BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2005 - 5 ARs (Vollz) 54/05
Nachschlagewerk: ja                                                                                                                                     Navigation
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
StVollzG § 18 Abs. 1 Satz 1
StVollzG § 201 Nr. 3 Satz 1
Bei der Entscheidung über einen Anspruch auf Einzelunterbringung
während der Ruhezeit (§ 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG) in einem nach
Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes umgebauten Einzelbauwerk
einer aus mehreren Bauwerken bestehenden - vor Inkrafttreten des
Strafvollzugsgesetzes erbauten - Justizvollzugsanstalt ist auf den
Gesamtzustand der Justizvollzugsanstalt abzustellen mit der Folge,
dass § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG auf die gesamte Justizvollzugsanstalt
weiter anzuwenden ist.
BGH, Beschluss vom 11.10.2005 - 5 ARs (Vollz) 54/05
OLG Naumburg -
5 ARs (Vollz) 54/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 11.10.2005
in der Strafvollzugssache
betreffend
wegen gemeinsamer Unterbringung während der Ruhezeit
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11.10.2005
beschlossen:
Bei der Entscheidung über einen Anspruch auf Einzelunterbringung
während der Ruhezeit (§ 18 Abs. 1 Satz 1
StVollzG) in einem nach Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes
umgebauten Einzelbauwerk einer aus mehreren
Bauwerken bestehenden - vor Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes
erbauten - Justizvollzugsanstalt ist auf den
Gesamtzustand der Justizvollzugsanstalt abzustellen mit der
Folge, dass § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG auf die gesamte
Justizvollzugsanstalt weiter anzuwenden ist.
G r ü n d e
I.
Der Gefangene D verbüßt seit dem 13. Februar 2002 in
der 1844 mit drei Hafthäusern in Betrieb genommenen Justizvollzugsanstalt
Halle I Strafhaft. Er ist in dem schon zu diesem Zeitpunkt errichteten
Haus 1.1 (Strafhaft Männer) in einem nach Umbau 1998 hergestellten
12,59 m² großen Haftraum mit abgetrenntem Sanitärbereich untergebracht.
Der Einzelhaftraum ist wegen dauerhafter Überbelegung der Anstalt seit August
2001 mit zwei Gefangenen belegt.
Den von dem Gefangenen zuletzt am 26. Juli 2004 gestellten Antrag
auf Einzelunterbringung während der Ruhezeiten (§ 18 Abs. 1 Satz 1
StVollzG) hat der Leiter der Justizvollzugsanstalt unter Hinweis auf fehlende
Einzelhaftplätze zurückgewiesen. Dem dagegen gerichteten Verpflichtungsantrag
des Gefangenen hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss
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vom 20. Dezember 2004 stattgegeben und die sofortige Vollziehung des
Verpflichtungsanspruchs angeordnet.
Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, die gemeinsame Unterbringung
des Antragstellers könne nicht auf die „räumlichen Verhältnisse der
Anstalt“ im Sinne der Übergangsvorschrift des § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG
gestützt werden. Ausschlaggebend für deren Anwendung sei nicht der Zeitpunkt
der Errichtung der Anstalt, sondern der Zustand des Hafthauses, in
dem der Gefangene untergebracht ist. Das Hafthaus 1.1 stehe nach umfassender
Renovierung mit der Schaffung von 96 Einzelhaftplätzen aber einem
Neubau gleich. Gewisse, auf denkmalschutzrechtliche Auflagen zurückgehende
Funktionseinbußen rechtfertigten keine andere Bewertung. Das Landgericht
hat ferner sinngemäß erwogen, eine Anwendung der Übergangsvorschrift
sei verwirkt. Nach Abschluss des Umbaus des Hafthauses 1.1 hätten
bis Juli 2001 genügend Einzelhaftplätze zur Verfügung gestanden. Die erst
ab August 2001 wieder erforderlichen Doppelbelegungen stünden dann aber
nicht mehr im Zusammenhang mit den räumlichen Verhältnissen der Anstalt,
sondern hätten ihre Ursache allein im starken Anwachsen der Zahl der Gefangenen.
Schließlich hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass dem
Gefangenen wegen der noch bis 19. Februar 2008 anstehenden Inhaftierung
auch im Rahmen des § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG aufgrund einer gebotenen
Ermessensreduzierung auf Null ein Anspruch auf Einzelunterbringung zustehen
„dürfte“.
