Darstellung der BGH-Rechtsprechung zum Strafrecht ::     
 LINKWEG ::: inhalt / entscheidungen
 
BGH, Beschluss vom 11. September 2003 - 4 StR 305/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 11.9.2003 - 4 StR 305/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 305/03
vom
11.09.2003
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
- 2 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11.09.2003
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Saarbrücken vom 24. März 2003 mit den
Feststellungen - ausgenommen diejenigen zum äußeren
Sachverhalt, die bestehen bleiben - aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe
von sechs Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte
mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das
Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache
an das Landgericht.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit ihn das
Landgericht als überführt angesehen hat, in der Tatnacht seinen Zechkumpanen
R. im Rahmen einer Auseinandersetzung ohne rechtfertigenden Grund
- 3 -
durch wuchtig geführte Schnitte in den Halsbereich mit einer Glasscherbe getötet
zu haben. Die Angriffe der Revision gegen die Beweiswürdigung erweisen
sich insoweit, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom
22. Juli 2003 näher ausgeführt hat, als unbegründet.
Das Urteil hat jedoch keinen Bestand, weil das Landgericht die Annahme,
der Angeklagte habe mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, nicht
rechtsfehlerfrei begründet hat. Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend
ausgeführt:
"Zwar liegt es bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen
nahe, dass der Täter auch mit der Möglichkeit, dass das Opfer
dabei zu Tode kommen könne, rechnet. Angesichts der
hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung ist jedoch immer
auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Täter
die Gefahr des Todes nicht erkennt oder jedenfalls darauf
vertraut hat, dieser 'Erfolg' werde nicht eintreten. Der Schluss
auf bedingten Tötungsvorsatz ist daher nur dann rechtsfehlerfrei,
wenn der Tatrichter in seine Abwägungen alle Umstände
einbezogen hat, die ein solches Ergebnis in Frage
stellen (Beschluss des erkennenden Senats vom 6. März
2002 - 4 StR 30/02 - m.w.N.).
Eine solche Gesamtwürdigung hat die Kammer insbesondere
hinsichtlich des Willenselements des bedingten Vorsatzes
nicht vorgenommen. Die knappen Ausführungen zur subjektiven
Tatseite (UA S. 12) behandeln im Ergebnis nur die Wissenskomponente,
deren Vorliegen zutreffend bejaht wird. Bezüglich
des Willenselements fehlt es an einer entsprechenden
Erörterung. Die Kammer hätte sich insoweit vor allem mit der
aus einem spontanen Streit entstandenen Tatsituation, der
Alkoholisierung des Angeklagten, die die Kammer zur Anwendung
des § 21 StGB veranlasst hat (UA S. 13), und den
psychologischen Auswirkungen der durch die Notwehrhandlung
des Opfers entstandenen erheblichen Verletzung des
- 4 -
Angeklagten (UA S. 9) auseinander setzen müssen, wie die
Revision zutreffend ausführt".
Die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt sind von dem aufgezeigten
Rechtsfehler nicht betroffen. Sie können deshalb entsprechend der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts aufrechterhalten bleiben.
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß er
die Bedenken der Revision und des Beschwerdeführers auch teilt, soweit diese
sich gegen die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt (§ 64 Abs. 1 StGB) richten. Dies gilt jedenfalls, soweit sich
das Landgericht dabei auch auf die Auffassung des Sachverständigen gestützt
hat, "der Angeklagte passe auch wegen seines Alters nicht zu anderen Therapieteilnehmern".
Mit dieser Argumentation würden ältere Straftäter [der Angeklagte
ist 49 Jahre alt] von vornherein von der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
nach § 64 StGB ausgeschlossen, obwohl die Voraussetzungen
dieser Vorschrift an sich vorliegen. Daß das nicht richtig sein kann, liegt auf der
Hand.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Sost-Scheible


:: freigabestatus allgemein    
             © 2010 - 2017 Peter Wiete • E-Mail:  info@wiete-strafrecht.de