatz des Pfeffersprays als
Nötigungsmittel aus.
Danach probierte der anderweitig verfolgte Mittäter Ge. die
Spraydose, die
ihm von dem Angeklagten R. übergeben worden war, unmittelbar
vor
dem Überfall aus. Die Strafkammer hat sich nicht davon
überzeugen können,
daß Ge. nach dem Betreten des "Futterhauses" die Spraydose
noch einmal
betätigte; sie hält es für möglich,
daß sich bei der "Probesprühung" Pfeffer-
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spray in Ge. Kleidung verfangen hatte, welches dann auf die Zeugin K.
einwirkte, als Ge. die Zeugin zu Boden drückte (UA S. 10).
e) Das angefochtene Urteil kann demnach keinen Bestand haben.
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin,
daß auch eine
stramme Fesselung die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1
StGB verwirklichen
kann (vgl. einerseits BGH NStE Nr. 17 zu § 223 a StGB,
andererseits BGH StV
1999, 91, 92). Voraussetzung hierfür wäre,
daß im konkreten Fall die Kabelbinder
nach der Art ihrer Verwendung geeignet waren, erhebliche Verletzungen
hervorzurufen. Jedenfalls hinsichtlich der Zeugin K. , deren
Hände infolge
der Fesselung blau anliefen (UA S. 10), erscheint dies nicht von
vornherein
ausgeschlossen. Der neue Tatrichter wird hierzu nähere
Feststellungen treffen
müssen.
Tolksdorf Pfister von Lienen
Becker Hubert |