Dem ist das Ministerium der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt mit
seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde
entgegengetreten. Das Oberlandesgericht Naumburg hat mit Beschluss vom
5.04.2005 die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts nach § 116
Abs. 1 StVollzG zugelassen. Es hält sie auch für begründet.
Das Oberlandesgericht vertritt die Auffassung, dass für die Beurteilung
der räumlichen Verhältnisse i. S. v. § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG auf die Ge-
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samtheit der Anstalt und nicht auf den Zustand des einzelnen in Frage stehenden
Hafthauses abzustellen ist. Es sieht sich an der beabsichtigten Entscheidung
jedoch durch den Beschluss des Kammergerichts Berlin vom
10. Dezember 1997 (NStZ-RR 1998, 191) gehindert, das den Zustand eines
einzelnen - 1995 in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee neu errichteten -
Hafthauses als maßgeblich angesehen hat. Das Oberlandesgericht Naumburg
hat deshalb gemäß § 121 Abs. 2 GVG die Sache dem Bundesgerichtshof
zur Entscheidung mit folgender Rechtsfrage vorgelegt:
„Ist bei der Entscheidung über einen Anspruch auf Einzelunterbringung
während der Ruhezeit (§ 18 StVollzG) auf die räumlichen Verhältnisse
eines nach Inkrafttreten des StVollzG umgebauten Einzelbauwerks einer aus
mehreren Bauwerken bestehenden - vor Inkrafttreten des StVollzG erbauten
- Justizvollzugsanstalt abzustellen oder auf den Gesamtzustand der Justizvollzugsanstalt
mit der Folge, dass die Übergangsvorschrift des § 201
Nr. 3 Satz 1 StVollzG auf die gesamte Justizvollzugsanstalt weiter anzuwenden
ist?“
II.
Die Vorlegungsvoraussetzungen sind gegeben.
1. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, es komme für seine Entscheidung
auf die vorgelegte Rechtsfrage an, ist zutreffend.
Die Vorlegungsfrage betrifft die Auslegung des Begriffs „Anstalt“ in
§ 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG und ist damit eine Rechtsfrage.
Auch wenn sich der vom Kammergericht bewertete Sachverhalt (Neubau)
von dem hier in Frage stehenden (Umbau) unterscheidet, ist die Auffassung
des Oberlandesgerichts, tragende Erwägungen des Beschlusses des
Kammergerichts stünden seiner beabsichtigten Entscheidung entgegen, je-
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denfalls vertretbar und bei der Prüfung der Vorlegungsvoraussetzungen
durch den Senat zugrunde zu legen (vgl. BGHSt 16, 321, 324; BGH
NStZ 2000, 222). Es erscheint nämlich sachgerecht, Neubauten und Umbauten
als Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der „räumlichen Verhältnisse
der Anstalt“ gleich zu behandeln (a.A. Arloth in Arloth/Lückemann, StVollzG
§ 201 Rdn. 1). Ferner ist es wegen der insoweit grundsätzlich gleichen
Rechtslage (§ 18 Abs. 2 Satz 1 StVollzG) unerheblich, dass sich das Kammergericht
mit einer Doppelbelegung im offenen Vollzug befasst hat, vorliegend
aber eine solche im geschlossenen Vollzug zu beurteilen ist.
Der vom Landgericht erwogene Anspruch des Gefangenen auf Einzelunterbringung
im Blick auf die noch lange Vollzugsdauer steht der Entscheidungserheblichkeit
nicht entgegen. Es handelt sich insoweit lediglich
um eine nicht tragende Hilfserwägung.
Auch soweit das Oberlandesgericht implizit die im Blick auf den Wortlaut
des § 111 StVollzG zweifelhafte Vorfrage entschieden hat, dass die Aufsichtsbehörde
befugt ist, Rechtsbeschwerde zu erheben (dafür: Volckart in
AK-StVollzG 4. Aufl. § 111 Rdn. 5 m.w.N.; dagegen: Calliess/Müller-Dietz,
StVollzG 10. Aufl. § 111 Rdn. 4 m.w.N.), beseitigt solches die Entscheidungserheblichkeit
ebenfalls nicht. Diese nicht vorgelegte Rechtsfrage steht
mit der Vorlegungsfrage nicht in solch einem sachlogisch untrennbaren Zusammenhang,
dass über beide nur einheitlich entschieden werden könnte
(vgl. BGHSt 34, 101, 105). Der Senat ist nicht genötigt, zu dieser Frage Stellung
zu nehmen. Deren Beantwortung durch das Oberlandesgericht hat
auch keinen Abweichungsfall ausgelöst (vgl. den Nachweis der Rechtsprechung
der Oberlandesgerichte bei Volckart aaO).
