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BGH, Beschluss vom 11. November 2003 - 5 StR 359/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 11.11.2003 - 5 StR 359/03
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung: ja
StPO § 338 Nr. 1
GVG §§ 21e, 76
Eine große Strafkammer, die nicht als Schwurgericht
tätig ist, kann geschäftsplanmäßig mit drei Beisitzern
besetzt sein.
BGH, Beschluß vom 11.11.2003 - 5 StR 359/03
LG Bremen -
5 StR 359/03
alt: 5 StR 127/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 11.11.2003
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Schmuggels
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11.11.2003
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Bremen vom 25. Februar 2003 wird nach § 349
Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels
zu tragen.
Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts weist der Senat
auf folgendes hin:
Die Revision stützt ihre Besetzungsrüge im wesentlichen auf den Beschluß
des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 1964 (BVerfGE 17, 294, 301),
nach dem die Grenze der zulässigen Überbesetzung eines Spruchkörpers
dann überschritten sei, wenn die Zahl seiner ordentlichen Mitglieder es gestatte,
daß er in zwei personell voneinander verschiedenen Sitzgruppen
Recht sprechen oder daß der Vorsitzende drei Spruchkörper mit je verschiedenen
Beisitzern bilden könnte (so auch BVerfGE 18, 65, 70). Hieraus folgert
die Revision, daß die Große Strafkammer V des Landgerichts Bremen mit
RiLG K - nach dem Geschäftsverteilungsplan der dritte Beisitzer -
vorschriftswidrig überbesetzt sei. Eine Strafkammer, die nicht als Schwurgericht
tätig ist, sei nämlich im Hinblick auf § 76 Abs. 2 GVG regelmäßig nur mit
zwei Berufsrichtern besetzt, so daß eine „Viererbesetzung“ mithin nach Maßgabe
der zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts per se
verfassungswidrig wäre (so auch Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 21e GVG
Rdn. 5; aA Breidling in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 21e GVG
Rdn. 11).
Die Revision übersieht, daß § 76 Abs. 2 GVG lediglich die Besetzung regelt,
in der die große Strafkammer in der Hauptverhandlung tätig wird. Zur Be-
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stimmung der Grenze der zulässigen Überbesetzung eines Spruchkörpers im
Sinne der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist
aber auf die gesetzlich vorgesehene Regelbesetzung des Spruchkörpers
abzustellen. Die große Strafkammer ist im Regelfall mit drei Richtern einschließlich
des Vorsitzenden besetzt (§ 76 Abs. 1 GVG). In dieser Besetzung
ergehen alle Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung (§ 76 Abs. 1
Satz 2 GVG). In der Hauptverhandlung wirken neben den drei Berufsrichtern
zwei Schöffen mit (§ 76 Abs. 1 Satz 1 GVG).
Abweichend hiervon kann die Strafkammer, die nicht als Schwurgericht tätig
ist, zwar gemäß § 76 Abs. 2 GVG unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen
- in vollständiger Besetzung - beschließen, daß sie in der
Hauptverhandlung mit nur zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und
mit zwei Schöffen besetzt ist. Diese Vorschrift läßt aber die gesetzliche Regelbesetzung
der Strafkammer mit drei Richtern unberührt. Auf die in zahlreichen
Verfahrensordnungen vorgesehene Möglichkeit, daß ein Spruchkörper
für einzelne Entscheidungen oder Verfahrensabschnitte in geringerer als der
gesetzlich vorgesehenen Spruchkörperstärke entscheidet (vgl. z.B. § 10
Abs. 3 FGO für den Bundesfinanzhof; § 139 Abs. 1 i.V.m. § 139 Abs. 2 GVG
für die Strafsenate des Bundesgerichtshofs; § 10 Abs. 3 VwGO für das Bundesverwaltungsgericht;
§ 80a Abs. 1 und 2 OWiG für die Bußgeldsenate der
Oberlandesgerichte; § 526 und § 527 Abs. 3 ZPO für das zivilrechtliche Berufungsverfahren)
kann zur Bestimmung der zulässigen Überbesetzung
schon deshalb nicht abgestellt werden, weil die Spruchkörper dann bereits in
ihrer jeweiligen Regelbesetzung im Sinne der Revision „überbesetzt“ wären.
Die Frage, ob in der Hauptverhandlung die reduzierte Besetzung nach § 76
Abs. 2 GVG der Regelfall oder die Ausnahme ist (vgl. einerseits BGHSt 44,
328, 331 [3. Strafsenat]; ferner BGH, Beschl. vom 14.08.2003
- 3 StR 199/03; andererseits BGHSt 44, 361, 362 [4. Strafsenat]), kann der
Senat auch hier offen lassen (so schon BGHR GVG § 76 Abs. 2 Besetzungsbeschluß
2).
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Im übrigen ist zu bedenken, daß die von der Revision in Bezug genommenen
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht ohne weiteres auf die
heutige Rechtslage übertragen werden können und deshalb auch in der Folgezeit
vom Bundesverfassungsgericht selbst modifiziert wurden (BVerfG
NJW 1995, 2703 ff. - Vorlagebeschluß des 1. Senats; BVerfGE 95, 322 ff. -
Plenarbeschluß). Grundlage der früheren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
war die Annahme, daß in einem überbesetzten Spruchkörper
die Auswahl der zur Entscheidung des konkreten Falls berufenen Richter
die Garantie des gesetzlichen Richters berühre und - in Ermangelung
spruchkörperinterner Mitwirkungspläne - schon der Überbesetzung als solcher
im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtliche Grenzen
zu ziehen seien (BVerfG NJW 1995, 2703, 2705).
Inzwischen hat der Gesetzgeber aber auf der Grundlage der Plenarentscheidung
des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 1997 (BVerfGE 95, 322)
die Regelung des § 21g GVG idF des Gesetzes vom 22.12.1999
(BGBl I 2598) geschaffen. Mit einem im voraus aufgestellten generellabstrakten
Mitwirkungsplan, der mit der notwendigen Bestimmtheit die Heranziehung
der einzelnen Richter zu den Verfahren festlegt, stellt sich aber
die Überbesetzung im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht mehr als
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verfassungsrechtliches Problem dar (BVerfG NJW 1995, 2703, 2705). Hinreichende
Grenzen ergeben sich nunmehr aus § 21f GVG (vgl. nur Meyer-
Goßner, StPO 46. Aufl. § 21f GVG Rdn. 4 ff. und 13 ff.).
Harms Häger Basdorf
Richterin am Bundesgerichtshof Raum
Dr. Gerhardt ist erkrankt
und an der Unterschrift
gehindert.
Harms


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