BGH,
Beschl. v. 12.12.2000 - 3 StR 409/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 409/00
vom
12. Dezember 2000
in der Strafsache gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 12. Dezember 2000 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hannover vom 22. Mai 2000 im Strafausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer
Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die auf sachlichrechtliche
Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat nur in
dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
Während die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten ergeben hat, kann der Strafausspruch nicht
bestehen bleiben, weil das Landgericht einen minder schweren Fall des
Totschlags nicht rechtsfehlerfrei abgelehnt hat.
Nach den Feststellungen war die Ehefrau des Angeklagten, das
spätere Opfer, entgegen einer Verabredung mit dem Angeklagten
erst in den frühen Morgenstunden nach Hause gekommen. Der
Angeklagte machte seiner Frau Vorwürfe, dieser gelang es aber,
den Angeklagten zu besänftigen, so daß es zu
Zärtlichkeiten und zum Geschlechtsverkehr zwischen beiden kam.
Im weiteren Verlauf der Morgenstunden erwürgte der Angeklagte
seine Ehefrau mit direktem Tötungsvorsatz. Das Landgericht hat
einen minder schweren Fall des Totschlags gemäß
§ 213 1. Alt. StGB verneint, weil sich "keine Anhaltspunkte
dafür ergeben" hätten, daß der Angeklagte
vor der von ihm begangenen Tötung seiner Ehefrau von dieser
mißhandelt oder schwer beleidigt worden ist (UA S. 18). Dies
vereinbart sich nicht ohne weiteres damit, daß das
Landgericht festgestellt hat, es sei nach dem einvernehmlichen
Geschlechtsverkehr erneut zu einem (zweiten) Streit zwischen den
Eheleuten gekommen, ohne daß der Beginn und der Verlauf des
Streits hätte festgestellt werden können (UA S. 9).
Damit ist gerade nicht ausgeschlossen, daß der
Tötung eine Mißhandlung oder schwere Beleidigung des
Angeklagten durch seine Ehefrau vorangegangen ist. Gleiches gilt
für die Erwägungen, die das Landgericht im
Zusammenhang mit der Ablehnung eines Hilfsbeweisantrages des
Angeklagten angestellt hat. In ihm war behauptet worden, gegen die
Ehefrau sei 1999 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, weil sie
eine andere Person unter Einsatz beträchtlicher
körperlicher Gewalt angegriffen habe. Das Landgericht hat
diese Tatsache als aus tatsächlichen Gründen
bedeutungslos angesehen. Es hat dabei ausgeführt, der Umstand,
daß der Angeklagte nur zum Inhalt des ersten Streits Angaben
machen konnte, spräche dafür, daß dieser
zweite Streit entweder nicht erheblich oder zumindest nicht von
wesentlichem Inhalt gewesen sein könne (UA S. 15). Nachdem der
medizinische Sachverständige die vom Angeklagten behauptete
Erinnerungslosigkeit an den zweiten Streit als aus medizinischen
Gründen nicht nachvollziehbar angesehen hatte (UA S. 17),
hätte das Landgericht daraus nicht auf die Unerheblichkeit der
Auseinandersetzung schließen dürfen, ohne sich mit
der Frage auseinanderzusetzen, ob es sich bei der Erinnerungslosigkeit
nicht nur um eine Verteidigungsstrategie des Angeklagten gehandelt
hatte. Aus einer solchen hätte ein Schluß auf die
Unerheblichkeit des Streits nicht gezogen werden können.
Auch die Ablehnung eines sonst minder schweren Falles des Totschlags
(§ 213 2. Alt. StGB) enthält einen Rechtsfehler. Das
Landgericht hat festgestellt, daß der Angeklagte mit einer
Blutalkoholkonzentration von 3,1 % zur Tatzeit in seiner
Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen
war, aber nicht erkennbar erwogen, daß bereits das Vorliegen
eines sog. vertypten Milderungsgrundes wie des § 21 StGB nach
der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die
Annahme eines minder schweren Falls begründen kann.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß die
Ablehnung eines minder schweren Falles des Totschlags auf den
aufgezeigten Fehlern beruht. Die Feststellung, daß der
Angeklagte seine Ehefrau getötet hat und dabei seine
Schuldfähigkeit nicht aufgehoben war, wird von dem Fehler
indes nicht berührt. Der Schuldspruch und die ihn tragenden
Feststellungen haben deshalb Bestand. Nicht zu diesen Feststellungen
gehörend sind diejenigen zu dem Streit
zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau. Sie sind deshalb
aufgehoben. Hierzu wird der neue Tatrichter grundlegend neue,
widerspruchsfreie Feststellungen treffen müssen.
Kutzer Miebach Pfister von Lienen Becker |