Gleiches gilt für die ebenfalls vom Oberlandesgericht implizit entschiedene
Vorfrage, ob die Rechtsbeschwerde entgegen dem Wortlaut des § 114
Abs. 2 Satz 3 StVollzG bei einer im Eilverfahren getroffenen Hauptsacheentscheidung
zulässig ist (dafür: OLG Hamm ZfStrVo 1987, 378 [Ls]; OLG
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Karlsruhe NStZ 1993, 557, 558; Arloth aaO § 114 Rdn. 5; dagegen: Volckart
aaO § 114 Rdn. 11; Calliess/Müller-Dietz aaO § 114 Rdn. 4).
2. Die Vorschrift des § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG ist vorliegend anwendbar.
Es handelt sich um ein Zeitgesetz, das allerdings den Zeitpunkt des
Außerkrafttretens nicht bestimmt. Dieser Mangel beeinträchtigt aber die
Wirksamkeit und Anwendbarkeit der Norm nicht. Die fehlende Befristung liegt
innerhalb des Gestaltungsermessens des Gesetzgebers (vgl. Sannwald in
Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG 10. Aufl. Vorb. v. Art. 70 Rdn. 10 und 15) und
wird von sachlichen Erwägungen getragen. Die auf den Entwurf der Bundesregierung
(vgl. BTDrucks. 7/918 S. 37) zurückgehende Fassung des § 201
Nr. 3 Satz 1 StVollzG war als eine Bestimmung konzipiert, die der Reform
des Strafvollzugs in einer für die Haushalte der Länder tragbaren Form den
Weg eröffnen sollte (BTDrucks. aaO S. 107). Das damit bezweckte Gebot,
die Länderfinanzen nicht über Gebühr mit der Verpflichtung zum Umbau und
Neubau von Justizvollzugsanstalten zu belasten, hat heute noch erhebliche
Bedeutung. Die Anzahl der Strafgefangenen ist infolge der auf Grund zahlreicher
Strafdrohungsverschärfungen (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl.
Vor § 174 Rdn. 4 und 4a) verhängter höherer Freiheitsstrafen stark angewachsen
(51.442 am 31. März 1997; 60.742 am 31. März 2002; 63.677 am
31. März 2004). Dem gegenüber ist die Leistungskraft der Länder durch deren
höhere Verschuldung zurückgegangen. Eine Einzelunterbringung (fast)
aller Gefangener ist angesichts von dafür notwendigen mindestens 20.000
zusätzlichen Haftplätzen bei Herstellungskosten von 100.000 bis 150.000
Euro für einen Haftplatz auf absehbare Zeit nicht realisierbar (vgl. Dünkel/
Geng Neue Kriminalpolitik 2003, 146, 147). Damit steht außer Frage,
dass ein Wandel der Normsituation (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft
6. Aufl. S. 350) nicht eingetreten und § 201 Nr. 3 Satz 1
StVollzG auch heute noch anzuwenden ist (so auch OLG Frankfurt NStZRR
2001, 28, 29; OLG Celle NJW 2004, 2766, 2767; KG, Beschl. vom
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16. Juni 2004 - 5 Ws 212/04 Vollz; vgl. auch OLG Naumburg NJW 2005,
514, 515; Kretschmer NStZ 2005, 251, 252, 254). Eines Rückgriffs auf die
hier durch Art. 8 EVertr. Anlage I Kapitel III Justiz C Strafrecht Nr. 5 bewirkte
kürzere Geltungsdauer der Norm bedarf es nicht.
§ 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG ist auch nicht - wie das Landgericht
meint - deshalb unanwendbar, weil die Norm in der JVA Halle I aus tatsächlichen
Gründen drei Jahre nicht angewandt werden musste und ein Zurückgreifen
auf sie nur wegen der gestiegenen Zahl der Gefangenen verwirkt sei.
Dem hier anzuwendenden öffentlichen Recht ist zwar das dem Privatrecht
entstammende Institut der Verwirkung nicht fremd. Rechtsbeschränkungen
unter diesem Gesichtspunkt kommen aber nur für subjektiv-öffentliche Rechte,
wie etwa von Prozessordnungen den Verfahrensbeteiligten zuerkannte
Rechte (vgl. BGHSt 38, 111; BGH NJW 2005, 2466) in Betracht. Einwände
gegen die Anwendbarkeit von Gesetzen, die abstrakte Regelungen zum Inhalt
haben und generelle Geltung beanspruchen, können mit diesem Rechtsinstitut
aber nicht begründet werden.
3. Die Sache ist entscheidungsreif.
a) Die Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts ist nicht durch
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überholt. Das Bundesverfassungsgericht
hat bislang nicht entschieden, dass eine bloße gemeinsame
Unterbringung entgegen § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG - ohne Hinzutreten erschwerender,
den Gefangenen benachteiligender Umstände - wegen Verstoßes
gegen das Gebot, die Menschenwürde des Gefangenen zu achten,
verfassungswidrig ist. Eine auf Feststellung der verfassungsrechtlichen Unvereinbarkeit
des § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG gerichtete Vorlage hat die
2. Kammer des Zweiten Senats mit Beschluss vom 24. September 2003 als
unzulässig zurückgewiesen (BVerfGK 2, 17). Zwar hat die 3. Kammer dieses
Senats mit ihren Beschlüssen vom 27. Februar 2002 (NJW 2002, 2699) und
13. März 2002 (NJW 2002, 2700) Verfassungsbeschwerden von Gefange-
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nen, die entgegen § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG gemeinsam untergebracht
waren, stattgegeben. Als unmittelbar verletzt hat das Bundesverfassungsgericht
aber die Grundrechte der Gefangenen auf wirksamen gerichtlichen
Rechtsschutz angesehen (NJW aaO, S. 2700 und 2701), der die Fachgerichte
zur Würdigung der - allerdings im Blick auf Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlichen
Bedenken begegnenden - Eigenschaften der jeweiligen Hafträume
(7,6 m² und 8 m² Bodenfläche mit jeweils offener Toilette) hätte nötigen
müssen.
b) Das Verfahren muss nicht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ausgesetzt
werden. Der Senat schließt für den vorliegenden Fall einen Verstoß
gegen das Gebot der menschenwürdigen Behandlung Strafgefangener aus.
Größe und Ausstattung des Haftraums begründen hier keine durchgreifenden
Bedenken, der Gefangene sei in einer seine Menschenwürde
missachtenden Art untergebracht (vgl. BVerfG aaO S. 2701; BVerfG - Kammer
ZfStrVo 1994, 377, 378; OLG Celle StV 2003, 567, 568). In der Rechtsprechung
der Instanzgerichte und im Schrifttum entspricht es allgemeiner
Auffassung, dass solches erst bei nicht abgetrennter Toilette oder deren fehlender
gesonderten Entlüftung und bei einem Unterschreiten von 16 m³ Luftraum
oder 12 m² Bodenfläche anzunehmen ist (OLG Frankfurt NJW 2003,
2843, 2845 mit umfangreichen Nachweisen der Rspr. und Literatur; OLG
Naumburg NJW 2005, 514, 515; LG Halle StV 2005, 342; LG Hamburg
ZfStrVo 2004, 5). Der Senat teilt diese Auffassung. Die hier vorliegende Unterbringung
von zwei Gefangenen in einem 12,59 m² großen Einzelhaftraum
mit Abtrennung des Sanitärbereichs begegnet demnach keinen Einwänden
(vgl. auch OLG Celle StV 2003, 567, 568).
Indes erschöpft sich die Wirkkraft des Gebots der menschenwürdigen
Behandlung der Strafgefangenen nicht in dem Anspruch auf eine (hier gemeinsame)
Unterbringung in angemessenen Hafträumen. Eine länger dauernde
Mehrfachunterbringung gegen den Willen des Strafgefangenen kann
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sich - trotz der gebotenen Zurückhaltung gegenüber unmittelbaren Folgerungen
aus Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. OLG Frankfurt NJW 2003, 2843, 2845
m.w.N.) - als ein die Menschenwürde des Gefangenen tangierender Verlust
der Intim- und Privatsphäre darstellen (vgl. Kretschmer NStZ 2005, 251, 254;
Theile StV 2002, 670, 671; Ullenbruch NStZ 1999, 429, 430; Oberheim, Gefängnisüberfüllung
[1984] S. 51). Auch dem Gefangenen muss ein Innenraum
verbleiben, in dem er in Ruhe gelassen wird und in welchem er ein
Recht auf Einsamkeit genießen kann (vgl. BVerfGE 27, 1, 6; BVerfG - Kammer
NJW 1996, 2643; BGHSt 37, 380, 382). Begründet letztlich ein Anspruch
darauf schon das Gebot für die Justizvollzugsbeamten, Gefangene lediglich
aus besonderen, in § 88 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StVollzG oder § 4 Abs. 2 Satz 2
StVollzG normierten Anlässen, durch Sichtspione zu beobachten (vgl. BGHSt
aaO S. 381 f.; Böhm JR 1992, 174, 176), muss der wesentlich stärkere Eingriff
in die Privatsphäre des Gefangenen infolge der Doppelbelegung (vgl.
Ullenbruch aaO; Böhm aaO Fußn. 15) auf Wunsch des Gefangenen durch
die Gestaltung des Vollzugs teilweise ausgeglichen werden. Dafür bietet sich
an - und solches ist auch geboten, - dass jeweils jedem der in dem doppelt
belegten Haftraum untergebrachten Gefangenen außerhalb der Schlafenszeit
angemessene Ruhezeiten (vgl. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG 10. Aufl. §
18 Rdn. 1) gewährt werden (so bereits Oberheim aaO S. 51 f.), während derer
der jeweils andere Gefangene arbeitet, sich in Gemeinschaftsräumen oder
im Freien aufhält (§ 64 StVollzG).
Unter diesen Prämissen hält der Senat vorliegend eine Unterbringung
von zwei Gefangenen in einem Einzelhaftraum für verfassungsrechtlich unbedenklich.
c) Auch einer Anfrage gemäß § 132 Abs. 3 GVG beim III. Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs bedarf es nicht. Zwar hat dieser Senat in seinem
Urteil vom 4. November 2004 (NJW 2005, 58; zur Veröffentlichung in BGHZ
bestimmt) die tatrichterliche Würdigung gebilligt, dass die Unterbringung des
Klägers in einem 16 m² großen Haftraum, in dem Toilette und Waschbecken
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nur mit einem Sichtschutz abgetrennt waren, mit vier weiteren Gefangenen
wegen Verstoßes gegen das Gebot der menschenwürdigen Behandlung
Strafgefangener rechtswidrig gewesen ist (aaO S. 59). Diese Wertung fußt
aber auf einem wesentlich anders gelagerten Sachverhalt, so dass die dort
gefundene Rechtsauffassung für die hiesige Sache keine Bindung entfalten
kann.
III.
Der Senat hält die Rechtsansicht des vorlegenden Oberlandesgerichts
für zutreffend. Anstalt im Sinne des § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG meint die
gesamte Justizvollzugsanstalt. Auf sie und damit den Zeitpunkt ihrer Errichtung
beziehen sich auch die „räumlichen Verhältnisse“ von nach dem
1. Januar 1977 umgebauter Hafthäuser (im Ergebnis auch Arloth in Arloth/
Lückemann, StVollzG § 201 Rdn. 1; a.A. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG
10. Aufl. § 18 Rdn. 4; dem Beschluss des KG vom 10. Dezember 1997
(NStZ-RR 1998, 191) bezüglich Neubauten folgend: Böhm in Schwind/Böhm/
Jehle, StVollzG 4. Aufl. § 201 Rdn. 2; Kellerman in AK-StVollzG 4. Aufl. § 18
Rdn. 4; Calliess/Müller-Dietz aaO).
1. Der Wortsinn der Vorschrift ist eindeutig. Die Regelung unterscheidet
nicht zwischen Hafthäusern, deren Errichtung vor oder nach dem Inkrafttreten
des Strafvollzugsgesetzes (1. Januar 1977) begonnen wurde, sondern
zwischen Anstalten. Nach dem durch § 139 StVollzG vorgegebenen spezifischen
Sprachgebrauch des Strafvollzugsgesetzes steht der Begriff „Anstalt“
für eine Justizvollzugsanstalt insgesamt.
2. Aus der systematischen Stellung der Norm ergibt sich, dass § 201
StVollzG, wie es seine Überschrift ausdrückt, „Übergangsbestimmungen für
bestehende Anstalten“ und nicht für einzelne Gebäude der Anstalt trifft. Die
Ausnahmeregelungen in den Nummern 1, 2, 4 und 5 beziehen sich jeweils
auf die gesamte Justizvollzugsanstalt. So ist die Rede von personellen und
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organisatorischen Verhältnissen der Anstalt (Nr. 1), von räumlichen, personellen
und organisatorischen Verhältnissen der Anstalt (Nr. 2), von Gestaltung
und Gliederung der Justizvollzugsanstalten (Nr. 4) und von der Belegungsfähigkeit
der Anstalt (Nr. 5), die zudem nach Maßgabe des § 201 Nr. 3
StVollzG und somit begrifflich für die gesamte Justizvollzugsanstalt in einer
§ 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG einschränkenden Weise festgelegt werden kann.
Sonderregelungen für einzelne Vollzugsbauten in einer Justizvollzugsanstalt
kennt das Strafvollzugsgesetz dagegen nicht. Es unterscheidet, wie §§ 140
und 141 StVollzG zu entnehmen ist, lediglich zwischen Anstalten sowie Abteilungen
und Hafträumen innerhalb der Anstalt.
3. Die historische Auslegung eröffnet nicht die vom Kammergericht
vertretene einschränkende Anwendung der Norm.
a) Die Bundesregierung hat in der Begründung des Gesetzentwurfs
nicht zwischen alten und neuen (oder umgebauten) Vollzugsbauten, sondern
zwischen bestehenden und neuen Vollzugsanstalten unterschieden (vgl.
BTDrucks. 7/918 S. 55 f.; 107). Ewas anderes ergibt sich nicht aus den vom
Kammergericht herangezogenen Teilen der Begründung. Zwar könnte die
zum Erfordernis eines späteren Inkrafttretens des § 18 StVollzG (aaO S. 55)
mitgeteilte Erwägung, dass „wegen der noch notwendigen erheblichen Umbauten
auch diese Vorschrift vorerst vollständig nur für neue Vollzugsbauten
in Kraft treten (kann)“, bei isolierter Betrachtung für den Standpunkt des
Kammergerichts streiten. Dem stehen aber die genaueren Erläuterungen
zum Verhältnis von Umbauten und Neubauten zur Begründung der Übergangsvorschrift
(aaO S. 107) entgegen: „Der genannte Grundsatz soll nur für
Neubauten voll eingeführt werden. Außerdem sollen auch in den bestehenden
Anstalten bis 1982 außer in den unvermeidbaren Fällen Zellenarbeit und
übergroße Schlafsäle abgeschafft werden“. Danach wird aber zwischen erforderlichen
Umbauten in den bestehenden Anstalten mit dem Ziel der Schaffung
von Werkräumen nebst der Abschaffung übergroßer Schlafsäle und der
Errichtung von Neubauten differenziert. Letzteres bedeutet, was sich aus
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dem Gegensatz zu den bestehenden Anstalten erhellt, dass neu zu errichtende
Justizvollzugsanstalten und nicht einzelne Hafthäuser gemeint sind.
Demnach wird für die Anwendung von § 18 StVollzG auch in der Gesetzesbegründung
lediglich zwischen bestehenden und neuen Justizvollzugsanstalten
unterschieden.
b) Nur bei weitestgehender Suspendierung des § 18 Abs. 1 Satz 1
StVollzG konnte die vom Strafvollzugsgesetz intendierte Gesamtreform des
Strafvollzugs überhaupt gelingen. Nach der Strafrechtsreform 1969 waren
infolge der kriminalpolitischen Erwartung eines deutlichen Rückgangs der
Zahl der Strafgefangenen Gefängnisse geschlossen worden (vgl. Kaiser/
Schöch, Strafvollzug 5. Aufl. § 10 Rdn. 8). Bereits 1971 wurde aber die
Belegungssituation wieder kritisch (vgl. Oberheim ZfStrVo 1985, 15, 17). Der
Gesetzgeber stand damit vor dem Problem, das zur Verwirklichung der Reformziele
in großem Umfang zusätzlich erforderlich werdende Fachpersonal,
Haft- und Fachräume mit den fehlenden finanziellen und räumlichen Ressourcen
in Einklang zu bringen; die vorhandenen Strafanstalten mussten
schon aus finanziellen Gründen weiter verwendet werden (vgl. Kaiser/
Schöch aaO). Der notwendige Umbau in den Anstalten war zudem nur
mit Verlust von Haftraumkapazität möglich. Die meisten Gemeinschaftsräume
sollten nicht mehr zur Unterbringung von Gefangenen, sondern zu anderen
Zwecken verwendet werden (vgl. Böhm, Strafvollzug S. 89). So wurden
zahlreiche bisherige Hafträume zu Arbeits-, Ausbildungs-, Weiterbildungsräumen
sowie zu Diensträumen für zusätzlich eingestellte Fachkräfte umgewidmet
(vgl. Böhm in Schwind/Böhm, StVollzG 3. Aufl. § 146 Rdn. 6). Nur die
weiterhin erlaubte gemeinsame Unterbringung konnte vor diesem Hintergrund
Abhilfe schaffen. So wurden Einzelhafträume in Mehrbetträume „umdefiniert“
oder umgestaltet (vgl. Dünkel/Morgenstern in FS für Heinz Müller-
Dietz S. 150). Damit ermöglichte nur eine weitestgehende Anwendung der
Übergangsvorschrift - bei den besonders langen Planungs- und Bauzeiten
für neue Anstalten (vgl. zum beachtlichen Umfang des aktuellen Neubaupro-
13 -
gramms Dünkel/Morgenstern aaO) - die vom Gesetzgeber seit 1977 gewollte
grundlegende Umgestaltung des Strafvollzugs.
4. Die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts steht im Einklang mit
dem Sinn und Zweck der Regelung des § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG.
Die Vorschrift verfolgt das Ziel, in den vor dem 1. Januar 1977 errichteten
Anstalten die Anwendung des § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG zu suspendieren.
Der Gesetzgeber will damit verhindern, dass Strafgefangene in diesen
Anstalten ohne eine Einschränkungsmöglichkeit im Einzelfall einen einfachgesetzlichen
Anspruch auf Einzelunterbringung erfolgreich geltend machen
können (vgl. OLG Celle NJW 2004, 2766, 2767). Mit der Regelung wird
demnach auch einem in der Anstalt bestehenden Platzmangel begegnet (vgl.
OLG Celle aaO). Gefangene dürfen, falls dies die beschränkten Raumverhältnisse
erfordern und es die persönliche Disposition des Gefangenen erlaubt
(vgl. OLG Celle aaO), in Altanstalten weiterhin mit bis zu sieben weiteren
Personen untergebracht werden (§ 201 Nr. 3 Satz 2 StVollzG).
Auch der Umstand, dass vorliegend die Vollstreckung von Freiheitsstrafe
gegen erwachsene Männer ausschließlich in einem Gebäude durchgeführt
wird, das nur über Einzelhaftplätze verfügt, kann nicht dazu führen,
dass die übrigen Unterbringungsmöglichkeiten bei der Beurteilung der räumlichen
Verhältnisse in der Anstalt nicht berücksichtigt werden dürfen. Denn
die Regelung will, was § 201 Nr. 5 StVollzG erhellt, den Aufsichtsbehörden
nicht ihre Gestaltungsfreiheit zur Aufteilung der Gefangenen auf die gesamte
Justizvollzugsanstalt nehmen. Die Ansicht des Kammergerichts würde dagegen,
worauf das Oberlandesgericht zu Recht hinweist, zu unterschiedlichen
Rechtslagen innerhalb einer Anstalt führen. Solches würde bei den Gefangenen
Neid und Unfrieden hervorrufen und dadurch das Erreichen der Vollzugsziele
erschweren.
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Die vom Kammergericht erwogene Möglichkeit der Umgehung des
gesetzgeberischen Willens verlangt keine andere Bewertung. Die Frage, ob
die räumlichen Anstaltsverhältnisse tatsächlich eine gemeinsame Unterbringung
erfordern, unterliegt eingehender gerichtlicher Nachprüfung (vgl. OLG
Celle NJW 2004, 2766, 2767), in deren Rahmen einem etwaigen rechtsmissbräuchlichen
Verhalten entgegenzutreten wäre.
5. Der Senat hat entgegen der im Schrifttum geäußerten Kritik (vgl.
Calliess/Müller-Dietz, StVollzG 10. Aufl. § 111 Rdn. 1 m.w.N.) den Generalbundesanwalt
beteiligt. Der Beschlusstenor entspricht dessen Antrag. Der
Schriftsatz der Verteidigerin vom 10.10.2005 hat vorgelegen.
Harms Häger Raum
Brause Schaal